Rasante Zeiten - 1985 etc.. Stefan Koenig
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Название: Rasante Zeiten - 1985 etc.

Автор: Stefan Koenig

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Zeitreise-Roman

isbn: 9783750237100

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СКАЧАТЬ tun, wenn ich sonst nirgendwo aufgenommen werde?“, hatte Nina weinend gefragt. Da erhielt sie die Adresse von Narconon.

      „Ich werde jetzt absolut clean, Mama!“, sagte Nina zu Hause. „Ich gehe für einige Monate oder vielleicht auch für ein ganzes Jahr zu Narconon.“

      Ihre Mutter glaubte ihr nach den vielen erfolglosen Entzugsversuchen kein Wort, erkundigte sich aber ausführlich über diesen Verein. Nina war voll auf den Therapietrip abgefahren und in Hochstimmung. Diesmal würde es klappen. Sie hatte keinen Freier mehr gemacht und war im Moment ohne Heroin. Sie wollte entziehen, bevor sie zu Narconon ging.

      „Ich wollte dort nicht erst ins Turkey-Zimmer, wo man mit dem Entzug tagelang kämpft. Ich wollte einen Vorsprung vor den anderen Neuen haben, um zu beweisen, dass ich den echten Willen hatte, clean zu werden.“

      Am nächsten Morgen schlug der Entzug voll zu. Es war so schlimm wie bei den vielen anderen Entzugsversuchen, vielleicht sogar noch krasser, wie Nina Doro berichtet hatte. Aber sie dachte trotzdem, dass sie es schaffen würde.

      „Wenn ich meinte, die Schmerzen würden mich umbringen, hielt ich dagegen: Nein, es ist das Gift, das meinen Körper endlich verlässt. Du wirst besser leben als vorher, und nie wieder wird irgendein Gift in deinen Körper gelangen!“

      Am dritten Entzugstag war Nina nur am Träumen. Sie träumte wunderschöne Dinge, träumte von einem besseren Leben, von einer eigenen Wohnung, in der das Wichtigste das Schlafzimmer war. Überall standen Zimmerpalmen, und hinter ihrem Bett war eine Bildtapete, die eine Wüsten-Oase mit riesigen Sanddünen in Abendstimmung zeigte. Kamele waren zu sehen und Beduinen, die mit ihren weißen Kopftüchern total relaxed im Kreis saßen, Shisha rauchten und Tee tranken.

      Auf einer Seite des Schlafzimmers hatte sie unter dem Fenster der Dachschräge eine gemütliche Sitzecke eingerichtet, wie man sie aus Indien oder aus Tausend-und-einer-Nacht kannte. Eine Menge buntbestickter Kissen lag um einen niedrigen runden Tisch herum. Da sah sich Nina im Traum abends mit ihrem Freund Helle sitzen; es herrschte eine entspannende Ruhe, und sie waren zufrieden, weil es weder Hektik noch Probleme gab.

      „Am darauffolgenden Tag ging es mir schon so gut, dass ich mein Zimmer verlassen konnte. Da fand ich noch zwanzig Mark in meiner Jeansjacke, die mich irgendwie in Gedanken gefangen nahmen. Es war ja genau die Hälfte von dem, was man für einen Schuss H benötigte. Und plötzlich überkam mich der Gedanke, dass es doch eine Art Abschiedsgeschenk sei, wenn ich mir einen letzten Druck besorgen könne, bevor ich morgen zu Narconon gehe.“

      Nina wollte noch einmal einen Bummel rund um die Gedächtniskirche und ums KaDeWe machen, in der Nähe ihres alten Bahnhof-Zoo-Terrains. Bei Narconon gab es keinen Freigang und wenn, dann nur in Begleitung. Jetzt nur noch einmal einen schönen Bummel unter H genießen, nur noch einen einzigen Schuss, dachte sie. Doch wie konnte sie die restlichen zwanzig Mark auftreiben? Einen Freier im Bahnhof aufreißen? Da konnte sie ihrem Freund Helle begegnen, der ihr die Hölle heiß machen würde, nachdem sie nun so viele Tage den Entzug durchgehalten hatte.

      Als sie in der U-Bahn saß, musste sie an den Autostrich denken. Es sollte doch ein Leichtes sein, wenn sie emotional abschaltete. Aber sie musste sicher sein, dass sie an keinen Zuhälter geriet, denn die tarnten sich oft als Freier. War man bei ihnen erst einmal ins Auto gestiegen, war man verloren. Ninas Freundin Claire, die früher auf den Babystrich gegangen war, hatte ihr erzählt, dass sie mal für vier Tage von so einem Typen gefangen gehalten und gefoltert worden war.

      Die Zuhälter wollten ihr Terrain frei von Fixerinnen halten, weil sie die Preise für den Profi-Strich verdarben. Die Profi-Nutten waren genauso rabiat wie ihre Zuhälter und zerkratzten einer Fixerin schon mal so das Gesicht, dass es wochenlang wie Hackfleisch aussah. Nina stieg am U-Bahnhof Kurfürstenstraße aus und dachte an die Ratschläge ihrer Leidensgefährtinnen Claire und Tina: Keine jungen Sportwagentypen, keine Ami-Schlitten und Typen, die schon auf hundert Metern wie Zuhälter aussahen.

      „Ich achtete also auf Kindersitze hinten im Auto und auf ältere Männer mit Bauch und konservativer Kleidung. Denn die wollten gewiss nur mal eine Abwechslung von ihrer kinderüberforderten und asexuellen Mutti und hatten mehr Angst als wir Mädchen. Schon nach kurzer Zeit hielt ein beiger Ford, allerdings ohne Kindersitz, dafür ein netter, etwas fülliger Typ, der mir ehrlich erschien. Ich wollte es schnell hinter mich bringen, und er war auch sehr unkompliziert. Er wollte mich unbedingt wiedersehen, aber nun fahre er erst mal mit seiner Frau und den drei Kindern nach Österreich in den Urlaub.“

      „Hast du dir dann gleich Stoff besorgt?“, hatte Doro in ihrem Interview-Protokoll gefragt.

      „Ich ließ mir Zeit. Ich stand ja körperlich nicht mehr unter Druck. Ich fuhr in aller Ruhe mit der nächsten U-Bahn zur Technischen Uni, wo ich sicher war, einen der Stammdealer anzutreffen. Ich bin ein bisschen rumgeflippt, habe mit ein paar Szene-Typen gequatscht und bin mit einem Hund von einem aus der Szene eine halbe Stunde Gassi gegangen. Tiere sind immer noch die besseren Menschen, dachte ich; sie sind in ihren Gefühlen ehrlich und verstellen sich nicht; sie geben die Liebe, die man ihnen gibt, hundert pro zurück.“

      „Und dann hast du Dope gekauft oder hast du es dir noch einmal überlegt?“

      „Natürlich wäre es besser gewesen, ich hätte mein Hirn eingeschaltet. Aber ich war so total happy und wollte echt noch einen schönen H-Bummel über den Kudamm machen. Also kaufte ich beim nächstbesten Bekannten ein halbes Dope für 40 Mark, ging zur Damentoilette und setzte mir feierlich den letzten Schuss vorm endgültigen Abschied aus der Szene.“

      „War dein anschließender Abschiedsbummel über den Kurfürstendamm wirklich ein so tolles Ereignis?“

      „Er fand nicht statt, weil ich drei Stunden danach auf der Toilette aufwachte. Ich hatte nicht bedacht, dass man nach einem mehrtägigen Entzug nicht gleich wieder mit der vollen Dosis einsteigen darf. Und so hat mich das Dope voll weg gehauen. Als ich später nach Hause kam, hat meine Mutter natürlich gemerkt, was mit mir los war. Sie hat mich angeschrien, warum ich noch nicht bei Narconon sei. Ich hätte es ihr doch versprochen. Ich rastete sofort aus, weil ich mich durchschaut und ertappt fühlte und weil nur mein Schreien meine gegen mich selbst gerichtete Aggression überdecken konnte.

      »Pack sofort deine Sachen«, hat meine Mutter gebrüllt. »Du gehst noch heute Abend zu Narconon. Ich habe dich dort bereits angekündigt.«

      Aber jetzt wollte ich auch wirklich selbst gehen. So verließen wir also zerstritten die Wohnung und fuhren mit einem Taxi nach Zehlendorf, wo die Einrichtung ihren Sitz hatte.

      Die Narconon-Leute stellten mir keine Fragen. Das Wichtigste für sie war, dass meine Mutter ihnen versprach, die 1.900 D-Mark Vorauszahlung für den ersten Monat am nächsten Tag in bar vorbeizubringen. Ihre Bank würde ihr einen Kleinkredit geben, und sie bettelte darum, dass man mich dabehalten solle. Die Aufnahme-Jüngelchen waren einverstanden.“

      „Und wie war die Therapie?“

      „Ich teilte das Zimmer mit einer zehn Jahre älteren Frau, die schon ein bisschen kirre war. Sie lachte über die Therapien und die sogenannten Therapeuten und bekam als Strafe dafür keine einzige Sitzung. Das fand ich natürlich paradox. Normal hätte sie Extra-Sitzungen benötigt, dachte ich mir. Aber ich kannte das ja alles noch nicht und schwieg.

      Zwei Typen holten mich am nächsten Tag zu meiner ersten Session ab. Dazu wurde ich mit einem dieser jungschen Typen, einem Ex-Fixer, in einen Raum eingeschlossen, wo der mir nun völlig blödsinnige Befehle erteilte. Das einzige Wort, das ich benutzen durfte, war »Ja«. Ansonsten musste ich schweigen und den Befehlen bedingungslos gehorchen, auch wenn ich sie absolut unsinnig fand.

      Der Typ befahl mir zehn СКАЧАТЬ