Название: Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen
Автор: Ludwig Bechstein
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783742749215
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In dem quellenreichen Spa, darinnen mehr denn hundert
Gesundbrunnen ihre Heilwasser ausströmen, ist
eine Quelle, die heißt Groesbeeck, die ist ein Jungbrunnen
und Frauenbad, absonderlich heilsam und
kräftigend. Nahe dabei ist das Zeichen eines Fußes
tief in den Boden eingetreten. Einstens kam der heilige
Remaclus, welcher im Lütticher Lande wohnte, zu
dieser Quelle und verrichtete allda seine Andacht. Der
heilige Mann mochte aber ermüdet sein oder sich
allzu tief in sein Gebet versenken, er schlief ein über
dem Gebet. Solches hat den lieben Gott in etwas verdrossen,
und er schuf, daß einer der Füße des heiligen
Mannes tief in die Erde sank und das Wahrzeichen
also blieb, daß es nimmermehr wieder ausgefüllt werden
konnte. Der heilige Remaclus aber fühlte tiefe
Reue über sein Vergehen und legte sich die strengste
Buße auf, dies sahe Gott mit Wohlgefallen an und
schuf der Fußtapfe eine wunderwirkende Kraft. Frauen,
welche Nachkommenschaft entbehren und Nachkommenschaft
wünschen, halten in der Kirche des
heiligen Remaclus zu Spa eine neuntägige Andacht
und trinken an jedem dieser Tage aus dem Brunnen
Groesbeeck ein Glas Wasser, indem sie den einen
Fuß in die Fußtapfe des heiligen Remaclus setzen.
Vielen hat dort ihr Glaube geholfen.
132. Die schlafenden Kinder
Im Lütticher Lande, zu Stockum, lebte ein armes
Weiblein, eine Wittib mit drei Kindern, kümmerlich,
denn es war teure Zeit, und sie mußte betteln gehen
und konnte doch nichts erbitten und erbeten. Da kam
sie voll Jammer zu ihren drei Kindlein daheim und
sagte: Weh uns Armen! Die Herzen der Menschen
sind hart, und Gott hat ihr Ohr verschlossen. Lasset
uns mitsammen sterben, das ist das Beste für uns
viere, da hungern wir nicht mehr! – Da die Kinder
diese Worte vernahmen, begannen sie zu weinen, und
eines derselben sprach: Ach, liebe Mutter, du wirst
doch dich und uns nicht schlachten wollen – denn die
Alte hielt schon das scharfe Messer in der Hand – laß
uns doch lieber schlafen bis zum Herbst, da gibt es
wieder Korn und Obst, da lesen wir wieder Ähren mit
dir und können leben. Da fiel der Mutter das Messer
aus der Hand, und den Kindern allen dreien fielen die
Augen zu, und entschliefen, und schliefen und
schlummerten in einem fort, durch den Winter und
Frühling und Sommer, und wachten nie nicht auf.
Viele Menschen kamen herbei aus Lüttich und aus
Brabant und sahen mit Verwunderung die immer
schlafenden Kinder, und alle schenkten der armen
Frau etwas, und davon wurde die arme Frau sehr
reich. Und als der Monat August kam, da die Sicheln
der Ährenschnitter im Felde klangen, da wachten die
Kinder allzumal auf und hatten einmal recht ausgeschlafen,
lobten Gott und den frommen Heiland mit
ihrer Mutter und litten nie wieder Mangel.
133. Roß Bayard und Schloß Bayard
Die vier Haimonskinder ritten zumal auf einem großen
überstarken Rosse, des Name war Bayard. Viele
Wahrzeichen gibt es noch von ihm im Lütticher
Lande und der Gegend dort herum. Nahe bei Lüttich
ist ein Felsen, der zeigt eine kahle glatte Stelle, darauf
ist ein Rosseshuf eingetreten, der rührt vom Bayard
her. Als das Roß auf Kaiser Karls Befehl von den vier
Haimonskindern zur Sühne dargebracht wurde, ließ es
der harte Kaiser von der Brücke zu Paris in die Seine
werfen, nachdem es mit Stricken gebunden war, aber
mit seiner Kraft zersprengte es die Stricke und kam
wieder hervor aus dem Wasser und lief zu seinem
Herrn und leckte ihm die Hand. Da ließ der Kaiser
das Roß mit Steinen belasten und abermals in den
Strom stürzen, und wiederum kam es hervor und hatte
die Steine von sich geschüttelt und lief zu seinem
Herrn und stand – und zitterte. Aber der Kaiser fand
seines Zornes gegen das Roß kein Ende und gebot, es
solle am Hals und an den Füßen mit Mühlsteinen belastet
und zum dritten Male in die Flut geworfen werden.
Als das kluge Roß Bayard dieses grausame Wort
vernahm, erschrak es und entfloh ins Weite – aber der
Kaiser gebot Reinhold von Dordone, dem jüngsten,
aber stärksten Sohne Haimons, des Rosses Herrn,
dem es willig wie ein Kind diente und gehorchte, daß
er gehe und den Bayard fange. Da ging Reinhold –
schwerer am Kummer auf seinem Herzen tragend, als
das Roß an Steinen getragen СКАЧАТЬ