Название: Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen
Автор: Ludwig Bechstein
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783742749215
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dennoch huldigen mußte – und so viele andere. Gar
große Rechte und Freiheiten hatte die Stadt und hat
sie zum Teil noch immer, und sie stammen aus uralten
Zeiten her.
113. Der Bürger Marsilius
Zu den Heidenzeiten geschah es, daß ein römischer
Kaiser Köln belagerte und es in große Not brachte. Es
begann in der Stadt an allem zu mangeln, am meisten
aber war Mangel am Holz. Da war ein edler Bürger
und Hauptmann in der Stadt gesessen, der hieß Marsilius,
der ersann einen listigen Anschlag und gab
guten Rat. Eine Schar Frauen, als Männer verkleidet,
mußte mit Karren und Holzwagen zu dem einen Tore
aus und nach dem Walde ziehen, dort Holz zu fällen
oder auch nur so zu tun, als sei das der Schar Geschäft
und Wille, die Bürger aber unter ihrem Führer
Marsilius zogen zu einem andern Tore hinaus, um den
Feind, sobald er sich gegen die Schar der Frauen wenden
würde, in den Rücken zu fallen. Und es geschah
alles so, wie es vorgesehen war, und die Bürger drangen
mit großer Macht auf den Feind, und auch die
Frauen trugen ihre Wehren nicht zum Schein, und die
Kölner gewannen einen vollständigen Sieg, erwarben
viele Beute und gewannen eine große Schar von Gefangenen,
darunter den Kaiser selbst, der ihre Stadt
belagert. Der ward in einen tiefen Turm gelegt und
sollte dann auf offenem Markte enthauptet werden.
Schon war ein köstlicher Teppich bereitet, der des
Römerkaisers Blut trinken sollte, und schon mußte
der Kaiser auf ihn niederknieen; da sprach er: Ließet
ihr mich leben, ihr Bürger von Colonia, so sollte euch
mein Leben viel nützer sein denn mein Tod. – Da
wurde dem Henker geboten, noch zu harren, und
wurde noch einmal Rat gehalten, und Marsilius riet,
dem Kaiser das Leben zu schenken, aber von ihm
stattliche Gerechtsame zu begehren. Der Rat war den
Kölnern abermals genehm, und Marsilius und die Senatoren
entwarfen die Gerechtsame, welche sie fordern
wollten, und schrieben sie auf eine glatte Tierhaut,
und der Kaiser mußte sie besiegeln und seinen
großen Ring in ein dickes Stück Wachs auf dem pergamentnen
Brief drücken und seinen Namenszug danebenschreiben
nach alter Sitte. Solches geschah an
einem Donnerstage im Monat Junius, und hernachmals
haben die zu Köln fort und fort am Donnerstag
nach dem heiligen Pfingstfest diesen Tag begangen
und ihn Holzfahrttag geheißen und sind mit Gesang
und Spiel und Festlust nach dem Walde gezogen.
Marsilius aber ward ob seines guten Rates hoch geehrt
und der Stadt vornehmster Bürger und Hauptmann,
und als er gestorben war, wurde sein Sarg in
die Stadtmauer beigesetzt, da, wo man es nachher zu
St. Aposteln genannt hat, und ihm ein steinern Denkmal
aufgerichtet. Auch ist seine Bildsäule noch am
Gürzenich zu sehen, dem alten Kauf- und Ballhaus
der Stadt Köln, neben ihrem Begründer Marcus
Agrippa, zu ewigen Ehren und Gedächtnis.
114. Die Kölner Dom-Sage
Da man begann, den Kölner Dom zu bauen, verdroß
den Teufel mächtig, daß in der heiligen Stadt Köln,
welche schon so viele Kirchen und Kapellen hatte,
darinnen die Frommen Gott dienten, dem Herrn auch
noch so ein übergroßes Haus erbaut werden solle; der
Teufel nahm daher Menschengestaltung an, trat mit
List zu dem Baumeister und sprach zu ihm: Du übernimmst
ein unausführbar schweres Werk! Was wettest
du, daß ich eher einen Kanal lege von Trier bis
nach Köln, ehe du deinen Bau vollendest? Einen
Kanal, mittelst dessen dieser guten Stadt reines Trinkwasser
nicht minder als auch edler Moselwein zufließen
kann, und meine ich fast, solcher Kanal wäre der
Stadt nützer als noch eine Kirche zu den vielen, die
Köln schon hat. – Was soll ich wetten? fragte der
Baumeister. – Wir wetten, daß der von uns sein begonnenes
Werk alsbald einstelle, es sei vollendet, so
weit es wolle, wenn das des andern als vollendet erscheint.
Ich das meine, wenn du die höchsten Kronen
auf die Spitzen deiner Domtürme setzest, du das
deine, wenn von Trier das Wasser in meinem Bau geflossen
kommt und in deinen ausmündet. – Der Dombaumeister
ging diesen Vertrag ein, und beide gingen
an ihr Werk. Hoch und höher wuchs der Dombau, nah
und näher rückten von Trier aus die Säulen einer gewaltigen
Wasserleitung, ein stolzes СКАЧАТЬ