Название: Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen
Автор: Ludwig Bechstein
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783742749215
isbn:
zum Ufer; ein Fremder kam, dem klagten sie ihr
Herzeleid, und der riet ihnen, sie sollten sich niederlegen
und ihre Nasen in den Sand stecken, hernach die
Löcher zählen. Selbiges taten sie, hurrah! da gab es
neun Löcher, und keiner war versoffen. Den Mond
wollten die Büsumer aus dem Brunnen schneiden,
einen Hummer haben sie für einen Schneider angesehen,
auf ein Feld säeten sie Kuhplapper, meinten, von
selbigen Eiern sollten Kühe wachsen. Ein Mann stahl
ihnen einen weißen Mühlstein, lange zogen sie ihm
nach, folgten seiner Spur bis nach Hamburg, taten
sich dort viel zugute auf Gemeindeunkosten, gingen
auch in St. Michaels Kirche und erhoben auf einmal
einen Heidenspektakel, indem sie überlaut schrien:
Unser Mühlstein! unser Mühlstein! Der Herr Pastor
hat ihn, hat sin Köpken durchgesteckt! – Sie hielten
den großen und breiten runden Halskragen von Batist,
den die Mode den Geistlichen um den Hals gelegt, für
ihren großen weißen Mühlstein.
Die Bishorster leitete ein Schalk an einem Seil in
einen tiefen Brunnen, als sie nach gewohnter Weise
die Christnachtmette besuchen wollten und sich an
dem Seile, das sie ausgespannt hatten, um in der
Nacht des Weges nicht zu fehlen, forthalfen. So erzählen
die Haseldörfer, Bishorst aber hat die Elbe
nach und nach ganz hinweggeflutet.
Die Kisdorfer haben eine Sense, die ein Grasdieb
liegen ließ, für ein gefährliches Tier angesehen und eilend
eingezäunt. Auch sie trugen, wie ihre witzigen
Brüder in Deutschland, den Tag in Säcken in ein neugebautes
Haus.
Die Fockbecker haben einen Teich mit eingesalze-
nen Heringen besetzt, meinten, übers Jahr reichliche
Brut davon zu haben. War aber gefehlt; als der Teich
abgelassen ward, war kein Hering drin, nur ein großer
Aal. – Das ist der Heringsfresser, der muß sterben!
rief der klügste Fockbecker. Wir wollen ihn essen,
wie er unsere Heringe gegessen hat! schlug einer vor.
Das ist nicht Strafe genug! rief ein zweiter, der sich
einmal gebrannt hatte. Verbrennt ihn! Nein! schrie ein
dritter, der einmal fast ertrunken wäre, brennen ist
sehr schlimm, aber versaufen ist schlimmer. Wir wollen
ihn in die Au schmeißen und ihn versaufen! – Alle
stimmten dem letzten bei, zumal er am meisten schrie,
und wie der Aal nun im Wasser fröhich schnalzte und
sich krümmte und schlängelte, da rief der letzte
Weise: Seht ihr, wie er sich quält! Ja – das ist der
schlimmste Tod, das Versaufen. – Wenn das Verdursten
nicht noch schlimmer ist! rief einer, der gern das
letzte Wort haben wollte.
191. Die Rungholder auf Nordstrand
Husum gegenüber in der Nordsee liegt die Insel Nordstrand,
darauf lag einst ein reicher Ort, Rungholt, dessen
Bewohner bauten große feste Dämme, und darauf
stehend sprachen sie zum Meere voll Übermutes:
Trotz um, blanke Hans! – In ihrem Übermut haben
sie einmal eine Sau im Wirtshaus betrunken gemacht,
ihr eine Schlafmütze aufgesetzt und sie ins Bett gelegt,
dann sind sie zum Pfarrer gelaufen und haben
ihm gesagt, er müsse kommen und einem Todkranken
das heilige Abendmahl reichen. Da er nun das Sakrament
nicht also schändlich entweihen wollen, haben
sie ihn bedräut und mißhandelt, und schmählichen
Unfug fortgetrieben. Da erging in der Nacht an den
Pfarrer ein Zeichen und eine Stimme: Gürte dein Gewand
und ziehe deine Schuhe an und wandere. – Da
wanderte der Pfarrer fort mit den Seinen, so eilend er
konnte. Darauf erhob sich ein Wind, und es schwoll
das Wasser, und wuchs und wuchs an den Dämmen
hinan, die dort Deiche heißen, und ging über die
Dämme, und stand über ihnen vier Ellen hoch, und
den Flecken Rungholt auf Nordstrand und sieben andere
Kirchspiele verschlang das Meer. Einst soll es
wieder auferstehen. Bei heller See erblicken Schiffer
zum öftern den Ort und das Land auf des Wassers
Grunde, seine Häuser, seine Türme und Windmühlen,
auch wollen manche die Glocken der versunkenen
Kirchtürme haben erklingen hören.
Gleich den Rungholtern haben auch einstmals die
bösen Bauern zu Lichtenau im großen Werder in
Preußen (bei Danzig) getan, es ist ihnen solches aber
übel genug bekommen.
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