Die schönsten Sagen des klassischen Altertums - Erster Teil. Gustav Schwab
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die schönsten Sagen des klassischen Altertums - Erster Teil - Gustav Schwab страница 3

СКАЧАТЬ erscheinen würde, der durch freiwillige Übernahme des Todes

       gewissermaßen sein Stellvertreter zu werden sich erböte.

       Jener Zeitpunkt erschien früher, als der Verurteilte nach dem Spruch des Göttervaters erwarten

       durfte. Als er viele Jahre an dem Felsen gehangen, kam Herakles des Weges, auf der Fahrt nach den

       Hesperiden und ihren Äpfeln begriffen. Wie er den Götterenkel am Kaukasus hängen sah und sich

       seines guten Rates zu erfreuen hoffte, erbarmte ihn sein Geschick, denn er sah zu, wie der Adler, auf

       den Knien des Prometheus sitzend, an der Leber des Unglücklichen fraß. Da legte er Keule und

       Löwenhaut hinter sich, spannte den Bogen, entsandte den Pfeil und schoß den grausamen Vogel von

       der Leber des Gequälten hinweg. Hierauf löste er seine Fesseln und führte den Befreiten mit sich

       davon. Damit aber Zeus' Bedingung erfüllt würde, stellte er ihm als Ersatzmann den Zentauren

       Chiron, der erbötig war, an jenes Statt zu sterben; denn vorher war er unsterblich. Auf daß jedoch

       des Kroniden Urteil, der den Prometheus auf weit längere Zeit an den Felsen gesprochen hatte, auch

       so nicht unvollzogen bliebe, so mußte Prometheus fortwährend einen eisernen Ring tragen, an

       welchem sich ein Steinchen von jenem Kaukasusfelsen befand. So konnte sich Zeus rühmen, daß sein

       Feind noch immer an den Kaukasus angeschmiedet lebe.

       Die Menschenalter

       Die ersten Menschen, welche die Götter schufen, waren ein goldenes Geschlecht. Diese lebten,

       solange Kronos (Saturnus) dem Himmel vorstand, sorgenlos und den Göttern selbst ähnlich, von

       Arbeit und Kummer entfernt. Auch die Leiden des Alters waren ihnen unbekannt; an Händen, Füßen

       und allen Gliedern immer rüstig, freuten sie sich, von jeglichem Übel frei, heiterer Gelage. Die seligen

       Götter hatten sie lieb und schenkten ihnen auf reichen Fluren stattliche Herden. Wenn sie

       verscheiden sollten, sanken sie nur in sanften Schlaf. Solange sie aber lebten, hatten sie alle

       möglichen Güter; das Erdreich gewährte ihnen alle Früchte von selbst und im Überflusse, und ruhig,

       mit allen Gütern gesegnet, vollbrachten sie ihr Tagewerk. Nachdem jenes Geschlecht dem Beschlusse

       des Schicksals zufolge von der Erde verschwunden war, wurden sie zu frommen Schutzgöttern,

       welche, dicht in Nebel gehüllt, die Erde rings durchwandelten, als Geber alles Guten, Behüter des

       Rechts und Rächer aller Vergehungen.

       Hierauf schufen die Unsterblichen ein zweites Menschengeschlecht, das silberne; dieses war schon

       weit von jenem abgeartet und glich ihm weder an Körpergestaltung noch an Gesinnung. Sondern

       ganze hundert Jahre wuchs der verzärtelte Knabe noch unmündig an Geist unter der mütterlichen

       Pflege im Elternhause auf, und wenn einer endlich zum Jünglingsalter herangereift war, so blieb ihm

       nur noch kurze Frist zum Leben übrig. Unvernünftige Handlungen stürzten diese neuen Menschen in

       Jammer; denn sie konnten schon ihre Leidenschaften nicht mehr mäßigen und frevelten im

       Übermute gegeneinander. Auch die Altäre der Götter wollten sie nicht mehr mit den gebührenden

       Opfern ehren. Deswegen nahm Zeus dieses Geschlecht wieder von der Erde hinweg; denn ihm gefiel

       nicht, daß sie der Ehrfurcht gegen die Unsterblichen ermangelten. Doch waren auch diese noch nicht

       so entblößt von Vorzügen, daß ihnen nach ihrer Entfernung aus dem Leben nicht einige Ehre zum

       Anteil geworden wäre, und sie durften als sterbliche Dämonen noch auf der Erde umherwandeln.

       Nun erschuf der Vater Zeus ein drittes Geschlecht von Menschen; das hieß das eherne. Das war auch

       dem silbernen völlig ungleich, grausam, gewalttätig, immer nur den Geschäften des Krieges ergeben,

       immer einer auf des andern Beleidigung sinnend. Sie verschmähten es, von den Früchten des Feldes

       zu essen, und nährten sich vom Tierfleische; ihr Starrsinn war hart wie Diamant, ihr Leib von

       ungeheurem Gliederbau; Arme wuchsen ihnen von den Schultern, denen niemand nahekommen

       durfte. Ihre Wehr war Erz, ihre Wohnung Erz, mit Erz bestellten sie das Feld; denn Eisen war damals

       noch nicht vorhanden. Sie kehrten ihre eigenen Hände gegeneinander; aber so groß und entsetzlich

       sie waren, so vermochten sie doch nichts gegen den schwarzen Tod und stiegen, vom hellen

       Sonnenlichte scheidend, in die schaurige Nacht der Unterwelt hernieder.

       Als die Erde auch dieses Geschlecht eingehüllt hatte, brachte Zeus, der Sohn des Kronos, ein viertes

       Geschlecht hervor, das auf der nährenden Erde wohnen sollte. Dies war wieder edler und gerechter

       als das vorige. Es war das Geschlecht der göttlichen Heroen, welche die Vorwelt auch Halbgötter

       genannt hat. Zuletzt vertilgte aber auch sie Zwietracht und Krieg, die einen vor den sieben Toren

       Thebens, wo sie um das Reich des Königes Ödipus kämpften, die andern auf dem Gefilde Trojas,

       wohin sie um der schönen Helena willen zahllos auf Schiffen gekommen waren. Als diese ihr

       Erdenleben in Kampf und Not beschlossen hatten, ordnete ihnen der Vater Zeus ihren Sitz am Rande

       des Weltalls an, im Ozean, auf den Inseln der Seligen. Dort führen sie nach dem Tode ein glückliches

       und sorgenfreies Leben, wo ihnen der fruchtbare Boden dreimal im Jahr honigsüße Früchte zum

       Labsal emporsendet.

       »Ach wäre ich«, so seufzet der alte Dichter Hesiod, der diese Sage von den Menschenaltern erzählt,

       »wäre ich doch nicht ein Genosse des fünften Menschengeschlechtes, das jetzt gekommen ist; wäre

       ich früher gestorben oder später geboren! denn dieses Menschengeschlecht ist ein eisernes!

       Gänzlich verderbt, ruhen diese Menschen weder bei Tage noch bei Nacht von Kümmernis und

       Beschwerden; immer neue nagende Sorgen schicken ihnen die Götter. Sie selbst aber sind die größte

       Plage. Der Vater ist dem Sohne, der Sohn dem Vater nicht hold; der Gast СКАЧАТЬ