Название: Die schönsten Sagen des klassischen Altertums - Erster Teil
Автор: Gustav Schwab
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Die schönsten Sagen des klassischen Altertums
isbn: 9783742772527
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gewissermaßen sein Stellvertreter zu werden sich erböte.
Jener Zeitpunkt erschien früher, als der Verurteilte nach dem Spruch des Göttervaters erwarten
durfte. Als er viele Jahre an dem Felsen gehangen, kam Herakles des Weges, auf der Fahrt nach den
Hesperiden und ihren Äpfeln begriffen. Wie er den Götterenkel am Kaukasus hängen sah und sich
seines guten Rates zu erfreuen hoffte, erbarmte ihn sein Geschick, denn er sah zu, wie der Adler, auf
den Knien des Prometheus sitzend, an der Leber des Unglücklichen fraß. Da legte er Keule und
Löwenhaut hinter sich, spannte den Bogen, entsandte den Pfeil und schoß den grausamen Vogel von
der Leber des Gequälten hinweg. Hierauf löste er seine Fesseln und führte den Befreiten mit sich
davon. Damit aber Zeus' Bedingung erfüllt würde, stellte er ihm als Ersatzmann den Zentauren
Chiron, der erbötig war, an jenes Statt zu sterben; denn vorher war er unsterblich. Auf daß jedoch
des Kroniden Urteil, der den Prometheus auf weit längere Zeit an den Felsen gesprochen hatte, auch
so nicht unvollzogen bliebe, so mußte Prometheus fortwährend einen eisernen Ring tragen, an
welchem sich ein Steinchen von jenem Kaukasusfelsen befand. So konnte sich Zeus rühmen, daß sein
Feind noch immer an den Kaukasus angeschmiedet lebe.
Die Menschenalter
Die ersten Menschen, welche die Götter schufen, waren ein goldenes Geschlecht. Diese lebten,
solange Kronos (Saturnus) dem Himmel vorstand, sorgenlos und den Göttern selbst ähnlich, von
Arbeit und Kummer entfernt. Auch die Leiden des Alters waren ihnen unbekannt; an Händen, Füßen
und allen Gliedern immer rüstig, freuten sie sich, von jeglichem Übel frei, heiterer Gelage. Die seligen
Götter hatten sie lieb und schenkten ihnen auf reichen Fluren stattliche Herden. Wenn sie
verscheiden sollten, sanken sie nur in sanften Schlaf. Solange sie aber lebten, hatten sie alle
möglichen Güter; das Erdreich gewährte ihnen alle Früchte von selbst und im Überflusse, und ruhig,
mit allen Gütern gesegnet, vollbrachten sie ihr Tagewerk. Nachdem jenes Geschlecht dem Beschlusse
des Schicksals zufolge von der Erde verschwunden war, wurden sie zu frommen Schutzgöttern,
welche, dicht in Nebel gehüllt, die Erde rings durchwandelten, als Geber alles Guten, Behüter des
Rechts und Rächer aller Vergehungen.
Hierauf schufen die Unsterblichen ein zweites Menschengeschlecht, das silberne; dieses war schon
weit von jenem abgeartet und glich ihm weder an Körpergestaltung noch an Gesinnung. Sondern
ganze hundert Jahre wuchs der verzärtelte Knabe noch unmündig an Geist unter der mütterlichen
Pflege im Elternhause auf, und wenn einer endlich zum Jünglingsalter herangereift war, so blieb ihm
nur noch kurze Frist zum Leben übrig. Unvernünftige Handlungen stürzten diese neuen Menschen in
Jammer; denn sie konnten schon ihre Leidenschaften nicht mehr mäßigen und frevelten im
Übermute gegeneinander. Auch die Altäre der Götter wollten sie nicht mehr mit den gebührenden
Opfern ehren. Deswegen nahm Zeus dieses Geschlecht wieder von der Erde hinweg; denn ihm gefiel
nicht, daß sie der Ehrfurcht gegen die Unsterblichen ermangelten. Doch waren auch diese noch nicht
so entblößt von Vorzügen, daß ihnen nach ihrer Entfernung aus dem Leben nicht einige Ehre zum
Anteil geworden wäre, und sie durften als sterbliche Dämonen noch auf der Erde umherwandeln.
Nun erschuf der Vater Zeus ein drittes Geschlecht von Menschen; das hieß das eherne. Das war auch
dem silbernen völlig ungleich, grausam, gewalttätig, immer nur den Geschäften des Krieges ergeben,
immer einer auf des andern Beleidigung sinnend. Sie verschmähten es, von den Früchten des Feldes
zu essen, und nährten sich vom Tierfleische; ihr Starrsinn war hart wie Diamant, ihr Leib von
ungeheurem Gliederbau; Arme wuchsen ihnen von den Schultern, denen niemand nahekommen
durfte. Ihre Wehr war Erz, ihre Wohnung Erz, mit Erz bestellten sie das Feld; denn Eisen war damals
noch nicht vorhanden. Sie kehrten ihre eigenen Hände gegeneinander; aber so groß und entsetzlich
sie waren, so vermochten sie doch nichts gegen den schwarzen Tod und stiegen, vom hellen
Sonnenlichte scheidend, in die schaurige Nacht der Unterwelt hernieder.
Als die Erde auch dieses Geschlecht eingehüllt hatte, brachte Zeus, der Sohn des Kronos, ein viertes
Geschlecht hervor, das auf der nährenden Erde wohnen sollte. Dies war wieder edler und gerechter
als das vorige. Es war das Geschlecht der göttlichen Heroen, welche die Vorwelt auch Halbgötter
genannt hat. Zuletzt vertilgte aber auch sie Zwietracht und Krieg, die einen vor den sieben Toren
Thebens, wo sie um das Reich des Königes Ödipus kämpften, die andern auf dem Gefilde Trojas,
wohin sie um der schönen Helena willen zahllos auf Schiffen gekommen waren. Als diese ihr
Erdenleben in Kampf und Not beschlossen hatten, ordnete ihnen der Vater Zeus ihren Sitz am Rande
des Weltalls an, im Ozean, auf den Inseln der Seligen. Dort führen sie nach dem Tode ein glückliches
und sorgenfreies Leben, wo ihnen der fruchtbare Boden dreimal im Jahr honigsüße Früchte zum
Labsal emporsendet.
»Ach wäre ich«, so seufzet der alte Dichter Hesiod, der diese Sage von den Menschenaltern erzählt,
»wäre ich doch nicht ein Genosse des fünften Menschengeschlechtes, das jetzt gekommen ist; wäre
ich früher gestorben oder später geboren! denn dieses Menschengeschlecht ist ein eisernes!
Gänzlich verderbt, ruhen diese Menschen weder bei Tage noch bei Nacht von Kümmernis und
Beschwerden; immer neue nagende Sorgen schicken ihnen die Götter. Sie selbst aber sind die größte
Plage. Der Vater ist dem Sohne, der Sohn dem Vater nicht hold; der Gast СКАЧАТЬ