Название: Meteorologie
Автор: Hans Häckel
Издательство: Bookwire
Жанр: Математика
isbn: 9783846355046
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Natürlich gibt es auch über Eis einen Sättigungsdampfdruck. Zwar ist die Bewegungsfreiheit der Wassermoleküle im festen Kristallgitter eines Eiskristalls wesentlich mehr eingeschränkt als im flüssigen Wasser. Im Wesentlichen besteht sie nur aus Schwingungen um die Kristall-Gitterpunkte. Das Verlassen der Kristallstruktur ist deshalb viel schwieriger als das Entkommen aus der flüssigen Phase. Die Folge ist, dass der Sättigungsdampfdruck über Eis kleiner ist als der über gleich kaltem flüssigem Wasser – sogenanntem unterkühltem Wasser. Warum unterkühltes Wasser überhaupt existieren kann und welche Bedeutung es für die Meteorologie hat, werden wir im Zusammenhang mit der Niederschlagsentstehung noch ausführlich zu diskutieren haben.
Aus Nachbarwissenschaften
Der Sättigungsdampfdruck wird in vielen Bereichen der Technik für die unterschiedlichsten Zwecke eingesetzt. Das Musterbeispiel ist die Dampfmaschine. Bei 200 °C bringt der Dampfdruck immerhin gut 15 bar, bei 250 °C an die 40 und bei 300 °C gar 90 bar auf die Kolben. Sogenannte Heißdampf-Maschinen wurden mit einem Druck bis zu 100 bar betrieben. Mit solchen Antriebsaggregaten und raffinierter Feuerungstechnik ausgestattet, erreichten windschnittig verkleidete Dampflokomotiven bereits in den 1930er-Jahren Geschwindigkeiten von 200 km/h. Die stärkste, jemals gebaute Dampflokomotive mit dem Namen „Big Boy“ holte 4600 kW (etwa 6300 PS) Leistung aus dem Dampfdruck und konnte 3600 Tonnen schwere Züge durch die Rocky Mountains ziehen. (Verschiedene Quellen).
Welcher Zusammenhang besteht nun zwischen dem Dampfdruck in der Luft und dem Sättigungsdampfdruck an einer freien Wasserfläche, beispielsweise der eines Sees?
Dass auch die Wasserdampfteilchen in der Luft Molekularbewegungen ausführen, ist uns inzwischen geläufig. Diese Molekularbewegungen bewirken, dass ein Teil der Moleküle aus der Luft heraus in das flüssige Wasser stürzt, d. h., wir haben in jedem Augenblick zwei Wasserdampf-Ströme vor uns: einen aus der flüssigen Phase in die Luft – angetrieben vom Sättigungsdampfdruck des flüssigen Wassers – und einen zweiten von der Luft in das Wasser – dieser angetrieben vom Dampfdruck in der Luft.
Natürlich gelten die hier beschriebenen Vorgänge nicht nur über einem See. Die gleichen Prozesse laufen auch über allen anderen flüssigen oder festen Wasseroberflächen ab: über einer regennassen Straße genauso wie über einem betauten Pflanzenbestand, über einer Schneedecke gleichermaßen wie über einem nassen Ackerboden, ja sogar über den in der Luft schwebenden Nebeltröpfchen. 56
Nun sind die folgenden drei Szenarien denkbar, die in Abbildung 2.3 dargestellt sind:
(A) Der Sättigungsdampfdruck des Wassers (E) ist größer als der Dampfdruck (e) in der Luft. Das würde bedeuten, dass der Wasserdampfstrom vom flüssigen Wasser zur Luft größer ist als der von der Luft zum Wasser. Die unterschiedlich langen Pfeile sollen das deutlich machen. Rechnen wir die beiden Ströme gegeneinander auf, so bleibt ein resultierender Strom vom flüssigen Wasser zur Luft übrig. Und wir würden sagen: Es findet Verdunstung statt.
(B) Die genau umgekehrte Situation: Der Dampfdruck in der Luft ist größer als der Sättigungsdampfdruck im Wasser. Aus analogen Überlegungen wie im Fall (A) ergibt sich dann ein resultierender Wasserdampfstrom von der Luft zum Wasser. In diesem Fall würden wir sagen: Es findet Kondensation statt.
(C) Dampfdruck und Sättigungsdampfdruck sind gleich groß. In diesem Fall gibt es keinen resultierenden Wasserdampfstrom, sodass nach außen hin alles im Gleichgewicht erscheint. 57
Natürlich ist die Tau- bzw. Nebelbildung nicht darauf angewiesen, dass schon flüssiges Wasser vorhanden ist. Lediglich die Temperatur muss stimmen! Stürzen Wassermoleküle aus der Luft auf eine warme Oberfläche – mit einer Temperatur, die einen höheren Sättigungsdampfdruck als den Dampfdruck in der Luft zur Folge hätte – so würden sie dort in so heftige Molekularbewegung geraten, dass sie sofort wieder davonfliegen würden (Fall (A)). Anders ausgedrückt: der hohe Sättigungsdampfdruck würde sie sofort wieder „verjagen“. Die Folge: Die Oberfläche bleibt trocken. Diese Situation haben wir normalerweise während der warmen Tagesstunden. Ist aber die Oberfläche so kalt, dass der zugehörige Sättigungsdampfdruck kleiner ist als der Dampfdruck in der Luft, so hätten die Wassermoleküle keine ausreichende Startgeschwindigkeit, könnten also die Oberfläche nicht wieder verlassen: Es würde sich eine wachsende Tauschicht bilden (Fall (B)). Diese Situation ist in den kühlen Nachtstunden gegeben.
Abb. 2.3 Zum Zusammenspiel von Dampfdruck und Sättigungsdampfdruck (Einzelheiten siehe Text).
Daraus ergibt sich eine wichtige Konsequenz: Der Dampfdruck in der Luft kann nicht über den Sättigungsdampfdruck bei der herrschenden Lufttemperatur steigen. Täte er das, so würde die Kondensation überwiegen und so der überschüssige Wasserdampf verflüssigt. Dass der Kondensationsprozess noch an weitere Voraussetzungen gebunden ist, braucht uns im Augenblick noch nicht zu interessieren.
Verdunstung kann nur stattfinden, so lehrt uns Fall (A), solange der Sättigungsdampfdruck (E) höher als der Dampfdruck (e) ist. Die Differenz (E – e) wird als Sättigungsdefizit bezeichnet. Sie spielt bei der Berechnung der Verdunstung eine herausragende Rolle und wird uns deshalb im betreffenden Abschnitt noch beschäftigen.
Steigt der Sättigungsdampfdruck über den gesamten auflastenden Luftdruck, so geht das geordnete Verdunsten in ungeordnetes Sieden über. Auf Meeresniveau ist das bei 100 °C der Fall – so wurde ja der 100 °C-Fixpunkt definiert. Auf dem Gipfel der Zugspitze in 2960 m Höhe beträgt der Luftdruck im Mittel etwa 700 mbar. Dort siedet das Wasser bereits bei 89 °C. Auf dem 8848 m hohen Mt. Everest ist der Siedepunkt bei einem mittleren Luftdruck von rund 320 mbar sogar schon bei 71 °C erreicht.
Das Phänomen Dampfdruck gibt es natürlich nicht nur beim Wasser. Jede Flüssigkeit hat ihren Dampfdruck. Allerdings sind die Druckniveaus bei verschiedenen Stoffen sehr unterschiedlich. Generell kann man sagen – und das ergibt sich zwangsläufig aus der oben vorgestellten, bildhaften Deutung: Je stärker eine Flüssigkeit zur Verdunstung neigt, desto höher ist ihr Dampfdruck.
In einem verschlossenen, teilweise oder ganz mit Flüssigkeit gefüllten Behälter wird sich also immer ein Druck einstellen, der dem Sättigungsdampfdruck der Flüssigkeit bei der herrschenden Temperatur entspricht.
Wir kennen diesen Effekt vom Reservebenzinkanister, der sich im Auto an heißen Tagen wie ein Ballon aufblähen kann. Wir sehen jetzt auch, dass es keinen Sinn hat, den Kanister kurz zu öffnen, um den „Überdruck abzulassen“. Solange sich die Temperatur des Benzins nicht ändert, wird sich nach dem Verschließen der alte Druck sofort wieder einstellen (Fall (C)).
Aufmerksamen Lesern wird nicht entgangen sein, dass sich der Dampfdruck СКАЧАТЬ