Sinclair Lewis: Die großen Romane . Sinclair Lewis
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Sinclair Lewis: Die großen Romane - Sinclair Lewis страница 24

Название: Sinclair Lewis: Die großen Romane

Автор: Sinclair Lewis

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 4066338121196

isbn:

СКАЧАТЬ Arbeiter und ehrlich –«

      Frau Dave Dyer fuhr auf. »Ehrlich? Nennen Sie es ehrlich, wenn sie uns jeden Cent Lohn, den sie nur kriegen können, aus der Tasche ziehen? Ich kann nicht sagen, daß bei mir schon eine gestohlen hätte – obwohl man's ja stehlen nennen könnte, wenn sie so viel essen, daß ein Rostbeaf kaum auf drei Tage reicht – aber trotzdem will ich nicht, daß sie denken, sie können mit mir alles anfangen! Ich lass' sie ihre Koffer immer unten, direkt unter meinen Augen, ein- und auspacken, und dann weiß ich, daß sie durch irgendeine Nachlässigkeit von mir nicht in die Versuchung kommen, unehrlich zu sein!«

      »Wieviel bekommen die Mädchen hier?« wagte Carola zu fragen.

      Frau B. J. Gougerling, die Frau des Bankiers, stellte empört fest: »Alles mögliche zwischen drei fünfzig und fünf fünfzig in der Woche. Ich weiß positiv, daß Frau Clark, nachdem sie geschworen hat, sie wird nicht nachgeben und die Leute in ihren unverschämten Forderungen ermutigen, daß sie sich dann hingestellt und fünf fünfzig bezahlt hat. Denken Sie nur! Eigentlich ein Dollar täglich für ungelernte Arbeit, und natürlich das Essen und die Wohnung und die Möglichkeit, jedesmal bei der Wäsche mitzuwaschen. Wieviel bezahlen Sie, Frau Kennicot

      »Ja, wieviel bezahlen Sie?« rief ein halbes Dutzend Stimmen.

      »Ich, ich zahle sechs in der Woche«, bekannte sie schwach.

      Alle fielen aus den Wolken. Juanita legte Protest ein: »Glauben Sie nicht, daß es für uns andere sehr schwer ist, wenn Sie so viel bezahlen?« Juanitas Interpellation wurde von der allgemeinen Feindseligkeit unterstützt.

      Carola ärgerte sich. »Das ist mir egal! Ein Dienstmädel hat eine der schwersten Arbeiten auf Gottes Erdboden. Sie arbeitet täglich zehn bis achtzehn Stunden. Sie muß fettige Teller und schmutzige Kleider waschen. Sie gibt auf die Kinder acht und läuft mit aufgesprungenen Händen zur Tür, und –«

      Frau Dave Dyer unterbrach wütend Carolas Suada: »Das ist ja alles recht schön und gut, aber Sie können mir glauben, ich mach' alles das selber, wenn ich kein Mädel hab', und das kommt bei einem Menschen, der nicht nachgeben und kolossale Löhne bezahlen will, recht oft vor!«

      Carola gab zurück: »Aber ein Mädchen macht es für Fremde, und alles, was sie davon hat, ist der Lohn –«

      Die Augen der anderen Frauen waren feindlich. Vier redeten auf einmal. Vida Sherwins Kommandostimme schnitt das Streiten ab, unterdrückte die Revolution:

      »Ruhig, ruhig! Was ist das für eine wütende Leidenschaftlichkeit und was für eine alberne Diskussion! Ihr alle nehmt das zu ernst. Schluß damit! Carola Kennicott, Sie haben wahrscheinlich recht, aber Sie sind der Zeit zu weit voraus. Juanita, hören Sie auf, so kampflustig dreinzuschauen. Was ist das hier, eine Kartenpartie oder ein Hennenkampf? Carola, hören Sie auf, sich als die Jungfrau von Orleans für die Dienstboten zu bewundern oder Sie kriegen einen Klaps von mir. Kommen Sie her und sprechen Sie mit Ethel Villets über Bibliothekssachen. Muh! Wenn noch weiter gepickt wird, übernehm' ich das Kommando über den Hühnerhof!«

      Alles lachte krampfhaft, und Carola sprach gehorsam »über Bibliothekssachen«. Eine Kleinstadtvilla, die Frauen eines Dorfarztes und eines Dorfkaufmanns, eine Provinzlehrerin, ein Wortstreit über einen Dollar mehr Lohn in der Woche. Aber die Bedeutungslosigkeit dieser Angelegenheit war der Widerhall von Kellerverschwörungen, Kabinettsberatungen und Gewerkschaftskonferenzen in Persien und Preußen, in Rom und in Boston; und die Redner, die sich internationale Führer dünken, sind nichts weiter als die erhobenen Stimmen einer Billion Juanitas, die eine Million Carolas tadeln, und dazu hunderttausend Vida Sherwins, die sich bemühen, das Unwetter zu verscheuchen.

      Carola fühlte sich schuldig. Sie bewunderte hingebungsvoll das altjüngferliche Fräulein Villets – und beging unverzüglich ein zweites Verbrechen gegen die Gesetze des Anstands.

      »Wir haben Sie noch nicht in der Bibliothek gesehen«, sagte Fräulein Villets in vorwurfsvollem Ton.

      »Ich wollte immer schon mal hinkommen, aber ich hatte so viel mit meiner Einrichtung zu tun, und – Ich werde wahrscheinlich so oft hinkommen, daß es Ihnen zum Hals heraushängen wird. Sie sollen eine so hübsche Bibliothek haben, hat man mir erzählt.«

      »Vielen Leuten gefällt sie. Wir haben zweitausend Bücher mehr als Wakamin.«

      »Das ist schön. Ich bin überzeugt, Sie haben sehr viel Verantwortung. Ich habe in St. Paul einige Erfahrung gehabt.«

      »Ja, davon hab' ich gehört. Ich könnte aber nicht sagen, daß ich die Bibliotheksmethoden in diesen großen Städten ganz billige. Man ist dort so leichtsinnig, fast läßt man Vagabunden und alle möglichen schmutzigen Menschen im Lesesaal schlafen.«

      »Ich weiß, aber die armen Teufel – Also, ich bin überzeugt, in einem werden Sie einer Meinung mit mir sein: die Hauptaufgabe einer Bibliothekarin ist es, die Leute zum Lesen zu bringen.«

      »Meinen Sie? Meine Meinung, Frau Kennicott, und ich zitiere da nur die Bibliothekarin eines sehr großen Colleges, meine Meinung ist, daß es die erste Pflicht einer gewissenhaften Bibliothekarin ist, die Bücher zu konservieren.«

      »Oh!« Carola bereute ihr »Oh!« Fräulein Villets wurde steif und ging zum Angriff über:

      »In großen Städten, wo man unbegrenztes Betriebskapital hat, ist es vielleicht ganz recht und gut, zuzulassen, daß ungezogene Kinder Bücher ruinieren und einfach absichtlich zerreißen, und daß freche junge Leute sich mehr Bücher nehmen, als die Verordnungen gestatten, aber ich werde so etwas in unserer Bibliothek nie erlauben!«

      »Was liegt denn daran, wenn ein paar Kinder etwas ruinieren? Sie lernen lesen. Bücher sind billiger als Verstand.«

      »Nichts ist billiger als der Verstand von ein paar solchen Kindern, die hereinkommen und mich ärgern, aus keinem anderen Grund, als weil ihre Mütter sie nicht im Haus halten, wo sie hingehören. Ein paar Bibliothekarinnen sind ja vielleicht so nachgiebig und machen aus ihren Bibliotheken Babyheime und Kindergärten, aber solang ich im Dienst bin, wird die Bibliothek in Gopher Prairie ruhig und anständig bleiben und die Bücher gut gehalten werden!«

      Carola sah, daß die anderen zuhörten und nur auf einen Widerspruch von ihr warteten. Sie wich vor der allgemeinen Antipathie zurück. Sie lächelte Fräulein Villets in Hast zustimmend zu, sah auffällig auf ihre Armbanduhr und murmelte: »… so spät … muß schnell … Mann … so hübsch gewesen … vielleicht haben Sie mit den Dienstmädchen recht gehabt … ich bin voreingenommen, weil Bea so nett ist … so wundervolles Backwerk, Frau Haydock muß mir das Rezept geben … adieu, es war wirklich wunderschön …«

      Sie ging nach Hause. Sie überlegte: »Es war meine Schuld. Ich war empfindlich. Ich hab' ihnen so oft widersprochen. Nur – Ich kann nicht! Ich kann mich nicht als eine von ihnen fühlen, wenn ich alle Mädchen verdammen muß, die sich in schmutzigen Küchen abrackern, und alle zerlumpten hungrigen Kinder. Und diese Frauen sollen mein ganzes Leben lang meine Richter sein!«

      Sie hörte nicht Beas Ruf aus der Küche; sie lief hinauf ins unbenutzte Gastzimmer; sie weinte vor Angst, kniete zusammengekrümmt neben einem plumpen schwarzen Nußbaumbett, an einer dicken Matratze, die mit einer roten Flickendecke zugedeckt war, in einem verschlossenen stickigen Zimmer.

      Siebentes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis СКАЧАТЬ