Sinclair Lewis: Die großen Romane . Sinclair Lewis
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Sinclair Lewis: Die großen Romane - Sinclair Lewis страница 22

Название: Sinclair Lewis: Die großen Romane

Автор: Sinclair Lewis

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 4066338121196

isbn:

СКАЧАТЬ Winterkleider schlugen sogar den persönlichen Klatsch als Gesprächsthema der Gesellschaften aus dem Felde. Es gehörte zum guten Ton, zu fragen: »Tragen Sie schon Ihre warme Wäsche?« Es gab ebensoviel Unterschiede zwischen Mänteln wie zwischen Automobilen. Die Geringeren erschienen in gelbschwarzen Hundefellmänteln, Kennicott aber strahlte in einem langen Waschbärulster und einer neuen Sealkappe. Als der Schnee für sein Automobil zu tief geworden war, übte er seine Landpraxis in einem funkelnden, eleganten, verstählten Schlitten aus, und nur seine gerötete Nase und die Zigarre sahen aus dem Pelz hervor.

      Carola selbst erregte in der Hauptstraße mit einem weiten Nutriamantel Aufsehen. Ihre Fingerspitzen liebten den seidigen Pelz.

      Ihre Hauptbeschäftigung bestand jetzt darin, in dieser automobilwahnsinnigen Stadt sportliche Veranstaltungen im Freien zu organisieren.

      Automobil und Bridge hatten nicht nur die sozialen Unterschiede in Gopher Prairie deutlicher gemacht, sie hatten auch der Liebe zur Bewegung Abbruch getan. Man sah so reich aus, wenn man dasaß und fuhr – und es war so leicht. Skilaufen und Rodeln war »idiotisch« und »altmodisch«. Das Dorf sehnte sich tatsächlich ebenso nach den eleganten Zerstreuungen der Stadt, wie die Städte nach dem ländlichen Sport; und Gopher Prairie war ebenso stolz darauf, nicht zu rodeln, wie St. Paul – oder New York – stolz darauf war, rodeln zu gehen. Mitte November veranstaltete Carola ein schönes Eisfest. Der Regenpfeifersee glitzerte in graugrünem Eis, klirrte unter den Schlittschuhen. Am Ufer klapperte das vereiste Schilf, im Wind, hingen Eichenzweige mit hartnäckigen letzten Blättern vor einem milchweißen Himmel. Harry Haydock lief Achter, und Carola war sicher, die Vollkommenheit des Lebens entdeckt zu haben. Als aber der Schnee dem Schlittschuhlaufen ein Ende machte und sie eine Schlittenpartie im Mondschein zustande bringen wollte, zögerten die Ehefrauen und wollten sich nicht von ihren Heizungen und den täglichen Bridgeimitationen der Großstadt losreißen. Sie mußte ihnen zusetzen. Sie schossen einen langen Abhang auf einem Bobsleigh hinunter, sie warfen um und bekamen Schnee in den Hals, sie riefen, sie würden es sofort wiederholen, und taten es nie wieder.

      Sie plagte eine andere Gruppe, bis man Ski lief. Sie riefen, warfen Schneeballen und erzählten ihr, es sei so lustig und sie würden gleich am nächsten Tag wieder einen Skiausflug machen; sie gingen vergnügt heim und verließen nie wieder ihre Bridgeblocks.

      Am Nachmittag desselben Tages wurde Kennicott über Land gerufen. Bea hatte ihren Abendausgang – ihren Ausgang für den Lutheranerball. Carola war von drei Uhr bis Mitternacht allein. Sie war es müde geworden, keusche Liebesgeschichten in den Magazinen zu lesen, saß an der Heizung und begann zu grübeln.

      So kam sie darauf, daß sie nichts zu tun hatte.

      2

      Carola grübelte. Die Neuheit des Stadtbesichtigens und Leutekennenlernens, die Neuheit des Eislaufens, Rodelns und Jagens hatte sie hinter sich. Bea war tüchtig, es gab keine Hausarbeit außer Nähen, Stopfen und dem Plaudern, wenn sie Bea beim Bettmachen half. Ihrer Begabung zum Erfinden von Mahlzeiten konnte sie nicht Genüge tun. In Dahl & Olesons Fleischerei machte man nicht Bestellungen – man fragte ängstlich, ob es heute außer Steak, Schweinefleisch und Schinken noch etwas anderes gebe. Die Rindfleischschnitten waren keine Schnitten, sie waren Fetzen. Hammelkoteletts waren etwas ebenso Exotisches wie Haifischflossen. Die Fleischlieferanten verluden ihre beste Ware in die Städte, zu höheren Preisen.

      In allen Läden gab es gleich wenig Auswahl. Sie konnte keinen Bildernagel mit Glaskopf im Ort bekommen; sie suchte nicht nach dem Schleier, den sie haben wollte – sie nahm, was sie bekam; und nur bei Howland & Gould gab es solche Luxusgegenstände wie Büchsenspargel. Ordnung und Pünktlichkeit war alles, was sie dem Haus widmen konnte. Nur mit Trödeleien, wie die der Witwe Bogart, hätte sie ihre Zeit ausfüllen können.

      Sie konnte keinen Posten annehmen. Für die Frau des Dorfarztes war das tabu.

      Sie war eine Frau mit arbeitendem Hirn, die keine Arbeit hatte.

      Es gab nur drei Dinge, die sie tun konnte: Kinder haben; mit ihren Reformarbeiten beginnen; oder endgültig ein Teil der Stadt werden, so daß sie von Kirche, Studierklub und Bridgepartie ausgefüllt gewesen wäre.

      Kinder, ja, sie wollte sie haben, aber – Sie war noch nicht ganz bereit. Sie war von Kennicotts Freimut in Verlegenheit gesetzt worden, sah aber ein, daß es in dieser wahnsinnigen Zivilisation, die das Aufziehen von Bürgern kostspieliger und gefährlicher machte als jedes andere Verbrechen, nicht ratsam sei, Kinder zu haben, bevor er mehr Geld verdient hätte. Es tat ihr leid – Vielleicht hatte er das ganze Mysterium der Liebe zu mechanischer Behutsamkeit gemacht, aber – Sie entfloh dem Gedanken mit einem fragwürdigen »Später«.

      Ihre »Reformen«, ihre Wünsche zur Verschönerung der kulturlosen Hauptstraße waren unklar geworden. Aber jetzt würde sie damit anfangen. Ja, sie würde! Sie schwor es und schlug zur Bekräftigung mit ihrer zarten Faust auf die Kanten der Heizung. Und als sie mit allen Gelübden fertig war, hatte sie keine Ahnung, wann und wo der Feldzug beginnen sollte.

      Wirklich ein Teil der Stadt werden? Sie begann den Gedanken in unangenehmer Klarheit zu betrachten. Sie kam darauf, daß sie gar nicht wußte, ob die Leute sie gern hätten. Sie war zu den Nachmittagskaffees der Frauen, in die Läden der Kaufleute mit so viel vorgefaßten Meinungen und Grillen gekommen, daß sie es allen unmöglich gemacht hatte, ihre Ansichten über sie zu verraten. Die Männer lächelten – aber war sie ihnen sympathisch? Sie war munter bei den Frauen – aber gehörte sie zu ihnen? Sie konnte sich nicht darauf besinnen, daß sie oft zu dem Geflüster über Skandalgeschichten zugezogen worden wäre, das der geheime Gerichtshof der Gopher-Prairie-Konversation ist.

      Als sie ins Bett ging, war sie von Zweifeln vergiftet.

      Am nächsten Tag setzte ihr Geist sich beim Einkaufen in Positur und beobachtete. Dave Dyer und Sam Clark waren so freundlich, wie sie gedacht hatte; aber lag nicht unpersönliche Kürze in dem »Tag« Chet Dashaways? Howland war barsch, war das nichts weiter als seine gewöhnliche Art?

      »Es ist zum Verzweifeln, darauf achten zu müssen, was die Leute denken. In St. Paul hab' ich mich nicht drum gekümmert. Aber hier werde ich ausspioniert. Man beobachtet mich. Ich darf dadurch mich nicht einschüchtern lassen«, redete sie sich zu – von dem Gift des Denkens überreizt, in ihrer Verteidigung offensiv werdend.

      3

      Tauwetter, das den Schnee von den Bürgersteigen verschwinden ließ, eine klingende Nacht, in der man die Seen donnern hören konnte, ein klarer, geräuschvoller Morgen. In Pudelmütze und Stoffkleid kam Carola sich wie eine College-Juniorin vor, die Hockey spielen geht. Sie wollte schreien, ihre Beine wollten laufen. Am Heimweg vom Einkaufen gab sie sich nach wie ein junger Hund.

      Sie galoppierte einen Block entlang, und als sie über eine Schneewasserpfütze hüpfte, stieß sie einen lauten Jubelruf aus.

      Sie sah, daß in einem Fenster drei alte Weiber sie mit Blicken verschlangen. Dieser dreifache Blick war lähmend. Auf der anderen Seite der Straße, an einem anderen Fenster, hatte der Vorhang sich heimlich bewegt. Sie blieb stehen, ging ruhigen Schrittes weiter, aus dem Mädchen Carola wieder zur Frau Dr. Kennicott geworden.

      Nie wieder fühlte sie sich jung und mutig und frei genug, auf den Straßen zu laufen und zu jubeln; und dem nächsten wöchentlichen Bridge der Lustigen Siebzehn wohnte sie als brave Ehefrau bei.

      4

      Die Lustige Siebzehn (deren Mitgliederzahl zwischen vierzehn und sechsundzwanzig wechselte) war СКАЧАТЬ