Sinclair Lewis: Die großen Romane . Sinclair Lewis
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Название: Sinclair Lewis: Die großen Romane

Автор: Sinclair Lewis

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 4066338121196

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СКАЧАТЬ Dyer dieselbe Demütigung erleben mußte. Und ich – ich bin in der gleichen Lage! Ich muß dich um Geld bitten. Täglich! Mir ist eben erklärt worden, daß ich nicht einmal Zucker bekommen kann, weil ich kein Geld habe, um dafür zu bezahlen!«

      »Wer hat das gesagt? Bei Gott, ich bring' jeden –«

      »Unsinn. Es war nicht seine Schuld. Es war deine. Und meine. Jetzt bitte ich dich demütig, mir Geld zu geben, damit ich für dich etwas zum Essen kaufen kann. Und dann, daß du daran denkst. Das nächste Mal werde ich nicht bitten. Ich werde ganz einfach verhungern. Verstehst du? Ich kann nicht immer eine Sklavin –«

      Ihr Trotz, die Freude an ihrer Rolle versiegte. Sie schluchzte an seinem Mantel: »Wie kannst du mich so beschämen?« Und er plärrte: »Verdammt noch einmal, ich hab' dir doch was geben wollen, und dann hab' ich's vergessen. Ich schwöre dir, es wird nicht wieder vorkommen. Ganz bestimmt nicht!«

      Er drängte ihr fünfzig Dollar auf, und später dachte er daran, ihr regelmäßig Geld zu geben … manchmal.

      Täglich beschloß sie: »Aber ich muß eine feste Summe haben – geschäftsmännisch sein. System. Ich muß mich darum kümmern.« Und täglich kümmerte sie sich nicht darum.

      3

      Frau Bogart hatte Carola durch die süßliche Gemeinheit ihrer Bemerkungen über die neue Einrichtung zur Sparsamkeit angeregt. Täglich redete Carola weise mit Bea über zurückgebliebenes Essen. Sie las das Kochbuch wieder und studierte, wie ein Kind mit einem Bilderbuch, die Linien des Rindes, das wacker weiter weidet, obgleich es in Stücke zerschnitten ist.

      Doch bei ihren Vorbereitungen für ihre erste Gesellschaft, den Einzugsschmaus, war sie bewußte und fröhliche Verschwenderin. Sie schrieb auf jedes Kuvert und jeden Wäschezettel in ihrem Schreibpult Listen. Sie heftete und nähte. Sie schickte Aufträge an große Lebensmittelgeschäfte in Minneapolis. Sie ärgerte sich, wenn Kennicott über »diese schrecklich großen Dinge, die sich da vorbereiten,« witzelte. Sie betrachtete das Ganze als Angriff auf Gopher Prairies Ängstlichkeit im Vergnügen. »Wenn sonst nichts, werde ich die Leute lebendig machen. Sie sollen aufhören, Gesellschaften für Ausschußzusammenkünfte zu halten.«

      Kennicott hielt sich gewöhnlich für den Herrn des Hauses. Auf seinen Wunsch ging sie jagen, was ihm das Symbol der Glückseligkeit, ließ sie Porridge zum Frühstück machen, was ihm das Symbol der Moral war. Doch als er am Nachmittag vor dem Einzugsschmaus nach Hause kam, fand er, daß er ein Sklave, ein Eindringling, ein dummer August war. Carola schimpfte: »Bring die Heizung in Ordnung, damit du nach dem Essen nicht damit zu tun hast. Und nimm um Gottes willen diese fürchterliche alte Türmatte vom Eingang weg. Und zieh dir dein hübsches braunweißes Hemd an. Warum bist du so spät nach Haus gekommen? Hätt' es dir was geschadet, wenn du dich beeilt hättest? So, jetzt ist schon fast Essenszeit, und von diesen Teufeln ist recht gut zu erwarten, daß sie um sieben statt um acht Uhr kommen. Bitte, tummel dich!«

      Sie war so unvernünftig wie eine Dilettantin, die an einem Premierenabend eine Hauptrolle zu spielen hat, und er mußte klein beigeben. Als sie zum Essen hinunterkam, als sie in der Tür stand, riß er den Mund auf. Sie war in einem Silbergewand, einem Lilienkelch, ihr aufgetürmtes Haar sah aus wie schwarzes Glas; sie hatte die Zerbrechlichkeit und Köstlichkeit eines venezianischen Pokals; ihre Augen strahlten. Er war so erregt, daß er aufstand, um ihr den Stuhl zurechtzurücken; und während der ganzen Mahlzeit aß er sein Brot trocken, weil er das Gefühl hatte, sie würde ihn für gewöhnlich halten, wenn er sagte: »Möchtest du mir die Butter geben?«

      4

      Sie hatte gerade soviel Ruhe gewonnen, um sich keine Sorgen darüber zu machen, ob es ihren Gästen gefallen würde oder nicht, und um auf Beas Technik im Servieren zu vertrauen, da rief Kennicott vom Erkerfenster ins Wohnzimmer: »Da kommt schon wer!« und Herr und Frau Luke Dawson stolperten herein, um drei Viertel acht. Dann kam in einer schüchternen Lawine die ganze Aristokratie Gopher Prairies: alle, die studiert hatten, alle, die mehr als zweitausendfünfhundert Dollar im Jahr verdienten, und alle, deren Großeltern schon in Amerika geboren waren.

      Schon während sie die Überschuhe ablegten, besahen sie sich die neue Einrichtung. Carola sah, daß Dave Dyer die Goldkissen heimlich umdrehte, um einen Preiszettel zu finden, und hörte Herrn Julius Flickerbaugh, den Anwalt, hauchen: »Na da soll mich doch«, als er den Stich sah, der vor der japanischen Stickerei hing. Das amüsierte sie. Aber ihre gute Laune ließ nach, als sie ihre Gäste in langem, schweigendem, unbehaglichem Kreis rings im Wohnzimmer Parade machen sah. Sie hatte das Gefühl, durch einen Zauber in ihre erste Gesellschaft bei Sam Clark zurückgeschleudert zu sein.

      »Muß ich sie aufheben wie schwere Eisenklötze? Ich weiß nicht, ob ich sie glücklich machen kann, aber durcheinander werd' ich sie bringen.«

      Eine silberne Flamme in dem dunklen Kreis, wirbelte sie umher, lockte die Leute mit ihrem Lächeln, sang: »Ich will, daß meine Gesellschaft laut und nicht würdig ist! Das ist die Taufe meines Hauses, und ich möchte, daß Sie alle mir helfen, einen schlechten Einfluß darauf auszuüben, damit es ein lustiges Haus wird. Wollen Sie nicht alle mir zuliebe eine altmodische Quadrille tanzen? Herr Dyer wird kommandieren.«

      Sie legte eine Platte auf das Grammophon; Dave Dyer stellte sich in die Mitte des Zimmers, hager, klein, rotköpfig, spitznasig, klatschte in die Hände und rief: »Drehen – à la main gauche!«

      Sogar die millionenschweren Dawsons, Ezra Stowbody und ›Professor‹ George Edwin Mott tanzten und sahen nur ein klein wenig albern aus; im Zimmer umherflitzend, schüchtern und schmeichelnd zu allen Gästen über fünfundvierzig, konnte Carola einen Walzer und einen Virginia Reel zustande bringen. Als sie es ihnen aber überließ, sich auf ihre eigene Weise zu unterhalten, legte Harry Haydock einen Onestep auf, die jüngeren Leute kamen zu Wort, die älteren zogen sich zu ihren Stühlen zurück, mit einem erstarrten Lächeln, das heißen sollte: »Glaubt nur nicht, daß ich das selber probier' – aber ich schau' gern zu, wie die jungen Leute tanzen.«

      Zur Hälfte schwiegen sie; zur Hälfte nahmen sie ihre Nachmittagsunterhaltungen vom Laden wieder auf. Ezra Stowbody machte Anstrengungen, etwas zu sagen, verbarg ein Gähnen und fragte schließlich Lyman Cass, den Mühlenbesitzer: »Wie seid Ihr mit dem neuen Feuerkasten zufrieden, Lym? He? So.«

      »Ach, laß sie in Frieden. Setz' ihnen nicht zu. Es muß ihnen ja gefallen, sonst würden sie's nicht tun.« Carola verwarnte sich selbst. Aber sie sahen sie alle so erwartungsvoll an, wenn sie vorübertanzten, daß sie wieder zur Überzeugung kam, in ihrem Schwelgen in Wohlanständigkeit hätten sie die Kraft zum Spielen ebenso verloren wie die Kraft, an etwas anderes als Klatsch zu denken. Sogar die Tänzer wurden allmählich von der unsichtbaren Gewalt fünfzig vollkommen braver und negativer Geister erdrückt; Paar für Paar setzte sich. Nach zwanzig Minuten hatte die Gesellschaft wieder die Würde einer Gebetsversammlung erreicht.

      »Wir müssen etwas Lustiges machen«, rief Carola ihrer neuen Vertrauten, Vida Sherwin, zu. Sie bemerkte, daß ihre Worte in der zunehmenden Stille im ganzen Zimmer zu hören gewesen waren. Nat Hicks, Ella Stowbody und Dave Dyer waren geistesabwesend, ihre Finger und Lippen bewegten sich. Sie wußte mit Sicherheit, daß Dave Dyer seine »Nummer« vom Norweger, der die Henne fängt, probte, daß Ella die ersten Zeilen von »Meinem süßen Lieb« wiederholte, und daß Nat mit seiner beliebten Parodie auf Marc Antons Rede beschäftigt war.

      »Aber in meinem Haus soll niemand das Wort ›Nummer‹ aussprechen«, flüsterte sie Fräulein Sherwin zu.

      »Das ist gut. Ich will Ihnen was sagen: lassen Sie doch Raymond Wutherspoon singen.«

      »Raymie? СКАЧАТЬ