Sinclair Lewis: Die großen Romane . Sinclair Lewis
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Название: Sinclair Lewis: Die großen Romane

Автор: Sinclair Lewis

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 4066338121196

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СКАЧАТЬ ist.«

      Er weidete sich an ihrer Verlegenheit.

      Er hatte wirklich Talente. Nichtsdestoweniger war es Elmer, nicht Adelbert, der den »Halleluja-Ruf« erfand.

      Elmer erinnerte sich seines College-Rufs, besann sich darauf, wie dieser ihn angespornt hatte, dem gegnerischen Stürmer das Knie in den Leib zu stoßen oder den feindlichen Zenter gegen das Knie zu treten, und sagte sich: »Warum sollen wir hier nicht auch Rufe haben?«

      Er selbst schrieb den ersten in der Geschichte bekannten.

      Halleluja, lobet Gott, hal, hal, hal!

       Halleluja, lobet Gott, hal, hal, hal!

       Schon fühle ich mich stärker,

       Hal, hal, hal,

       Zur Errettung der Nation –

       Aaaaaaaaaaaa-men!

      Das ließ sich hören, wenn Elmer vorsang; wenn er vor allen einhertanzte, seine starken Arme schwenkte und brüllte: »Noch einmal! Zwei Yards noch! Zwei Yards für den Heiland! Vorwärts, Jungens und Mädels, unsere Mannschaft! Wollt ihr sie im Stich lassen? Nicht ums Verrecken! Vorwärts also, ich will sehen, daß das alte Dach von eurem Singen einstürzt! Hal, hal, hal!«

      So mancher zaudernde junge Mensch, den die intensive Weiblichkeit von Sharons Beschwörungen ein wenig angewidert hatte, wurde auf diese Weise zur Tribüne gebracht, um mit Elmer einen Händedruck zu tauschen und die Segnungen der Religion kennenzulernen.

      5

      Die Evangeliumsmannschaft konnte ihre Bekehrten nie als menschliche Wesen, etwa als Kellner, Maniküremädchen oder Eisenbahner, sehen, aber sie hatte an ihnen dasselbe berufliche Interesse, wie Chirurgen an Patienten, Kritiker an Autoren, Fischer an Forellen.

      In Terre Haute wurden sie von einem Alten geplagt, der sich jeden lieben Abend während der Meetings bekehren ließ. Vielleicht war er verrückt, vielleicht war er immer völlig betrunken, aber Abend für Abend kam er, sah verrotzt und völlig unbekehrt aus; jeden Abend erwachte er während der Predigt zu höheren Bedürfnissen; und wenn der Ruf nach Bekehrten erklang, sprang er auf, brüllte: »Hallelujah, ich hab's!« und galoppierte vorwärts, wirkliche und wertvolle Heilsuchende aus dem Gang verdrängend. Die Mannschaft wartete auf ihn, wie man im Lager auf die Moskitos wartet.

      In Scranton hatten sie außergewöhnlich aufreizende Fälle. Schon vor ihrer Ankunft hatten einige andere Evangelisten Scranton gerettet; es war fast ganz unempfindlich geworden. Zehn Nächte schwitzten sie über dem Auditorium, ohne daß auch nur ein einziger Sünder nach vorn gekommen wäre; Elmer mußte sich aufmachen und ein halbes Dutzend überzeugender Bekehrter mieten.

      Er fand sie in einer Mission nahe am Fluß und setzte ihnen auseinander: wenn sie den Nachlässigen ein gutes Beispiel gäben, würden sie das Werk Gottes tun, und wenn das Beispiel gut genug ausfalle, wolle er jedem von ihnen fünf Dollars bezahlen. Der Missionar selbst kam während dieser Besprechung herein und machte das Angebot, sich für zehn bekehren zu lassen, aber er war so gut bekannt, daß Elmer ihm die zehn Dollars geben mußte, um ihn zum Wegbleiben zu bewegen.

      Seine Rotte von Bekehrten war sehr imponierend, aber nachher war kein Mitglied der Evangelistentruppe sicher. Tag und Nacht belagerten die professionellen Christen das Zelt. Sie wollten wieder gerettet werden. Als sie zurückgewiesen wurden, erboten sie sich, neue Bekehrte zu fünf Dollars für die Person zu liefern – drei Dollars für die Person – fünfzig Cents und eine anständige Mahlzeit. Doch mittlerweile erschienen genug echte, freiwillige Enthusiasten, und obgleich diese sehr eifrig waren, fanden sie nicht Geschmack daran, in Gesellschaft übelriechender Landstreicher gerettet zu werden. Als die sechs Strohmänner von Elmer und Art Nichols mit Brachialgewalt hinausgeworfen waren, begannen sie zu den Meetings zu kommen und zu pfeifen, so daß man ihnen für den Rest der Serie allabendlich einen Dollar bezahlen mußte, um sie fernzuhalten.

      Nein, Elmer konnte die Bekehrten nicht als Menschen sehen. Manchmal, wenn er unten im Publikum war und den bezwingenden Helden spielte, den Judson Roberts einst ihm gegenüber gespielt hatte, blickte er zur Tribüne hinauf, wo eine Reihe von Männern in der Bekehrung kniete, die Arme auf Stühle gelegt, die großen Sohlen der Menge zugewandt, und dann hätte er am liebsten aufgelacht und irgend etwas angestellt. Aber fünf Minuten später war er wieder dort oben, kniete neben einem Nähmaschinenagenten, der Katzenjammer hatte, legte die Arme um die Schulter seines Klienten und flehte in den Tönen einer Mutterkuh: »Können Sie sich nicht Christo ergeben, Bruder? Wollen Sie nicht alle die schrecklichen Gewohnheiten aufgeben, die Sie ruinieren – am Erfolg verhindern? Hören Sie! Gott wird Ihnen zum Erfolg helfen! Und wenn Sie einsam sind, alter Junge, denken Sie daran, daß er da ist und darauf wartet, mit Ihnen zu reden!«

      6

      Im allgemeinen brachten sie es gegen Ende der Meetings zu erfreulichen Stimmungen. Oft knieten junge Frauen da, mit ausdruckslosen Augen, die Lippen in Ekstase weit geöffnet. Manchmal, wenn Sharon in ganz besonderem Feuer war, erzielte sie tatsächlich die Phänomene der großen Erweckungsversammlungen von 1800. Die Leute zuckten und bekamen die heilige Fallsucht, alte Leute sprachen in Pfingsterleuchtung in unbekannten – völlig unbekannten – Zungen; Frauen streckten sich besinnungslos aus, mit heraushängenden Zungen; und einmal ereignete sich, was Kenner für das höchste Beispiel religiöser Begeisterung halten. Vier Männer und zwei Frauen krochen auf allen vieren um eine Säule und bellten wie Hunde, sie »bellten den Teufel aus dem Baum heraus«.

      Sharon hatte Freude an diesen Wundern. Sie bewiesen ihr Talent; sie waren handgreifliche Manifestationen der göttlichen Kraft. Doch manchmal brachten sie die Meetings in schlechten Ruf, und Zyniker brachten sie außer Fassung, indem sie von »heiligen Epileptikern« sprachen. Wegen dieser Schlechtigkeiten und wegen der Aufregung, die ihr derart vom heiligen Geist begünstigte Meetings bereiteten, mußte Elmer sie nachher ganz besonders trösten.

      7

      Alle Mitglieder der Evangelistenmannschaft beschäftigten sich mit Arbeiten, die ein noch strahlenderes Licht auf Sharon werfen sollten. Fieberhaft wurde über die Kostüme diskutiert. Adelbert hatte das weiße Gewand mit dem Gürtel ersonnen, in dem sie als Priesterin erschien, und wünschte, sie solle es immer tragen. »Sie sehen so köööniglich drin aus«, winselte er. Aber Elmer bestand auf Abwechslung und wollte, daß dieses Gewand für entscheidende Meetings aufbewahrt würde; Sharon trug bestickte, goldene Samtkleider und, bei Meetings für Geschäftsfrauen, smarte weiße Flanellkostüme.

      Sie standen ihr auch bei der Vorbereitung neuer Predigten bei. Ihre »Botschaft« entstand unter einer Gefühlssuggestion, ohne Zusammenhang mit ihrem wirklichen Leben. Bald Portia, bald Ophelia, bald Francesca, zog sie die Männer an, tat mit ihnen, was sie wollte. Ein anderes mal wieder erblickte sie in sich die wahrhaftige Gottesgeißel. Doch, so überreichlich sie auch Inbrunst verbreiten konnte, so entflammt sie sich auch der exotischesten Worte und der kompliziertesten Gedanken bediente, sobald sie ihr von jemand beigebracht worden waren, aus sich selber vermochte sie keinen tieferen Gedanken hervorzubringen als: »Ich bin unglücklich.«

      Seitdem Cecil Aylston gegangen war, las sie nichts außer der Bibel und den Inseraten evangelistischer Konkurrenten in den Anzeigen des Moody-Bibel-Instituts.

      Cecil fehlte, und es war die verzweifelte Angelegenheit aller, Sharon mit neuen Predigten zu versehen, wenn sie es müde wurde, die alten vorzutragen. Adelbert Shoop lieferte die Poesie. Er war ein Freund der Poesie. Er las Ella Wheeler Wilcox, James Whitcomb Riley und Thomas Moore. Er war auch ein Jünger der СКАЧАТЬ