Sinclair Lewis: Die großen Romane . Sinclair Lewis
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Название: Sinclair Lewis: Die großen Romane

Автор: Sinclair Lewis

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 4066338121196

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СКАЧАТЬ wartete im Flur, ganz hell und jung in Matrosenbluse und Mütze.

      »Wir wollen nichts Ernstes reden. Ich bin nicht Schwester Falconer – heute bin ich Sharon. Himmel, zu denken, daß ich mal vor fünftausend Leuten gesprochen hab'! Los! Wir laufen um die Wette den Hügel hinauf!«

      Der große Flur im Erdgeschoß, in dem traditionsgemäß Stahlstiche und ein Säbel aus dem Bürgerkrieg hingen, führte von der Vordertür, unter dem Treppenpodest hindurch, zum hinten gelegenen Garten, der noch im Schmuck roter Astern und goldgelber Zinnien stand.

      Sie flog durch den Flur, durch den Garten, an der steinernen Sonnenuhr vorbei und über das lange, dicke Gras zum Obstgarten, auf den sonnenbeschienenen Hügel; keine feierliche Juno jetzt, sondern eine Nymphe; er folgte ihr nach, schwer, anmutlos, aber unaufhaltsam vorwärtsstampfend; seine Gedanken beschäftigten sich weniger mit ihrer dahinfliehenden Schlankheit als mit der Tatsache, daß es mit seinem Atem entschieden besser geworden war, seitdem er zu rauchen aufgehört hatte – ganz entschieden bedeutend besser.

      »Sie können aber laufen!« sagte sie, als sie keuchend an einer Gartenmauer mit Spalierbirnen stehenblieb.

      »Und ob ich kann! Ich bin auch ein großer Fußballspieler, ein Bär im Sturm, meine junge Freundin!«

      Er hob sie auf, sie strampelte mit den Beinen und gestand widerwillig ihre Bewunderung ein: »Sie sind fürchterlich stark!«

      Aber dieser Tag stiller Oktobersonne war zu ruhig heiter für seine Ausgelassenheit, und friedlich stiegen sie den Hügel hinan, die ineinandergelegten Hände schwingend; friedlich redeten sie (er gab sich große Mühe, den der Falconerfamilie, einem alten Herrenhaus und schwarzen Ammen angemessenen Stil zu treffen) über die weltbedrohenden Gefahren der höheren Bibelkritik und E. O. Excells Genialität im Komponieren heiliger und doch packender Melodien.

      3

      Während er sich umzog, das heißt, während er sich mit dem braunen Anzug und einer schönen neuen Krawatte schmückte, machte Elmer sich Sorgen. Diese friedliche Vertraulichkeit war zu vollkommen. Irgend etwas würde sie stören. Sharon hatte etwas von Brüdern, von hochnasigen Tanten und Vettern erzählt, von einer Menge von Paten, und das Haus war geräumig genug, um an seinen Korridoren eine Schar Verwandter zu verbergen. Stand es ihm bevor, beim Dinner feindlich gesinnte Familienreliquien vorzufinden, die ihn anstieren, zum Reden verleiten und als Terwillinger-Provinzialen demütigen würden? Er sah schon die schweigenden Andeutungen in ihren leeren, matten Augen; er sah schon Sharon von dieser Verachtung gepackt, der ungewissen Bezauberung entrückt, die seine Frische und Dreistigkeit über sie geworfen hatte.

      »Verdammt!« sagte er. »Ich bin genau so gut wie die!«

      Langsam ging er die Treppen hinunter in den rührenden Salon mit den Nippes auf der Etagere – ein Porzellanpantoffel, ein aus schwarzem Nußbaum geschnitzter Hirsch, eine Muschel aus Madagaskar – mit dem verdorrten Schilf im Krug, dem alten Schreibpult, dem Spieltisch und einem freundlichen alten Sofa vor dem weißen Kamin. Im Zimmer, überall im ganzen riesigen Haus, war ein Raunen, ein Knacken, tote, argwöhnische Augen … In der Hütte in Paris, Kansas, hatte es kein Raunen und keine Erinnerungen gegeben … Still stand Elmer da, ein geschlagener kleiner Junge, seine Stunde des Durchgehens mit der Tochter des Herrenhauses war vorbei, er war so glühend verliebt, daß er nicht einmal dagegen rebellierte, auf das Einzige, wonach er begehrte, verzichten zu müssen.

      Dann stand sie in der Tür, ganz unevangelistisch, erfreulich weltlich in einem Abendkleid aus schwarzem Satin mit Goldtressen. Bisher hatte er keine Leute gekannt, die Abendkleider trugen. Munter streckte sie ihm die Hand entgegen, aber er ging nicht munter zu ihr – eher demütig, entschlossen, ihr vor der argwöhnischen Familie keine Schande zu machen.

      Hand in Hand kamen sie ins Speisezimmer, und da sah er, daß der Tisch nur für zwei gedeckt war.

      Fast lachte er laut: »Ich dachte, es wären eine Menge Leute da«, aber er fühlte sich gerettet.

      Schließlich sprach er das Tischgebet.

      Kerzen und Mahagoni, Silber und alte Spitzen, Rosen und Wedgwoodgeschirr, Wildente und der Hausmeister in Flaschengrün. Er versank in friedliche Glückseligkeit, während sie ihm aufregende Geschichten aus ihrer Evangelistentätigkeit erzählte – von ihrem Tenorsolisten, dem dicken Adelbert Shoop, der ein Freund von Crême de Cacao war; von der schwedischen Farmersfrau, die ihren Mann glücklich aus dem Trinken, Fluchen und Schnupfen herausgebetet hatte, dann aber versuchte, ihn aus dem Damespielen herauszubeten, worauf er hinging und sich herrlich mit schlechtem Fusel betrank.

      »Ich hab' Sie bis jetzt noch nie so still gesehen«, sagte sie. »Sie können wirklich nett sein. Glücklich?«

      »Schrecklich!«

      Aus dem Dach der Vorderveranda war eine offene Terrasse gemacht worden, und hier tranken sie, gegen die Abendkühle in Decken gewickelt, ihren Kaffee in Liegestühlen. Sie waren über den Baumwipfeln, und als ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte er den Fluß im Sternenlicht sehen. Der Ruf einer Eule; dann hüllte die freundliche, die flüsternde Luft sie ein.

      »O mein Gott, es ist so schön – so schön!« seufzte er, während er ihre Hand suchte und sie zutraulich in die seine schlüpfen fühlte. Plötzlich wurde er grausam, zerstörte alles:

      »Viel zu schön für mich, glaub' ich. Sharon, ich bin ein miserabler Taugenichts. Als Prediger bin ich nicht so schlecht, oder wär's wenigstens nicht, wenn ich die Möglichkeit hätte, aber ich – ich bin nicht gut. Ich hab' mit dem Trinken und Rauchen Schluß gemacht – für Sie – ich hab's wirklich getan! Aber früher hab' ich immer getrunken wie ein Loch, und bevor ich Sie gesehen hab', hab' ich immer geglaubt, außer meiner Mutter gibt es keine gute Frau. Ich bin nichts weiter als ein zweitklassiger Reisender. Ich bin aus Paris, Kansas, und nicht einmal für dieses Bauerndorf bin ich gut genug, weil die Leute dort hart arbeiten und anständig sind, und ich bin nicht einmal das. Und Sie – Sie sind nicht nur eine Prophetin, das sind Sie ganz sicher, eine richtige große Sache, Sie sind noch dazu eine Falconer. Familie! Alte Diener! Dieses alte Haus – ach, es hat gar keinen Sinn! Sie sind zu hoch für mich. Grad weil ich Sie liebe. Schrecklich. Weil ich Sie nicht anlügen kann!«

      Er hatte ihre Hand losgelassen, aber langsam kam sie zu der seinen zurück, ihre Finger durchwanderten die Täler zwischen seinen Knöcheln, während sie murmelte:

      »Sie werden groß sein! Ich werd' Sie dazu machen! Und, vielleicht bin ich eine Prophetin, ein klein wenig, aber ich bin auch eine tüchtige Lügnerin. Sie müssen wissen, ich bin keine Falconer. Es gibt gar keine! Ich heiße Katie Jonas. Ich bin in Utica geboren. Mein Vater hat in einer Ziegelei gearbeitet. Den Namen Sharon Falconer hab' ich angenommen, wie ich Stenotypistin war. Bis vor zwei Jahren hab' ich dieses Haus nie gesehen. Bis damals hab' ich diese alten Familiendiener nie gesehen – sie waren bei den Leuten, denen das alles hier gehört hat – und nicht einmal die waren Falconers, sie hatten den fabelhaft aristokratischen Namen Sprugg! Übrigens, für das Grundstück hier hab' ich noch nicht mal den vierten Teil bezahlt. Und doch bin ich keine Lügnerin! Ich bin's nicht! Jetzt bin ich Sharon Falconer! Ich hab' sie geschaffen – durch Beten und durch ein Recht darauf, sie zu sein! Und Sie werden aufhören, der arme Elmer Gantry aus Paris, Kansas, zu sein. Sie werden der Reverend Dr. Gantry sein, der große Seelenkapitän! Oh, ich bin froh, daß Sie nicht weiß Gott woher sind! Cecil Aylston – o ja, ich glaub', er liebt mich wirklich, aber ich hab' immer das Gefühl, daß er über mich lacht. Der Teufel soll ihn holen, er zählt die Sprachfehler, die ich mach', und nicht die Seelen, die ich rette! Aber Sie – Oh, Sie werden mir dienen – nicht wahr?«

      »Auf СКАЧАТЬ