Sinclair Lewis: Die großen Romane . Sinclair Lewis
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Название: Sinclair Lewis: Die großen Romane

Автор: Sinclair Lewis

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 4066338121196

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СКАЧАТЬ Gesicht sehen und fragen: »Haben Sie schon einmal vor dem Thron der Gnade gekniet?«

      Was für weltliche Ausdrücke er auch in vertraulichen Unterhaltungen mit den weniger heiligen Studenten der Theologie gebrauchen mochte – mit Leuten wie Harry Zenz, der der überzeugteste Atheist im Seminar war öffentlich sagte er nicht einmal »verflixt«, er hatte zu sofortigem Gebrauch eine Anzahl von Phrasen in Bereitschaft, wie »Bruder, ich bin bereit, Ihnen beim Streben nach Frömmigkeit behilflich zu sein«, »Mein ganzes Leben legt Zeugnis für meinen Glauben ab«, »Für das geistige Auge bedeutet es keine Schwierigkeit, die dreifältige Natur der Göttlichkeit zu begreifen«, »Wir können keine trauerklößigen Christen in dieser Kirche brauchen – einer, der im Blut des Lamms gewaschen ist, ist so glücklich, daß er den ganzen Tag singend und Hallelujah rufend herumgeht« und »Kommt jetzt, kommt alle her, wir wollen die größte Sammlung machen, die diese Kirche je gesehen hat.« Er konnte die Vorherbestimmung voll und ganz erklären und bediente sich der Worte »baptizo« und »athanasisch«.

      Er würde vielleicht weniger laut, weniger gelehrsamkeittriefend sein, sobald er einmal ein oder zwei Jahre nach dem Schlußexamen in der Praxis sein und entdeckt haben würde, daß die Menschen gemeinen Herzens sind, niedrige Gewohnheiten haben und nicht die geringste Lust zeigen, dem Pfarrer die Aufsicht über alles einzuräumen, was sie tun und lassen. Aber davon würde er sich wieder erholen, er sah aus wie ein Vorbild dessen, was er in zwanzig Jahren, als Zehntausenddollar-Prophet, sein würde.

      Er war breiter geworden, sein glänzendes Haar, das er länger trug als im Terwillinger, war aus der schweren weißen Stirn zurückgestrichen, seine Nägel häufiger sauber, seine Sprache majestätisch. Sie war sonorer, abgemessener und priesterlicher; er konnte, und tat es auch, zeigen, daß er die verborgene moralische Krankheit eines Menschen kannte, indem er ganz einfach sagte: »Wie geht's uns heute, Bruder?«

      Und obgleich er in Griechisch fast durchgefallen wäre, hatte sein Aufsatz »Sechzehn Wege, eine Kirchenschuld abzutragen« den Zehndollarpreis in praktischer Theologie gewonnen.

      2

      Er schritt unter den Kayooskatal-Kommunikanten neben seiner Mutter einher. Sie war eine kleinstädtische Geschäftsfrau, nicht übermäßig runzlig oder schäbig; sie trug sogar einen guten, kleinen, schwarzen Hut und ein neues braunes Seidenkleid mit einer Goldkette; doch neben seiner Größe und ehrbaren Pracht wirkte sie unansehnlich.

      Er trug für die Zeremonie einen neuen zweireihigen Anzug aus schwarzem Tuch und neue schwarze Schuhe. Dasselbe hatte Eddie Fislinger an, dazu eine Trauerkrawatte und einen großen schwarzen Filzhut, wie ihn die Texas-Kongreßmitglieder tragen. Doch Elmer war unternehmender. Hätte er nicht eingesehen, daß er Würde zeigen mußte, so würde er sich den Prunk erlaubt haben, für den er Talent hatte. Er hatte ein Kompromiß geschlossen, indem er sich auf der Heimfahrt in Chicago einen schönen hellgrauen Filzhut kaufte, und ein rotgerändertes graues Seidentaschentuch riskiert, das seinem nüchternen Brustkasten einen gefälligen Anflug von Farbenfreudigkeit verlieh.

      Aber er hatte, für diesen Tag, auf den großen Opalring mit den fast goldenen Schlangen verzichtet, den er einmal, unter dem Einfluß des Alkohols seinem Gelüst erliegend, in der Stadt Monarch erworben hatte.

      Er marschierte wie eine Armee mit Fahnen, er redete wie eine Posaune, er gestikulierte weit ausholend mit seiner großen, gebleichten, dicken Hand; und seine Mutter, die in ihn eingehängt war, blickte in Ekstase zu ihm auf. Er führte sie in der Menge, leutselig wie ein Anwärter auf den Posten des Nachlaßrichters und hüllte sie in die Fransen seines Ruhms.

      Zur Ordinierung waren vielleicht zweihundert baptistische Laien und Laiinnen und mindestens zweihundert kleine Kinder von den benachbarten Kirchengemeinden hergekommen, in Bockwagen, in Demokratenwagen und Einspännern. (Es war 1905; es gab noch keinen Ford näher als im Fort Scott.) Es waren anständige, freundliche, ehrbare Leute; Farmer, Grobschmiede und Schuster; Männer mit gegerbten, faltigen Gesichtern, die bügelfaltige »Sonntagsanzüge« anhatten; die Frauen, tiefbusig oder von der Arbeit eingeschrumpft, waren in sauberem Gingan. Nur ein Dorfbankier war da, sehr gesprächig und demokratisch, in einem neuen Drillichanzug. Sie bewegten sich im Kreis wie Vieh, der Staub reichte bis zu den Schnürsenkeln, und Staub hüllte sie ein, in der stillen Hitze, unter den staubigen Zweigen der Pappeln, von denen Schnitzelchen herabschwebten, auf dem groben Zeug ihrer Kleider haften blieben und dort glitzerten.

      Sechs Prediger waren zusammengekommen, um dem Pfarrer von Paris bei seiner Zeremonie zu assistieren, und einer von ihnen war kein Geringerer, als der Rev. Dr. Ingle, der den ganzen Weg von St. Joe hergekommen war, wo er eine Sonntagsschule mit sechshundert Kindern haben sollte. Als junger Mann – sehr mager und beredt in einem Gehrock – hatte Dr. Ingle sechs Monate lang in Paris gepredigt, und Mrs. Gantry entsann sich seiner als ihres Lieblingsgeistlichen. Er war so freundlich zu ihr gewesen, als sie krank war; er war zu ihr gekommen, um »Ben Hur« vorzulesen und einem kleinen, untersetzten Elmer, der sich gern hinter Möbelstücken versteckte und mit Gemüseresten nach Besuchern warf, Geschichten zu erzählen,

      »So, so, Bruder, das ist also das kleine Jungchen, das ich als Gelbschnabel kannte! Nun, Sie waren immer ein gutes kleines Bürschchen, und jetzt, höre ich, sollen Sie ein frommer junger Mann sein – und ausersehen, große Werke für den Herrn zu tun«, begrüßte Dr. Ingle Elmer.

      »Danke schön, Doktor. Beten Sie für mich. Es ist eine Ehre für uns, daß Sie aus Ihrer großen Kirche hergekommen sind«, sagte Elmer.

      »War gar keine Mühe für mich. Das liegt auf meinem Weg nach Colorado – ich hab' eine Hütte dort oben in den Bergen gemietet – prachtvolle Aussicht – Sonnenuntergänge – vom Herrn selbst gemalt. Meine Gemeinde ist so gut gewesen, mir zwei Monate Urlaub zu geben. Ich wollte, Sie könnten auf eine Zeitlang dort hinkommen, Bruder Elmer.«

      »Ich wollte, ich könnte, Doktor, aber ich muß in aller Demut versuchen, die Feuer hier in der Gegend im Brennen zu erhalten.«

      Mrs. Gantry keuchte. Daß ihr kleiner Junge sich mit Dr. Ingle unterhielt, als wären sie ganz gleich! Daß sie ihn wie einen Prediger reden hören konnte – als ob das ganz natürlich wäre! Und eines Tages – Elmer mit einer berühmten Kirche; mit einer Hütte in Colorado für den Sommer; verheiratet mit einer netten frommen kleinen Frau, mit einem halben Dutzend Kinder; und sie selbst eingeladen, den Sommer über mit ihnen zusammen zu sein; sie alle bei Familiengebeten kniend, von Elmer angeführt … obwohl Elmer es jetzt ablehnte, Familienandachten zu halten; er sagte, er hätte genug davon das ganze Jahr über im Seminar … zu bös, aber sie würde immer weiter schmeicheln … und wenn er nur endlich mit dem Rauchen aufhören würde, wie sie ihn bat und beschwor … na ja, wenn er gar keine Ungezogenheiten mehr hätte, wäre er vielleicht überhaupt nicht mehr ihr kleiner Junge … Wie hatte sie früher immer schimpfen müssen, um ihn dazu zu bringen, daß er sich die Hände wüsche und die netten Pulswärmer aus roter Wolle anlegte, die sie für ihn gestrickt hatte!

      Nicht weniger befriedigend war für sie der Eindruck, den Elmer auf alle ihre Nachbarn machte. Charley Watley, der Anstreicher, Führer des Ezra P. Nickerson-»Postens«, der Bürgerkriegsveteranen von Paris, der immer an seinem weißen Schnurrbart gezogen und gegrunzt hatte, wenn sie ihm von Elmers verborgenen Heiligungskräften geredet hatte, nahm sie zur Seite und gestand ein: »Sie hatten recht, Schwester; er gibt einen schönen, aufrechten jungen Mann Gottes ab.«

      Sie begegneten dem Stadtproblem, dem Apotheker Hank McVittie. Elmer und er waren Spielkameraden gewesen; gemeinsam hatten sie Mais gestohlen, schweren Apfelwein getrunken und Liebesgenüssen im Heu gefrönt. Hank war ein kleiner roter Mann mit mutwilligem und durchtriebenem Blick. Es war sicher, daß er heute nur gekommen war, um Elmer auszulachen.

      Sie standen einander gegenüber, und Hank bemerkte: »Morgen, Mrs. Gantry. СКАЧАТЬ