Sinclair Lewis: Die großen Romane . Sinclair Lewis
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Название: Sinclair Lewis: Die großen Romane

Автор: Sinclair Lewis

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 4066338121196

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СКАЧАТЬ Baptisten-College.«

      Die Frau des Dekans hörte auf die Handtücher zu stopfen und ging hinauf, um ihren Eltern gute Nacht zu sagen.

      Diese lebten bei ihr, seitdem ihr Vater sich im Alter von fünfundsiebzig Jahren von seiner Landpfarre zurückgezogen hatte. Er war vor dem Bürgerkrieg Missionar in Missouri gewesen.

      Ihre Lippen hatten sich bewegt, ihre Augenbrauen hatten gearbeitet, während sie die Handtücher stopfte; ihre Augenbrauen waren noch immer zusammengezogen, als sie in das Zimmer trat und ihrem Vater in die tauben Ohren schrie:

      »Zeit zum Schlafengehen, Papa. Und für dich auch, Mama.«

      Jedes von ihnen nickte auf seiner Seite der Heizung, die seit Monaten nicht warm war.

      »Schön, Emmy«, piepste der Alte.

      »Hör mal, Papa – sag mir: ich hab' drüber nachdenken müssen: wenn du heute ein junger Mann wärst, würdest du in den Dienst gehen?«

      »Natürlich würd' ich! Was ist das für eine Idee! Der prächtigste Beruf, den ein junger Mann haben kann. Eine Idee! Gute Nacht, Emmy!«

      Aber als seine alte Frau seufzend ihr Korsett ablegte, klagte sie: »Ich weiß nicht, ob du würdest oder nicht wenn ich mit dir verheiratet wäre – was gar nicht so sicher ist, ein zweites Mal – und wenn ich was dreinzureden hätte!«

      »Was sicher ist! Sei nicht dumm. Natürlich würd ich.«

      »Ich weiß nicht. Fünfzig Jahre hab' ich's mitgemacht, und nie hab' ich's ganz fertig gebracht, mich nicht wütend zu ärgern, wenn die Damen von der Kirche rübergekommen sind und mir jeden kleinen gehäkelten Schoner bekrittelt haben, den ich auf den Sesseln hatte und irgendwas Fürchterliches sagen mußten, wenn ich 'nen Hut oder 'nen Schal hatte, der auch nur ganz klein wenig modisch war. ›Das paßt nicht für die Frau eines Geistlichen.‹ Der Deibel soll sie holen! Und mir haben immer Hüte mit paar netten leuchtenden Farben gefallen. Ach ja, ich hab' ganz ordentlich drüber nachgedacht. Du warst immer 'n mächtiger Prediger, aber, wie ich dir schon gesagt hab' –«

      »Hast du schon gesagt.«

      »– ich hab' nie begreifen können, wie du, wenn du auf der Kanzel warst, wirklich alles über diese hohen und großmächtigen und wunderbaren Sachen wissen konntest, und wenn du dann nach Haus gekommen bist, hast du nie genug gewußt, und hast nie genug lernen können, um den Hammer zu finden, oder 'n anständiges Maisbrot zu machen oder 'ne Reihe Zahlen zweimal gleich zu addieren, oder Oberammergau auf der Karte von Österreich zu finden.«

      »Deutschland, Frau! Ich bin schläfrig!«

      »Und die ganzen Jahre so zu tun, als ob wir besonders gut wären, wo wir doch die ganze Zeit nichts weiter als gewöhnliche Leute waren! Bist du nicht froh, daß du wenigstens jetzt 'n einfacher Mensch sein kannst?«

      »Vielleicht ist das ausruhsam. Aber das heißt nicht, daß ich's nicht wieder tun würde.« Der alte Mann grübelte lange. »Ich glaube, ich würde. Auf jeden Fall hat's keinen Sinn, die jungen Leute vom Eintritt in den Dienst abzuschrecken. Irgendwer muß doch das Evangelium predigen, nicht?«

      »Wahrscheinlich. Du meine Zeit. Fünfzig Jahre, seit ich einen Prediger geheiratet hab'! Und wenn ich wenigstens jetzt über die jungfräuliche Geburt Bescheid wüßte! Fang nur nicht zu erklären an! Herr Jeses, wie oft hast du mir's schon erklärt! Ich weiß, es ist wahr – 's steht in der Bibel. Wenn ich's nur glauben könnte! Aber –«

      »Mir wär's recht gewesen, wenn du dich in der Politik versucht hättest. Wenn ich doch bei einem Senator hätt' sein können, wenigstens einmal, bei einem Bankett oder so was, wenigstens einmal, in 'nem hübschen leuchtend roten Kleid mit Goldschuhchen, dann wär' ich ja gern wieder zurückgegangen zu meiner Wolle und zum Fußbodenscheuern und zum Zuhören bei deinem Predigtaufsagen, draußen im Stall, vor dem alten Gaul, den wir so viele Jahre gehabt haben – ach, Herr Jeses, wie lang ist der jetzt schon tot? Das muß sein – ja, 's sind siebenundzwanzig Jahre –

      »Warum ist das nur in der Religion, daß die Sachen, die man glauben muß, gegen alle Erfahrung sind? Jetzt, zum Deibel, geh weg und erzähl mir nicht wieder. ›Ich glaube, weil es unmöglich ist‹! Glauben, weil's unmöglich ist! Hä! So ist's richtig für einen Geistlichen!

      »Du liebe Zeit, ich hoff', ich werd' nicht so lang leben, daß ich noch meinen Glauben verlier'. Scheint ja, je älter ich werd', desto weniger kann ich mich über alle die Prediger aufregen, die von der Hölle reden – bloß haben sie sie nie gesehen.

      »Siebenundzwanzig Jahre! Und wir hatten das alte Roß doch schon so lange vorher. Mein, was konnte der aushauen – den Einspänner hat er zerfetzt –«

      Sie waren beide eingeschlafen.

      Fünftes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      1

      In dem Pappelwäldchen am schlammigen Fluß, drei Meilen westlich von Paris, Kansas, waren die Frommen mit Eßkörben, Staubmänteln und feuchten, unglückseligen Kindern zur ganztägigen Feier versammelt. Die Brüder Elmer Gantry und Edward Fislinger waren schon früher zum Predigen zugelassen gewesen, doch jetzt sollten sie zu flüggen Predigern, zu Baptistengeistlichen ordiniert werden.

      Sie waren aus dem weitentfernten Mizpah-Seminar für Theologie heimgekommen, um von ihrer eigenen Kirchenversammlung, der Kayooska River Baptisten-Vereinigung, ordiniert zu werden. Sie hatten beide noch ein Jahr des dreijährigen Seminarkurses vor sich, aber bei den frömmeren Landbrüdern hält man es für gut, die Kleriker früh zu weihen, damit sie, auch schon bevor sie unfehlbare Weisheit erlangt haben, auf Hinterwäldlerkanzeln stehen und während der Wochenenden gute Werke mit göttlicher Autorität tun können.

      Seine Ferien nach dem College hatte Elmer auf einer Farm verbracht; in den Ferien nach seinem ersten Jahr im Seminar war er Aufseher in einem Knabenlager gewesen; jetzt, nach der Ordinierung, sollte er in den kleineren Kirchen in seinem Zipfel von Kansas Dienst machen.

      Während seines zweiten Seminarjahres, das eben zu Ende gegangen war, hatte er sich noch viel mehr gelangweilt, als jemals im Terwillinger. Beständig hatte er daran gedacht abzugehen, aber nach seinen Reisen in die Stadt Monarch, wo er nähere Beziehungen zu lockeren Damen und Mixern unterhielt, als man von einem heiligen Kleriker erwarten sollte, hatte er immer wieder frische Kraft für seinen Entschluß, ein reines Leben zu führen, und so gelang es ihm, auszuharren bis zur Vollendung, deren Symbol der Grad eines Baccalaureus der Theologie war.

      Aber wenn es auch langweilig gewesen war, er hatte Gelegenheit gehabt, sich in seinem Beruf zu üben.

      Er konnte jetzt jedem Auditorium ins Auge schauen und autoritativ über jedes beliebige Thema sprechen, so oft man wollte, ohne daß er zitterte oder irgendwelche grammatikalischen Fehler machte. Er verfügte über einen eleganten Wortschatz. Er kannte achtzehn Synonyma für Sünde, von denen die Hälfte sehr lang und eindrucksvoll war, die andere Hälfte sehr kurz, explosiv und bedrohlich – bedrohlich war eines seiner Lieblingsworte, immer von Nutzen, wenn er die vorläufig noch imaginäre Sünderschar, die sich vor ihm sammelte, in Schrecken jagen wollte.

      Es bereitete ihm keine Verlegenheit mehr, auf die intimste СКАЧАТЬ