Название: Sinclair Lewis: Die großen Romane
Автор: Sinclair Lewis
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 4066338121196
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Jim stand am offenen Fenster und sagte langsam: »Nein. Ich meine jetzt – es wird besser sein, du gehst zurück. Ich hab' paar Pfefferminzplätzchen. Das wird den Schnapsgeruch bißchen wegnehmen. Leb wohl, Höllenhund.«
Er hatte sogar über den alten Jim gesiegt!
Er war Herr der Welt, und nur ein ganz kleines bißchen betrunken.
Stolz und glücklich schritt er hinaus. Alles war einfach wunderschön. Wie hoch die Bäume waren! Was für ein herrliches Drogeriefenster mit diesen vielen schimmernden neuen Magazinumschlägen! Dieses Klavier dort weit weg – zauberhaft. Was für entzückende junge Frauen waren doch die Kommilitoninnen! Was für nette und starke Männer die Studenten! Er war mit allem in Frieden. Was für ein wirklich guter Kerl er war! Er hatte alle seine Gemeinheiten verloren. Wie freundlich war er zu diesem armen einsamen Sünder, Jim Lefferts, gewesen. Andere mochten über Jims Seele verzweifeln – er würde das nie tun.
Armer alter Jim. Sein Zimmer hatte schrecklich ausgesehen – dieser enge, kleine Raum mit einem Feldbett; alles in Unordnung; auf einem Bücherhaufen hatten ein paar Schuhe und eine Maiskolbenpfeife gelegen. Armer Jim. Er würde ihm verzeihen. Hinübergehen und das Zimmer für ihn aufräumen.
(Nicht, daß Elmer je ihr früheres Zimmer aufgeräumt hätte.)
Himmel, was für eine reizende Frühlingsnacht! Wie blendend diese Burschen alle waren, der Alte und alle, daß sie einen Abend für ihn opferten und für ihn beteten.
Warum war ihm so herrlich zumute? Natürlich! Der Ruf war gekommen! Gott war zu ihm gekommen, wenn auch nur geistig, nicht körperlich, soweit er sich besinnen konnte. Der Ruf war gekommen! Er konnte losgehen und die Welt beherrschen!
Er stürzte in das Haus des Rektors; er schrie schon an der Tür, aufrecht, während sie knieten und wie Mäuse zu ihm aufschauten: »Er ist gekommen! Ich spür's in allem! Gott hat mir ganz einfach die Augen geöffnet und mir gezeigt, was für eine wunderbare alte Welt das ist, und 's ist grade, als hätt' ich seine Stimme hören können: ›Willst du nicht alle lieben und ihnen helfen, glücklich zu sein? Willst du ganz einfach weiter selbstsüchtig sein, oder hast du Sehnsucht, zu – allen zu helfen?‹«
Er hielt ein. Sie hatten schweigend zugehört, mit interessiert geächzten »Amen, Bruder.«
»Wirklich, das war schrecklich ergreifend. Irgendwie, durch irgendwas ist mir viel wohler zumute, als wie ich von hier weggegangen bin. Ich bin sicher, daß es ein richtiger Ruf war. Glauben Sie nicht auch, Rektor?«
»Oh, ich bin ganz sicher!« rief der Rektor aus, er stand hastig auf und rieb sich die Knie.
»Ich hab die Empfindung, daß mit unserem Bruder alles in Ordnung ist, daß er jetzt, in diesem heiligen Augenblick, die Stimme Gottes gehört hat und in den Beruf eintritt, der in den Augen Gottes der höchste ist«, bemerkte der Rektor zum Dekan. »Haben Sie nicht auf die Empfindung?«
»Gott sei gelobt«, sagte der Dekan und sah auf die Uhr.
3
Als sie auf dem Heimweg waren, zu zweit, sagte das älteste Mitglied des Lehrkörpers zum Dekan: »Ja, es war ein schöner, erhebender Augenblick. Und – hm! – etwas überraschend. Ich hätte kaum erwartet, daß der junge Gantry sich mit den sanften Wonnen des Heils zufriedengeben wird. Hm! Einen merkwürdigen Pfefferminzgeruch hatte er um sich.«
»Er wird wohl auf seinem Spaziergang in die Drogerie gegangen sein und irgendein zahmes Getränk zu sich genommen haben. Glauben Sie nicht, Bruder«, sagte der Dekan, »daß ich mit diesen zahmen Getränken einverstanden bin. So unschuldig sie an sich sind, können sie doch zu leichtsinnigem Trinken führen. Ein Mann, der Ingwerbier trinkt – wie soll man dem die schreckliche Gefahr des Biertrinkens nahebringen?«
»Ja, ja«, sagte das älteste Mitglied des Lehrkörpers (er war achtundsechzig Jahre alt, während der Dekan im kindlichen Alter von sechzig stand.) »Sagen Sie, Bruder, wie denken Sie über den jungen Gantry? Über seinen Eintritt in den Dienst? Ich weiß, Sie haben auf der Kanzel das Ihre geleistet, bevor Sie hergekommen sind, wie mehr oder weniger auch ich, aber wenn Sie jetzt ein Junge von ein- oder zweiundzwanzig wären, glauben Sie, Sie würden wieder Geistlicher, so wie die Dinge liegen?«
»Aber, Bruder!« bekümmerte sich der Dekan. »Freilich würd' ich's noch mal! Was ist das für eine Frage! Was würde denn aus unserer ganzen Arbeit im Terwillinger, aus allen unseren Idealen, im Gegensatz zu den großen heidnischen Universitäten, wenn der Dienst nicht das höchste Ideal wäre –«
»Ich weiß. Ich weiß. Ich denk' nur manchmal so – alle die neuen Berufe, die aufkommen. Medizin. Reklame. Die Welt geht weiter! Ich sage Ihnen, Dekan, noch vierzig Jahre, im Jahre 1943 werden die Menschen oben in der Luft sein, mit Flugmaschinen, und vielleicht hundert Meilen in der Stunde machen!«
»Mein lieber Kollege, wenn der Herr gewollt hätte, daß die Menschen fliegen, hätte er uns Flügel gegeben.«
»Aber es sind Prophezeiungen im Buch –«
»Die beziehen sich lediglich auf geistiges und symbolisches Fliegen. Nein, nein! Es tut nie gut, den deutlichen Zwecken der Bibel zu widersprechen, und ich könnte Ihnen hundert Stellen ausfindig machen, die unzweifelhaft beweisen, daß der Herr wünscht, wir sollen hier auf der Erde bleiben, bis zu jenem Tage, da wir im Fleische zu ihm erhoben werden sollen.«
»Hm! Vielleicht. Na, da ist meine Ecke. Gute Nacht, Bruder.«
Der Dekan kam in sein Haus. Es war ein sehr kleines Haus.
»Wie war's?« fragte seine Frau.
»Herrlich. Der junge Gantry hat anscheinend einen nicht mißzuverstehenden göttlichen Ruf bekommen. Irgend etwas traf ihn, das ihn ganz erhob. Er hat viel Kraft. Nur –«
Der Dekan setzte sich nervös in einen Schaukelstuhl mit geflochtenem Sitz, legte seine Schuhe ab, ächzte und zog seine Pantoffel an.
»Nur, zum Kuckuck, ich kann mich ganz einfach nicht dazu überwinden, ihn gern zu haben! Emma, sag mal: Wenn ich jetzt so alt wäre wie er, glaubst du, daß ich in den Dienst ginge, so wie's heute ist?«
»Aber, Henry! Was in aller Welt bringt dich dazu, so was zu sagen? Natürlich würdest du! Ja, wenn's nicht so wäre – was hätte unser ganzes Leben für einen Sinn, alles, was wir aufgegeben haben, und so?«
»Ach, ich weiß. Ich hab' nur bißchen gedacht. Manchmal überleg' ich, ob wir wirklich soviel aufgegeben haben. Es kann auch einem Geistlichen nichts schaden, wenn er sich mal ins Gesicht sieht! Alles in allem, die zwei Jahre, die ich im Teppichgeschäft war, bevor ich ins Seminar ging, hab' ich mich nicht sehr gut gestanden. Vielleicht hätt' ich auch nie mehr verdient als jetzt. Aber wenn ich könnte – angenommen, ich hätte ein großer Chemiker werden können? Würde das nicht (wohl gemerkt, ich spekuliere nur, als Psychologe) – würde das nicht bedeutend besser sein, als Jahr für Jahr die Studenten mit ihren ewig gleichen verdammten Fragen, immer und immer wieder – und jedesmal tun sie so erfreut und überrascht und wichtig damit! – oder Jahr für Jahr immer wieder auf der Kanzel zu stehen und zu wissen, daß die Gemeinde keine Ahnung mehr davon hat, was du gesagt hast, sieben Minuten, nachdem du's gesagt hast?«
»Aber, Henry, ich weiß gar nicht, was in dich gefahren ist! Ich glaube, du solltest СКАЧАТЬ