Der Aufstieg der Ultra-Läufer. Adharanand Finn
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Название: Der Aufstieg der Ultra-Läufer

Автор: Adharanand Finn

Издательство: Bookwire

Жанр: Сделай Сам

Серия:

isbn: 9783903183711

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СКАЧАТЬ und Ultra-Rennen gesprochen wird, ist „laufbar“. Einige Rennen werden als laufbarer betrachtet als andere. Das heißt nun nicht unbedingt, dass man die ganze Strecke durchlaufen kann – außer man ist einer der Superstars des Sports – aber theoretisch ist der Weg recht eben und die Anstiege und Abwärtspassagen gut machbar, so dass man zumindest den Großteil der Strecke laufen kann. Es gibt aber immer wieder Athleten, die sich darüber beschweren, wenn Rennen zu laufbar sind. Diese Sportler bevorzugen das genaue Gegenteil – im Ultra-Jargon auch als „technische“ Rennen bezeichnet – wenn das Gefälle zu steil und der Boden zu uneben sind, um frei dahinzulaufen. Rennen, bei denen man bei jedem Schritt aufpassen muss, wohin man tritt, und manchmal auch die Hände benutzen muss, um weiterzukommen.

      Ich tendiere definitiv mehr zu laufbar als zu technisch. Natürlich, auf den richtig schwierigen Abschnitten darf man schon einmal gehen und über ein paar Felsen klettern ist auch O. K., aber wenn ich das tue, möchte ich trotzdem auch laufen.

      Die Welt des Ultra-Sports ist vergleichbar mit einem Baum mit vielen Ästen. Einer der ältesten Äste ist, zumindest in unseren Breitengraden, das Berglaufen. Solche Rennen können über die unterschiedlichsten Distanzen gehen, von ein paar Kilometern bis zu einer nach oben hin offenen Ultra-Distanz, und führen in der Regel über Berge sowie meist unmarkierte Routen, was wiederum ein wenig Navigationskenntnisse voraussetzt. Der erste überlieferte Berglauf fand im Jahre 1040 n. Chr. in Großbritannien statt, als König Malcolm Canmore von Schottland einen Lauf in Braemar, Aberdeenshire, veranstaltete, um den schnellsten Boten zu ermitteln.

      Trotz seiner langen Geschichte ist der Berglauf ein recht isolierter Zweig im Ultra-Laufen. Seine regionalen Wurzeln sowie der recht nüchterne, ernsthafte Charakter sind Teil des Anreizes und werden vehement verteidigt. Ich würde es wirklich gerne einmal ausprobieren, doch wenn ich Ultra-Marathons laufen will, dann denke ich an etwas mehr Internationales und Allumfassendes. Genau an das, was für den Boom des Sports verantwortlich ist.

      Ein anderer Zweig im Ultra-Sport und einer, der einen starken Teilnehmeranstieg verzeichnet, sind mehrtägige Etappenrennen, wie der Marathon des Sables, die meist an exotischen, unwirtlichen Orten stattfinden: in der Wüste, im Dschungel, am Polarkreis. Die Teilnahme an solchen Rennen ist sehr kostspielig und benötigt eine Menge Vorausplanung.

      In einigen Teilen der Ultra-Welt herrscht eine starke Abneigung gegenüber manchen dieser Mehrtagesrennen. Diese Ablehnung basiert teilweise auf den Kosten und dem damit einhergehenden Hype solcher Rennen wie dem MdS. „Ein Urlaub für Vorstandsmitglieder“, meinte einmal ein Ultra-Läufer zu mir. Da ich selbst schon da draußen in der Wüste war, wusste ich, wie hart und zermürbend es ist, andererseits verbrachten wir einen guten Teil des Tages in unseren Zelten, um uns zu erholen. Und trotz meiner ungenügenden Vorbereitung konnte ich die meiste Zeit im Vorderfeld einigermaßen mitlaufen. Urlaub würde ich es also nicht gerade nennen, doch es gibt sicherlich noch härtere, herausforderndere Rennen da draußen.

      Ein weiterer Ableger dieses Sports inkludiert eine ganze Palette von Rennen, die so hart und extrem sind, dass jedes davon eine eigene Kategorie darstellen könnte. Diese Rennen umfassen Rennen wie das Spine Race, das etwa 430 Kilometer entlang des Pennine Way im Norden Englands verläuft. Non-stop. Im Jänner. Oder der Badwater 135-Meilen-Lauf (ca. 217 km), dessen Start – mit Renntemperaturen bis zu 54 °C – an einem der heißesten Orte der Erde, dem Death Valley in Kalifornien, liegt. Dann wäre da noch der Barkley Marathon, ein 160-Kilometer-Extremlauf entlang einer unmarkierten Strecke, die durch abgelegene Bergregionen in Tennessee führt – so schwer, dass es in den ersten 25 Jahren nur 10 Teilnehmern gelang, das Rennen überhaupt zu beenden. Oder wie wäre es mit dem längsten Ultra-Lauf der Welt: dem Self Transcendence 3.100-Meilen-Lauf, ein Rundlauf um einen Block des Stadtteils Queens in New York über exakt 4.988 Kilometer.

      Ich suche zwar nach etwas, das mich an meine Grenzen bringt, aber ich bin nicht verrückt. Und ich möchte immer noch laufen können. Man kann 4.900 km nicht nur laufen. Bei Rennen wie dem Barkley Marathon stehen Geist, Wille und Überlebenstechniken im Vordergrund, weniger das Laufen. Natürlich will ich davon auch etwas, doch ich möchte trotzdem noch einigermaßen ein Rennen laufen.

      Noch eine Kategorie in der Welt der Ultra-Läufe, bei der man wirklich laufen kann, sind die meist ebenen Rundkurse über genau abgemessene Distanzen von 100 km, oder Rennen, die über eine bestimmte Zeit gehen, zum Beispiel 24 Stunden. Es gibt Weltmeisterschaften und Weltrekorde für diese Rennen, die dem Marathonlauf wahrscheinlich am ähnlichsten sind.

      Solche Rennen interessieren mich, doch genauso wie Berglaufen sind sie nicht der Grund für den phänomenalen Aufstieg des Ultra-Laufs. Die Starterzahlen dieser Veranstaltungen haben sich gegenüber ihrer Glanzzeit in den 1870er Jahren oder seit den 1950ern und 1980ern kaum geändert.

      Ein interessantes Detail am Rande ist, dass sich diese Ultra-Rundläufe, die heute unter den am wenigsten glamourösen und am wenigsten bekannten Ultra-Laufdisziplinen sind, einst zu den größten Sportevents der Welt zählten.

      Es mag uns heute eher seltsam vorkommen, doch im 19. Jahrhundert war Laufen ein unglaublich populärer Sport, der riesige Mengen an Zusehern anzog, die die Wettkämpfer bei Sechstagerennen auf den engen Hallenlaufbahnen in London oder dem Madison Square Garden in New York anfeuerten. Die Sieger konnten hochdotierte Preise im Wert von bis zu mehreren hunderttausend Euro mit nach Hause nehmen, während sich die Reichen und Schönen der damaligen Zeit unter den Pöbel mischten, der kam, um sich zu betrinken, zu wetten und Spaß zu haben.

      Die Popularität des Sports war teilweise auch dem Amerikaner Edward Payson Weston geschuldet. Alles begann im Jahre 1861, als Weston aufgrund einer verlorenen Wette 725 Kilometer zu Fuß von Bosten bis nach Washington innerhalb von 10 Tagen zurücklegte, damit er dem Amtsantritt von Präsident Abraham Lincoln beiwohnen konnte.

      Als die Kunde dieser Ausdauerleistung bekannt wurde, weckte das die Neugier der Menschen, die entlang der Strecke lebten, und sie strömten in Massen herbei und säumten die Straßen, nur um zu sehen, wie Weston durch ihren Ort marschierte.

      Motiviert von dieser Reaktion begann er während der folgenden Jahre immer herausforderndere Strecken zurückzulegen. Dazu schien er auch ein richtiger Showman zu sein – manchmal blies er sogar auf einem Horn, während er ging, oder marschierte rückwärts, um seine Zuseher zu unterhalten. In den 1870er Jahren war Westons Ruhm als Langstreckengeher so weit angewachsen, dass er an einem Punkt angelangt war, an dem er entschied, Geld damit zu verdienen, indem er seine Darbietung nach innen verlegte, wo er Eintritt von den Leuten verlangen konnte. Damit legte er den Grundstein für einen Begeisterungssturm für Sechstagerennen – die längste Zeit, die man gehen oder laufen konnte, ohne dabei gegen das Gebot des heiligen Sabbats zu verstoßen. Über die folgenden Jahre hielt er eine Reihe spannender und sehr beliebter Head-to-Head-Rennen mit Daniel O’Leary, einem Amerikaner irischer Abstammung, ab.

      Die Zeit der Sechstagerennen erreichte 1878 ihren Höhepunkt, als sich der britische Adelige Sir John Astley dazu entschloss, fünf internationale Rennen zu sponsern, bei denen es ein äußerst lukratives Preisgeld und einen Meisterschaftsgürtel in Gold und Silber mit der Inschrift Long Distance Champion of the World, also Langstreckenweltmeister, zu gewinnen gab.

      Aufzeichnungen früherer Inkarnationen des Pedestriantismus, wie der Sport damals bezeichnet wurde, reichen bis ins frühe 18. Jahrhundert zurück. Während diese Rennen, die oft über Distanzen von 1.600 Kilometer reichten, ebenso große Mengen an Zusehern hatten, waren sie jedoch ein Wettgehen, bei denen es Regeln ähnlich dem heutigen Wettkampfgehen gab, etwa wie der Fuß aufzusetzen sei. Ganz im Gegensatz zu den Sechstagerennen der 1870er, die ähnlich dem modernen Ultra-Lauf waren und als „Go-as-you-please“-Rennen (Mach-was-du-willst-) bekannt wurden, in denen die Wettkämpfer gehen, laufen oder rasten konnten, wann sie wollten.

      Die Rennen um den Astley-Belt-Meistergürtel von Sir John Astley wuchsen zu den größten СКАЧАТЬ