Linguistische Stil- und Textanalyse. Lars Bülow
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Название: Linguistische Stil- und Textanalyse

Автор: Lars Bülow

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: narr studienbücher

isbn: 9783823300250

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СКАЧАТЬ In Bezug auf die Form der Informationsvermittlung sind Bilder gegenüber sprachlichen Anzeigenelementen prinzipiell weniger eingeschränkt, sie sind vielfach nicht klar abgrenzbar und enthalten zahlreiche Interpretationsmöglichkeiten. Deshalb haben die sprachlichen Elemente innerhalb von Text-Bild-Zusammenhängen oft die Funktion, die Interpretation einzuschränken bzw. sie in eine vom Produzenten intendierte Richtung zu lenken.

      Beispielanalyse

      Anhand dieser – hier nur grob skizzierten – Beschreibungskriterien lassen sich nun einzelne Vertreter der Textsorte ‚Werbeanzeige‘ im Hinblick auf die Ebene der Textgliederung beschreiben. Dies soll exemplarisch an der Printanzeige „Audi“ (vgl. Abb. 5) gezeigt werden:

      Die einseitige Printwerbung ist in vier ungleich große Felder unterteilt, deren farbliche und typographische Gestaltung die inhaltliche Zusammengehörigkeit des linken oberen Viertels mit dem rechten unteren Viertel signalisiert. Verstärkt durch den Doppelpfeil wird eine semantische Beziehung zwischen der abgewandelten Form des Produktnamens Audi ultra (für Audi TTRS) und der Wortneubildung Leichtgeschwindigkeit nahe gelegt. Funktionell sind die Textteile als Schlagzeile zu interpretieren, das Textelement Die Zukunft automobilen Leichtbaus entsprechend als Subheadline. Durch die Zusammensetzung der beiden Textteile zur Aussage Audi ultra >> Leichtgeschwindigkeit entsteht zugleich ein bestimmter Typ des strukturell determinierten stilistischen Handlungsmusters (vgl. Kap. 3.3.3). Die Verwendung solcher stilistischer Muster gilt wiederum als typisches Textsortenmerkmal von Werbeanzeigen (vgl. Kap. 4.3.5) und ist dabei vor allem an syntaktisch reduzierte Textsortenelemente wie Schlagzeile oder Slogan gebunden, die die zweigliedrige Minimalstruktur des deutschen Satzes (Subjekt und Prädikat) in der Regel unterschreiten. Typisch für Slogan- und Schlagzeilenelemente ist darüber hinaus ihre Extrastellung, die erheblich zur Figurierung und Stilisierung beiträgt. Im Beispieltext nimmt das Sloganelement Audi Vorsprung durch Technik gemeinsam mit dem Firmenlogo eine Einzelposition im oberen rechten Anzeigenviertel ein. Der Fließtext findet sich demgegenüber am linken unteren Ende und weist deutliche Gliederungsmerkmale wie Absätze, Fettdruck oder Schriftartwechsel auf, die eine drei- bis vierfache Unterteilung bewirken.

      Abb. 5:

      Werbeanzeige (Audi TTRS3)

      Formal stellt die Überschrift Der Audi TTRS mit 4,5 kg/PS Leistungsgewicht dabei erneut ein strukturell determiniertes stilistisches Muster dar, das inhaltlich als Verdichtung von Informationen des darauf folgenden kohärenten Haupttextes zu deuten ist. Inwiefern die Internetadresse www.audi.de/vorsprung-durch-technik (letzter Zugriff: August 2016) als separates Teilelement des Fließtextes zu verstehen ist, bleibt offen: dafür sprechen Fettdruck und fehlendes Satzschlusszeichen, dagegen die syntaktische Integration in die vorhergehende Äußerung. Getrennt durch einen Absatz schließt sich ein weiterer kurzer Textabschnitt an, in dem stichpunktartig zwei technische Angaben genannt werden.

      Als zentrales Bildelement ist die Abbildung des beworbenen Produktes (das Schlüsselbild) im rechten unteren Anzeigenviertel anzusehen, das als Referenzobjekt zum Anzeigentext eindeutig identifizierbar ist. Außerdem bildet eine Abbildung den Hintergrund des oberen linken Viertels. Dieses Focus-Visual dient zur Erklärung des produktspezifischen Zusatznutzens (Audi Space Frame-Bauweise), indem es durch Visualisierung das Verständnis der sprachlich beschriebenen Produkteigenschaften erleichtern soll.

      Die Analyse macht deutlich, dass sich die Printanzeige „Audi“ anhand der oben genannten Kriterien, die Eckdaten für die Gestaltung der wenig standardisierten Textsorte ‚Werbeanzeige‘ angeben, bezüglich der Ebene der Textgliederung gut beschreiben lässt:

      Als Außengrenzen, die die textuelle Obereinheit festlegen, sind die Ränder der Zeitschriftenseite zu betrachten. Auch wenn diese nur teilweise mit den materiellen Grenzen des Zeichenträgers (ADAC Motorwelt 11/2011) übereinstimmen, so gelten doch eine oder zwei Seiten umfassende Printanzeigen als sinnlich stark wahrnehmbar – zumal es sich um eine typische Technik der Textsammlung (Zeitschrift) handelt, die vielfach selbige integriert. Die Textgliederung der Printanzeige weicht deutlich von anderen, vor allem den in Zeitschriften üblichen journalistischen Darstellungsformen ab, woraus wiederum deutliche Abgrenzungs- und Ganzheitshinweise4 resultieren.

      In Bezug auf bestimmte Gliederungshinweise, die die außersprachliche Gestaltung betreffen, sind hauptsächlich die typographischen Besonderheiten des Layouts zu nennen. Musterhinweise ergeben sich hingegen durch das Vorhandensein der typischen Textelemente sowie der Musterhaftigkeit des textuellen Gewebes. So kommen ebenso wie zentrale Bildelemente alle drei funktionalen Textelemente (Schlagzeile, Fließtext und Slogan) im untersuchten Textsortenexemplar vor. Die Schlagzeile ist zweiteilig gegliedert, wobei der erste Teil, der den Produktnamen enthält, zusammen mit der Subheadline abgebildet ist, während der zweite Teil auf den produktspezifischen Zusatznutzen verweist und eine Einheit mit dem Schlüsselbild herstellt. Die Spaltung der Schlagzeile wirkt ebenso wie die Vierteiligkeit des Anzeigenhintergrundes einer stereotypen Gestaltung des Werbemittels entgegen.

      Den Musterhinweisen können auch die verwendeten stilistischen Handlungsmuster zugeordnet werden, die hier in allen drei funktionalen Textelementen vorkommen und damit sowohl zur Stilisierung des Textes beitragen, als auch die Möglichkeit implizieren, von üblichen Formen des expliziten Bewertens abzuweichen.

      Alles in allem ergibt sich daraus, dass das analysierte Textsortenexemplar als repräsentativer Vertreter der Textsorte ‚Werbeanzeige‘ angesehen werden kann, weil es einerseits der Erwartungsnorm entspricht, andererseits deutlich als Ergebnis einer individuellen Lösung der Kommunikationsaufgabe interpretiert werden kann.

      Auch wenn die Problematik der Gliederung von Texteinheiten innerhalb von weniger standardisierten Textsorten hier am Beispiel ‚Werbeanzeige‘ diskutiert wird, scheint in diesem Zusammenhang erstens der Hinweis wichtig, dass es längst nicht für alle Textsorten vergleichbare Beschreibungskriterien gibt. Für den weitaus größeren Teil der in der Kommunikationsgemeinschaft vorkommenden Textsorten liegen lediglich grobe Beschreibungs- bzw. Klassifikationsvorschläge vor (vgl. Kap. 4.1), die die Ebene der Textgliederung kaum berücksichtigen. Zweitens ist prinzipiell auf die Verschiedenartigkeit von wissenschaftlichen Analyseergebnissen und einer Textsortenkompetenz im Sinne von Sprachbewusstsein hinzuweisen. Denn Textsorten stellen nicht nur das Ergebnis der theoretisch-analytischen Tätigkeit von Linguisten5 dar, die die kommunikative Realität mehr oder weniger detailliert abzubilden versuchen, sondern haben vor allem eine durch vielfältige intuitive Lernprozesse ausgebildete Existenz im Sprachbewusstsein der Kommunikationsteilnehmer. Dies spiegelt sich u.a. in selbständigen Benennungen von Textsorten wider, in denen sich das Alltagswissen der Sprecher über situationsgebundene Differenzierungen von Texten niederschlägt. Dabei ist zu beachten, dass das Sprachbewusstsein – also die Fähigkeit, über Sprache reflektieren zu können, sprachliche Ausdrucksmittel bewusst einzusetzen und zu bewerten – eine graduelle Größe ist. Sie reicht vom Sprachgefühl als dem relativ ungenauen, methodisch nicht kontrollierten Bewusstwerden einzelner Aspekte der Sprachfähigkeit bis zum wissenschaftlich reflektierten Sprachbewusstsein. Auch für den Bereich der Textsorten trifft diese Graduierung zu, wobei das bewusste Reflektieren über Textsorten in hohem Maße von der Lebenserfahrung, der Bildung und den beruflichen Kontexten des Sprechers abhängt. Aus dem Einfluss dieser Parameter ergeben sich unterschiedliche Grade an Textsortenkompetenz, worunter die Fähigkeit verstanden wird, auf der Grundlage eines mehr oder weniger bewussten Wissens über Textsortenqualitäten in der sprachlichen Kommunikation operieren zu können. Ein bestimmtes Maß an Textsortenkompetenz befähigt Sprecher zugleich, aufgrund bestimmter Gliederungs- und Musterhinweise mehr oder weniger intuitiv Einheiten und Hierarchien innerhalb von Texten zu identifizieren. Derartige Einheiten ergeben sich in vielen Texten unmittelbar durch das Druck- oder Schriftbild, sie werden dann z.B. verallgemeinernd als ‚Absatz‘ o.ä. bezeichnet oder textsortenspezifisch СКАЧАТЬ