Название: Linguistische Stil- und Textanalyse
Автор: Lars Bülow
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: narr studienbücher
isbn: 9783823300250
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Aus dem Umstand, dass bei der Textproduktion zwangsläufig auf überlieferte Vorgaben, Einheiten und Muster zurückgegriffen wird, resultiert jedoch nicht, dass jeder Text unbedingt ein vorgegebenes Muster realisiert. Denn auch relativ freie Kompositionen, im Sinne von untypischen Kombinationen von Einzelmerkmalen, können dazu geeignet sein, eine Kommunikationsaufgabe optimal/adäquat zu lösen. Ausschlaggebend ist die Frage, wie deutlich eine bestimmte Menge von Texten spezifiziert ist bzw. wie standardisiert eine Textsorte ist. Hinsichtlich einer Textsortenklassifikation (vgl. Kap. 4.3.4) ist demgemäß eine Skala anzunehmen, an deren einem Ende Texte in Formularform1 stehen, am anderen Texte, bei denen die individuelle Aussage- und Gestaltungsabsicht eine zentrale Rolle spielt. Dazwischen befinden sich Textsorten, die mehr oder weniger stark standardisiert sind und insofern als kommunikative Routinen auf der Textebene bezeichnet werden können, als sie einander unter verschiedenen Gesichtspunkten sehr stark ähneln.
Beispiel Geschäftsbrief (Narr Francke Attempto Verlag 2016)
Gliederungs- und Musterhinweise kennzeichnen nicht nur bestimmte (oft hierarchische) Relationen zwischen textuellen Einheiten, sondern können durch ihren Bezug auf ein Textganzes zugleich auch eine thematische Verbindung der gegliederten Textteile bewirken. Im Falle von stärker standardisierten bzw. formalisierten Textsorten wie einem Geschäftsbrief (vgl. Abb. 4) sind Gliederungs- und Musterhinweise wie die Platzierung von Anschrift, Datumsangabe, Betreff, Anrede- und Verabschiedungsformen großenteils normiert und vorgegeben, während bei denjenigen Textsorten, bei denen die individuelle Aussage- und Gestaltungsabsicht des Textproduzenten eine weit größere Rolle spielt, nur noch bestimmte Eckdaten angegeben werden können. Die Ebene der Textgliederung lässt sich deshalb bei diesen zuletzt genannten, wenig standardisierten Textsorten insbesondere anhand der Frage, in welchem Ausmaß ein Text eine Textsorte repräsentiert und wie er mit den entsprechenden Vorgaben umgeht, beschreiben. Dies wird im Folgenden exemplarisch an der Textsorte ‚Werbeanzeige‘ gezeigt, weil Werbeanzeigen die Aufmerksamkeit des Rezipienten erregen sollen und deshalb sehr verschieden gestaltet sind, um jede Stereotypisierung zu vermeiden. Gleichwohl ergeben sich Gemeinsamkeiten vieler ein- bis zweiseitiger Printanzeigen bezüglich der äußeren Gliederung des Textes in mehrere, meistens drei funktionale Textelemente. Im Schema des dreiteilig gegliederten Werbetextes sind dies Schlagzeile, Fließtext und Slogan:
Besonders auffällig sind die unterschiedlichen Erscheinungsformen der Schlagzeile (Headline), die sich nicht zwangsläufig über der Gesamtanzeige befinden muss, sondern auch zwischen Bild und Fließtext, innerhalb des Bildes oder seltener am Anzeigenrand platziert sein kann. Schlagzeilen können auch aus zwei oder mehreren sich ergänzenden Teilen bestehen (Topline und/oder Subheadline) oder einem optisch hervorgehobenen Kurztext. Ein eindeutiges Identifikationsmerkmal der Schlagzeile ist ihre Typographie, denn sie erscheint im Vergleich zu anderen Textelementen fast ausnahmslos in fetteren und größeren Lettern oder ist in Form von Kursiv- und/oder Versal- und/oder Sperrdruck usw. hervorgehoben.
In den meisten Anzeigen findet sich in variierender Position ein Fließtext (Copy), der der differenzierten Produktpositionierung dienen soll, indem er das Thema der Schlagzeile näher ausführt und präzisiert oder das Bildmotiv der Anzeige sprachlich formuliert bzw. mit weiteren Angaben ergänzt. Der Fließtext kann auch ein lediglich graphisches Kommunikationselement der Anzeige sein, das insbesondere bei kurzzeitig betrachteten Anzeigen allein durch die Form eines zusammenhängenden Schriftblocks eine gewisse Glaubwürdigkeit erzeugt. Das heißt, dem Fließtext als kommunizierendem Anzeigenelement können prinzipiell zwei Funktionen zugeordnet werden: eine informatorische, denn dem Leser soll Wissenswertes über das Beworbene mitgeteilt werden, und eine suggestive, die Kompetenz und Glaubwürdigkeit vermittelt und damit zur Übernahme der werblichen Behauptungen führen soll.
Hinsichtlich der Textlänge und der äußerlichen Gestalt variieren Fließtexte sehr. Längere Texte enthalten vielfach Gliederungsmerkmale wie Einzüge, Absätze oder Zwischenüberschriften (Sublines). Letztere sollen dem Rezipienten einen Überblick über die einzelnen Textabschnitte ermöglichen, indem sie deren Inhalt prägnant zusammenfassen. Sie können so vor allem dem wenig involvierten Leser einen komprimierten Eindruck über die im Fließtext enthaltenen Informationen verschaffen. Zu diesem Zweck werden auch häufig einzelne Wörter oder Wortgruppen innerhalb des Textes unterstrichen, fett oder andersfarbig gedruckt, um auch beim flüchtigen Betrachten der Anzeige die Wahrnehmung der wichtigsten Informationen über das Beworbene zu ermöglichen. Weitere Gestaltungsmerkmale bilden Vorlauftexte (sog. Intros), die meistens fett oder halbfett gedruckt sind und sich insofern gegenüber dem Rest des Fließtextes abheben. Sie dienen als Vorspann, mit dem durch Teilinformationen die Aufmerksamkeit der Rezipienten auf das Thema des Gesamttextes gelenkt werden soll. In vielen Anzeigen folgen auf den Fließtext sog. Claims, d.h. kurze Zusammenfassungen, die inhaltlich eng an den jeweiligen Fließtext gebunden sind. Sie treten nicht in anderen Anzeigen auf, die dasselbe Produkt unter verändertem Aspekt bewerben, und sind dadurch von Slogans abzugrenzen.
Der Slogan wird anzeigen-, häufig auch medienübergreifend eingesetzt und als eine Textkonstante verstanden, die unabhängig vom jeweiligen Werbemittel an ein bestimmtes zu Bewerbendes gebunden ist. Er beinhaltet immer den Firmen-, Marken- oder Produktnamen, da es eine seiner wichtigsten Funktionen ist, diesen Namen bekannt zu machen. In der Regel befindet sich der Slogan an einer exponierten Position innerhalb der Printanzeige, vorzugsweise am unteren rechten Ende.
Neben diesen drei zentralen Textelementen haben vor allem Bildmotive eine besondere Bedeutung für die Gliederung von Printanzeigen, denn unabhängig vom Involvement2 des Rezipienten werden Bilder fast immer als erstes und am längsten betrachtet, wodurch dem Bild als Anzeigenelement eine herausragende kommunikative Funktion zukommt.
Die Bildelemente von Werbeanzeigen können nach ihrer Funktion in Key-Visual, Catch-Visual und Focus-Visual unterschieden werden, wobei das erstgenannte „Schlüsselbild“ in der Regel das Beworbene selbst, etwa ein konkretes Produkt, abbildet. Mit dem Begriff ‚Catch-Visual‘ wird der künstlerisch gestaltete Bezugsrahmen bezeichnet, der das Beworbene jeweils situativ umgibt. Das Catch-Visual soll folglich als Blickfang fungieren, indem es den Blick des potentiellen Rezipienten auf sich zieht, um ihn danach auf das Key-Visual zu dirigieren.
Die Bezeichnung ‚Focus-Visual‘ erfasst bestimmte Wiederholungen von Teilen des Bildmotivs, wobei es sich in der Regel um einzeln stehende, kleinere Bildelemente handelt, die die Realität stark abstrahieren und der Erklärung bestimmter Verwendungs- oder Einsatzbedingungen des Beworbenen dienen sollen. Dementsprechend liegt ihre Funktion auch darin, dem Rezipienten das Verständnis bestimmter sprachlich beschriebener Vorgänge durch Abbildungen zu erleichtern.
Hinsichtlich der funktionalen Unterscheidung einzelner Text- und Bildelemente ist zudem zu bemerken, dass Schlagzeilen und Bildelemente normalerweise insofern in ihrer Funktion übereinstimmen, als sie den Rezipienten zum Betrachten der gesamten Anzeige veranlassen sollen. Dabei können sie sich in vielen Fällen kommunikativ ergänzen, indem СКАЧАТЬ