Название: Übersetzungstheorien
Автор: Radegundis Stolze
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: narr studienbücher
isbn: 9783823300878
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4. Die Eins-zu-Teil-EntsprechungEntsprechung
Klassisches Beispiel sind die Farbbezeichnungen verschiedener Sprachen (s. Kap. 2.3), in denen das Farbenspektrum unterschiedlich segmentiert wird. Oft werden auch die sog. charakteristischen, unübersetzbaren Wörter angeführt (dt. Geist, frz. esprit, russ. toská; dt. SinnSinn, Geist, Verstand, Feinsinnigkeit sind Teil-Entsprechungen zu frz. esprit; dt. Sehnsucht, Sorge, Melancholie, Trauer, Niedergeschlagenheit, Langeweile zu russ. toská, und e. mind, intellect, intelligence, thinking faculty, spirit, human spirit zu dt. Geist). Wo die ÜbersetzbarkeitÜbersetzbarkeit an Grenzen stößt, kommen nur noch kommentierende ÜbersetzungsverfahrenÜbersetzungsverfahren in Frage, das sind Fußnoten, Anmerkungen oder Zusätze im Text (vgl. die Darstellung bei KOLLERKoller 1992:229ff).
Wenn aufgrund der Entsprechungstypen auf der languelangues. Sprachsystem-Ebene Übersetzungsschwierigkeiten auf der paroleparoles. Rede, Äußerung-Ebene auftreten, sind bestimmte ÜbersetzungsverfahrenÜbersetzungsverfahren anzuwenden. Sprachliche Ausdrücke haben jedoch nicht nur denotative BedeutungBedeutung, mit ihrem textspezifischen Gebrauch werden auch konnotative Werte vermittelt. Beachtet man den Bereich der „konnotativen ÄquivalenzÄquivalenzs. Entsprechung“, so werden die zuvor unter rein denotativem AspektAspekt besprochenen Typen von Eins-zu-eins-Entsprechungen zu Teil-Entsprechungen.
Die ÜbersetzungswissenschaftÜbersetzungswissenschaft hat die Aufgabe, die konnotativen Dimensionen und Werte in den Einzelsprachen zu charakterisieren, ihre Merkmale und Strukturelemente herauszuarbeiten und diese in Beziehung zu den Konnotationsdimensionen der jeweiligen Zielsprachen zu setzen. Die Herstellung konnotativer ÄquivalenzÄquivalenzs. Entsprechung gehört zu den meist nur annäherungsweise lösbaren Problemen des Übersetzens (KOLLERKoller 1992:241).
Der StilStil eines Textes ergibt sich aus dem spezifischen Vorkommen, der Frequenz, Distribution und Kombination von konnotativ wertigen sprachlichen Einheiten auf Wort-, Syntagma-, Satz- und Abschnittsebene. Die stilistische Übersetzbarkeitsproblematik resultiert daraus, dass sich die Systeme der stilprägenden konnotativen Werte in den verschiedenen Sprachen nicht eins-zu-eins decken. Der ÜbersetzerÜbersetzer soll optimale konnotative Entsprechungen suchen, er kann auch „konnotative Werte, die nicht erhalten werden können, durch kommentierende Verfahren (…) vermitteln“ (1992:242f).
KOLLERKoller charakterisiert übersetzungsrelevante konnotative Dimensionen. So zum Beispiel:
(a) Konnotationen der Sprachschicht (+gehoben, dichterisch, normalsprachlich, +umgangssprachlich, Slang, +vulgär), vgl. sterben ist normalsprachlich-unmarkiert, entschlafen und das Zeitliche segnen gehören der gehobenen Stilschicht an, abkratzen ist salopp-umgangssprachlich, krepieren und verrecken sind vulgär.
(b) Konnotationen sozial bedingten Sprachgebrauchs (+studentensprachlich, +soldatensprachlich, +SpracheSprache der Arbeiterschicht, Sprache des Bildungsbürgertums). KOLLERKoller erwähnt einen Brief Henrik lbsens an seinen ÜbersetzerÜbersetzer, in dem er auf Übersetzungsschwierigkeiten in „Vildanden“ („Die Wildente“) hinweist: „’Die Wildente’ enthält zudem ganz besondere Schwierigkeiten, indem man mit der norwegischen Sprache sehr vertraut sein muß, um verstehen zu können, wie konsequent jede einzelne Person im Stück ihre eigentümliche, individuelle Art hat, sich auszudrücken, wodurch gleichzeitig das Bildungsniveau der betreffenden Person markiert wird. Wenn zum Beispiel Gina spricht, muß man unmittelbar hören können, daß sie nie GrammatikGrammatik gelernt hat und daß sie den unteren Gesellschaftsschichten entstammt. Und so auf je verschiedene Weise für alle anderen Personen auch. Die Aufgabe des Übersetzers ist also keineswegs einfach zu lösen. (Übersetzung von mir, W.K.)“ (1992:243f).
Der Bereich der „textnormativen ÄquivalenzÄquivalenzs. Entsprechung“ bezieht sich dann auf das Feld der Gebrauchsnormen. „Vertragstexte, Gebrauchsanweisungen, Geschäftsbriefe, wissenschaftliche Texte usw. folgen hinsichtlich Auswahl und Verwendungsweise sprachlicher Mittel im syntaktischen und lexikalischen Bereich bestimmten sprachlichen Normen (Stilnormen), deren Einhaltung in der Übersetzung Herstellung textnormativer ÄquivalenzÄquivalenzs. Entsprechung bedeutet“ (1992:247). Die Bedingungen der TextsorteTextsorte steuern dabei die Selektion der sprachlichen Mittel und den TextaufbauTextaufbau. Sprachliche Veränderungen sind hier möglich aufgrund der in der ZS geltenden anderen Textnormen.
Schließlich muss die Übersetzung auf die LeserLesers. Empfänger in der ZS „eingestellt“ werden: dies heißt, „pragmatische ÄquivalenzÄquivalenzs. Entsprechung“ herzustellen. Dabei ist für den AS- und ZS-Text von unterschiedlichen Rezeptionsbedingungen auszugehen, und der ÜbersetzerÜbersetzer muss sich stets fragen, wie weit er in den Text bearbeitend eingreifen kann und soll. Im Hinblick auf die Wissensvoraussetzungen der ZS-LeserLesers. Empfänger besteht sowohl die Gefahr der Leserunterschätzung als auch der -überschätzung. In der Diskussion der Übersetzungsbeispiele wird eine „übersetzerische Tendenz zur Einebnung, zur Normalisierung“ festgestellt (1992:252), wobei kommentierende ÜbersetzungsverfahrenÜbersetzungsverfahren zu den „harmlosen Eingriffen“ gezählt werden.
Die Herstellung „formal-ästhetischer ÄquivalenzÄquivalenzs. Entsprechung“ im ZS-Text bedeutet schließlich „Analogie der Gestaltung“ unter Ausnutzung der in der ZS vorgegebenen Gestaltungsmöglichkeiten. KOLLERKoller definiert:
Aufgabe der ÜbersetzungswissenschaftÜbersetzungswissenschaft ist es, die Möglichkeiten formal-ästhetischer ÄquivalenzÄquivalenzs. Entsprechung im Blick auf Kategorien wie Reim, Versformen, Rhythmus, besondere stilistische (auch individualstilistische und werkspezifische) Ausdrucksformen in SyntaxSyntax und LexikLexik, Sprachspiel, Metaphorik etc. zu analysieren. (…) (Solche Formen) finden sich selbstverständlich nicht nur in literarischen Texten; treten sie in nicht-literarischen Texten auf, haben sie dort in der Regel einen anderen Stellenwert. Formal-ästhetische Qualitäten sind konstitutiv für literarische Texte, d.h., ein literarischer Textliterarischer Text, der dieser Qualitäten verlustig geht, verliert seine Literarizität. Das gilt in der Regel nicht für Sachtexte, die auch in „ent-ästhetisierter“ FormForm ihre Sachtextfunktion(en) erfüllen können (1992:253).
Ausführlich wird auf die besonderen Probleme im Zusammenhang mit der Übersetzung von Metaphern und Sprachspielen eingegangen. KOLLERKoller verweist auf statistische Untersuchungen, nach denen in zwei Dritteln der Fälle Metaphern des Originals mit Metaphern übersetzt wurden. Dabei wird eine „okkasionelle MetapherMetapher“ manchmal auch durch eine konventionelle Metapher übertragen oder durch Einfügung einer Metapher an anderer Stelle kompensiert. KOLLER zieht daraus den Schluss, dass „im Durchschnitt nur die Hälfte der okkasionellen Originalmetaphern als okkasionelle, d.h. stilistisch wirksame Metaphern übersetzt sind“ (1992:256), was die verbreitete Behauptung bestätigt, Übersetzungen seien „flacher“ als die Originale. Weil Sprachspiele meistens auch Spiele mit ästhetischen und thematischen Bedeutungen sind, ist hier die Möglichkeit kompensatorischer Verfahren begrenzt, und meist sind sie auch kaum übersetzbar. Zusammenfassend wird festgestellt:
Der ÜbersetzerÜbersetzer (…) hat bei jedem Text als Ganzem wie auch bei Textsegmenten die Aufgabe, eine Hierarchie der in der Übersetzung zu erhaltenden Werte aufzustellen, aufgrund deren er eine Hierarchie der Äquivalenzforderungen bezüglich des betreffenden Textes bzw. des betreffenden Textsegmentes ableiten kann“ (KOLLERKoller 1979:191; 1992:266).
Diese Hierarchie bezieht sich auch auf das einzelne Textsegment, und KOLLERKoller lehnt, ganz anders als noch NIDANida, die Kompensation eines Wertes an anderer Stelle im Text ausdrücklich ab (1992:263). Implizit СКАЧАТЬ