Название: Übersetzungstheorien
Автор: Radegundis Stolze
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: narr studienbücher
isbn: 9783823300878
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In diesem Fall habe er die „semantische Übersetzung“ zu wählen, die mit ihrem „exact contextual meaning of the original“ (NEWMARK 1988:39) eher treu ist. Bei weniger wichtigen Texten könne auch eine „kommunikative Übersetzung“ gewählt werden, die sich stärker am Leser orientiert und auf diesen eine möglichst ähnliche Wirkung wie bei Lesern des Originals ausüben soll.
So sammelt NEWMARKNewmark alle möglichen Einzelaspekte des Übersetzens, von denen er meint, sie könnten eine Regel bilden. Er sagt: „There are as many types of translations as there are texts“ (1988:192). Der Titel eines Aufsatzes lautet denn auch: „Twenty-three Restricted Rules of TranslationTranslation“ 6Newmark.
Eine „Regel“ sei hier genannt:
7. It is the hallmark of a good translation to use resources of lexis and grammar (e.g. English verb-nouns, German Flickwörter like auch, halt, eben, mal) which are not available in the source language, and it is the mark of specious, inaccurate translation to use them where they are unnecessary. A bad translator will do anything to avoid translating word for word; a good translator only abandons a literal version when it is plainly inexact. The unit of translation cannot be generally determined, but it is always the smallest segment of the original which provides an acceptable equivalent to a segment of the target language text.
Solche Beobachtungen sind zwar nicht falsch, doch als Vorschriften enthalten sie einen Zirkelschluss, wenn als Regel ableitbar ist:
Verwende möglichst häufig Flickwörter, aber nur da, wo sie notwendig sind. Wann sind sie notwendig? Wenn durch ihre Verwendung eine gute Übersetzung entsteht.
Übersetze so wörtlichwörtlich wie möglich und so frei wie nötig. Woran erkenne ich, wann ich frei übersetzen muss? Wenn eine wörtliche Übersetzung zu einer schlechten Übersetzung führen würde.
Vielleicht hat NEWMARKNewmark seine 23 Regeln selbst als etwas unbefriedigend empfunden, denn er zog den Schluss, dass wir eben noch viel mehr Regeln brauchen. Und so schrieb er noch einen Aufsatz mit dem Titel: „Sixty Further Propositions on TranslationTranslation“7Newmark.
Daraus eine weitere „Regel“:
42. TranslationTranslation balancing-act – On the one hand, the translator should not use a synonym where a translation will do, in particular, where the translation is a ‘transparently’ faithful cognate or the standard dictionary equivalent and has no special connotations. On the other hand, he should not translate one-to-one where one-to-two or -three would do better, nor, reproduce a SL syntactic structure where he can recast the sentence more neatly. The above is the translator’s basic tightrope, balancing pole.
Damit haben wir schon 83 Regeln, deren Anzahl gewiss beliebig zu verlängern wäre. NEWMARKNewmark versteht unter „translation theory“ eine anwendungsorientierte Beschreibung praktischer Probleme. Es ist typisch für die zahlreichen Schriften NEWMARKS, dass sie recht unsystematisch immer wieder neue Ideen bringen. Ob allerdings Übersetzerstudenten mit dieser Einzelfalldiskussion des Sowohl-als-auch ein übergreifendes BewusstseinBewusstsein vom ÜbersetzungsprozessÜbersetzungsprozess gewinnen, bleibt fraglich.
5.4 Fehleranalyse und Übersetzungsdidaktik (TruffautTruffaut, FriederichFriederich, Gallagher, HenschelmannHenschelmann)
Die Stylistique comparée (s. Kap. 5.1) gehört in den Rahmen der allgemeineren Disziplin der Kontrastiven Linguistik (KL), die schon in den 1940er Jahren in den USA entstanden ist. Sie befasst sich mit dem vergleichenden Studium zweier Sprachen auf der Systemebene, gewöhnlich der Muttersprache und einer zu erlernenden Fremdsprache.1Vinay/Darbelnet Ihr ursprüngliches Ziel war es, die negativen und positiven Einflüsse abzustecken, welche die strukturellen Unterschiede bzw. Ähnlichkeiten der Kontrastsprachen auf das Erlernen der betreffenden Fremdsprache ausüben. Hierzu bedient man sich der Kontrastiven Analyse (KA) als synchron vergleichender Forschungsmethode zur Untersuchung von Phonetik, Grammatik und Lexik der betreffenden Sprachen. Dabei werden Unterschiede und Gemeinsamkeiten im Sprachenpaar herausgearbeitet. Auf dieser Basis wurden Fehlerprognosen in Bezug auf die Lernschwierigkeiten, -probleme und -fehler, mit denen Sprecher der Sprache A beim Erlernen der Sprache B konfrontiert sind, aufgestellt.
Die anfängliche Euphorie in der Hoffnung auf eine Verbesserung des Fremdsprachenunterrichts schlug in den 1970ern in Enttäuschung um, als deutlich wurde, dass sich im praktischen Fremdsprachenunterricht die Postulate nicht bestätigen ließen. Das Interesse verlagerte sich nun stärker auf theoretische Modelle des Sprachvergleichs, über die keine abschließende Einigkeit erzielt wurde.
„Transfer“ und „Interferenz“ sind zwei grundlegende Begriffe der KL, welche aus der traditionellen Psychologie unkritisch übernommen wurden, ohne die Entwicklung der modernen Psychologie und der Psycholinguistik in Betracht zu ziehen. Die KL interpretierte diese Begriffe deshalb einseitig und unidirektional, im Sinne der unumgänglichen Beeinflussung durch die Muttersprache des Lerners. Auch die statische Auffassung vom Spracherwerb erwies sich als eine künstliche Theorie, welche den tatsächlich dynamischen Lernprozess nicht beachtet.
Stärker praxisorientiert ist die „Fehlerkunde“. Sie entstand aus der Notwendigkeit heraus, die Aussagen und Hypothesen der KL, die sich in der Praxis des Fremdsprachenunterrichts nicht bestätigen ließen, zu ergänzen und zu verifizieren. Im engeren Sinne handelt es sich um eine Disziplin, die sich mit dem Studium der systematischen Fehler beschäftigt, die während des Fremdsprachenlernens auftreten. Der unmittelbare Forschungsgegenstand der Fehlerkunde ist somit der „Fehler“ auf allen Sprachebenen und in allen Lernstadien. In einem weiteren Sinne befasst sie sich mit allen Arten sprachlicher Abweichungen von der Norm.
Die empirische Untersuchungsmethode ist die der Fehleranalyse (FA) mit dem Ziel der Beschreibung, Erklärung und Wertung sprachlicher Fehlleistungen im Fremdsprachenunterricht. Dies erfolgt über die Erstellung eines Fehlerkorpus, Identifizierung und Erklärung der Fehlerquellen durch grammatische Klassifikation der Fehler und Fehlerstatistik mit Bewertung von deren kommunikativer Tragweite. Es ergibt sich eine Fehlerprognose mit dem Ziel der Fehlertherapie und -prophylaxe im Unterricht. Eine zuverlässige Fehleridentifikation setzt allerdings die Sprachbeherrschung eines educated native speaker voraus. Fremdsprachenlehrer, deren zielsprachliche Kompetenz Lücken aufweist, sind nicht in der Lage, alle sprachlichen Fehler der Schüler zu erfassen. Auch die Klassifizierung der Fehler ist nicht unproblematisch.2
Da eine eigenständige Übersetzungsdidaktik erst allmählich aus dem schulischen Fremdsprachenunterricht mit seinen sprachvergleichenden Übersetzungsübungen herausgewachsen ist, wurde hier die Terminologie aus KL und FA unkritisch übernommen und auch mit der Stylistique comparée vermischt. So wurden die Kategorien der kontrastiven Linguistik zur Basis der didaktisch ausgerichteten sprachenpaarbezogenen ÜbersetzungswissenschaftÜbersetzungswissenschaft, indem daraus „eine übersetzungsunterrichtlich nutzbare Technik des Übersetzens abzuleiten“ war (WILSSWilss 1977:117). VINAYVinay/Darbelnet/DARBELNET (1958:24f) hatten selbst schon eine Anwendung ihrer Methode bei der „traduction scolaire“ vorgeschlagen. Zahlreiche Lehrbücher zum ÜbersetzenÜbersetzen berufen sich auch ausdrücklich auf die Stylistique comparéeStylistique comparée.