Название: Mehrsprachige Leseförderung: Grundlagen und Konzepte
Автор: Группа авторов
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: narr studienbücher
isbn: 9783823301103
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So argumentiert u.a. Wolfgang Butzkamm (2012), dass eine ausschließlich einsprachige Unterrichtsführung gerade Sprachlernanfänger/innen nicht nur darin hindere, eine Fremdsprache möglichst schnell und ohne Umwege zu lernen (ebd.: 122), schlichtweg, weil sie ohne den Einsatz der Muttersprache nur wenig verstünden, sondern, dass das Ausklammern anderer Sprachen die Lernenden darüber hinaus auch später in ihrer Spontaneität und Kreativität hemme, weil sie stets nur das Vokabular verwenden können, das sie bereits kennen. Damit, so Butzkamm, wirke der einsprachige Unterricht der Befriedigung des Kommunikationsbedürfnisses der Lernenden deutlich entgegen. Ebenfalls verlaufe Butzkamm zufolge die (spontane) Kommunikation in Klassenräumen, in denen die Lehrkraft auf Einsprachigkeit bestehe, deutlich oberflächlicher (wenn sie überhaupt zustande kommt) als in einem mehrsprachig gestalteten Unterricht (ebd.: 123ff.).
Darüber hinaus erklärt Butzkamm, dass allein durch den direkten Vergleich der Fremdsprache mit anderen Sprachen negative Interferenzen vermieden, sowie positiver Transfer ermöglicht werden könnte (ebd.: 121f. und 128). Für Butzkamm ist die Mitwirkung der Erst- bzw. Zweitsprache der Lernenden deshalb „[…] nicht nur unvermeidlich, sondern notwendig“ (Butzkamm 2012: 122).
Doch nicht nur Wolfgang Butzkamm spricht sich für den Einbezug anderer Sprachen im Fremdsprachenunterricht aus. Auch die KMK selbst empfiehlt die Einbringung anderer Sprachen im Fremdsprachenunterricht, allerdings weniger im Sinne einer unterstützenden „Helferspache“ als als Mittel zur Förderung von Sprach(lern)bewusstheit:
Der Unterricht in der ersten Fremdsprache stellt den Erwerb der angestrebten Kompetenzen [Anm. DE: kommunikative, interkulturelle und methodische Kompetenzen] fachlich und pädagogisch dadurch sicher, dass (…) Bezüge zwischen den von den Schülerinnen und Schülern erlernten Sprachen hergestellt werden und sie durch entsprechende Methoden und Einsichten ihre Fähigkeit zu lebenslangem, selbständigem Sprachenlernen weiter entwickeln, (…). (KMK 2003: 7f.)
Weitere Überlegungen dazu, wie die bereits vorhandenen Sprachen der Schüler/innen gewinnbringend im Fremdsprachenunterricht genutzt werden können, werden seit mehreren Jahren von verschiedenen Fremdsprachendidaktiker/innen angestellt – insbesondere jenen, die sich mit der Didaktik einer zweiten schulischen Fremdsprache befassen (vgl. zusammenfassend Krumm/Reich 2016). Aber auch diejenigen, die sich mit der Didaktik des Unterrichts in der ersten Fremdsprache beschäftigen, stellen in jüngster Zeit zunehmend Überlegungen an, wie im Fremdsprachenunterricht sinnvoll und effektiv mit mehreren Sprachen gearbeitet werden kann (zusammenfassend Blell/Doff 2014).
So stellen z.B. Grünewald und Sass (2014) Überlegungen dazu an, wie man Englisch und Spanisch miteinander vernetzen kann. Die Autoren zeigen u.a. konkrete Beispiele, wie im Spanisch- oder Englischunterricht zweisprachige Songs, Videoclips, Spielfilme oder Jugendromane eingesetzt werden können, um beide Sprachen zu fördern. Leitzke-Ungerer entwirft mehrsprachige Aufgabenformate zur vernetzten Förderung sprachlicher Kompetenzen im Französischen und Englischen. Mehlhorn (2014) gibt Beispiele für die Erschließung unbekannter Texte mithilfe sprachfamilienübergreifender Interkomprehension im Russischunterricht. Kutzelmann/Massler/Peter/Götz/Ilg (2017) veranschaulichen wie man die Lese- und Sprechkompetenzen in vielen Sprachen gleichzeitig im Rahmen des Mehrsprachigen Lesetheaters fördern kann, und Elsner (2014: 2015) zeigt, wie man mehrsprachige Lesetexte für den Computer im Englischunterricht einsetzen kann.
Bei diesen und anderen Unterrichtsvorschlägen für den mehrsprachigen Fremdsprachenunterricht werden zwei Dinge deutlich: Erstens eignen sich alle sprachvernetzenden Übungen und Aufgaben grundsätzlich dazu eine oder mehrere Aspekte der drei Kernkompetenzbereiche (kommunikative, interkulturelle, methodische Kompetenz) des fremdsprachlichen Unterrichts zu unterstützen. Dies bedeutet, dass mehrsprachige Unterrichtsansätze zwar mit mehreren Sprachen arbeiten, dabei aber niemals die Kernziele des Fremdsprachenunterrichts aus dem Blick geraten. Zweitens ist allen Unterrichtsideen gemein, dass die Arbeit mit Texten in verschiedenen Sprachen im Zentrum steht, seien diese mündliche oder schriftliche Texte, kurz oder lang, visuell, audio-visuell oder rein auditiv zu entschlüsseln.
Dies ist wenig überraschend, denn Texte bilden erstens den Auslöser bzw. Motivator jeglicher fremdsprachlichen Kommunikation im Unterricht, zweitens können sie als mündliches oder schriftliches Produkt der Lernenden deren Entwicklung in der/den Fremdsprache/n sichtbar machen und drittens liefern Texte sprachlichen Input, welcher zur Weiterentwicklung in mehreren Sprachen dienlich sein und das Verständnis in der Zielfremdsprache unterstützen kann.
Im Folgenden sollen systemtatische Überlegungen angestellt werden, wie mehrsprachige Texte methodisch für den Fremdsprachenunterricht aufbereitet werden können. Desweiteren soll gezeigt werden, welche Effekte der Einsatz solcher Texte in Bezug auf die Entwicklung fremdsprachlicher Kompetenzen, insbesondere der Lesekompetenz, haben kann.
3. Mehrsprachige Texte im Fremdsprachenunterricht
Wenn von mehrsprachigen Texten die Rede ist, so lassen sich vier unterschiedliche Formate finden.
Mehrsprachige Texttypen
Bei Texttyp 1 bezieht sich Mehrsprachigkeit darauf, dass der Text zunächst in einer Sprache verfasst und anschließend in andere Sprachen übersetzt wurde. Dieser Texttyp tritt in zwei Varianten auf.
Bei Variante A liegen die verschiedenen Sprachausgaben als einzelne Produkte, Bildergeschichten, Aufsätze, Bücher, Filme, Informationstexte, Handbucheinträge etc. in verschiedenen Sprachausgaben vor und können als ganze Texte nacheinander oder abschnittsweise wechselweise gelesen, angesehen, angehört werden. Diese Texte können in Papierform oder in elektronischer Form vorliegen (z.B. My First Stories, Oldenbourg Verlag, Schülerenzyklopädie Britannica etc.).
Bei Variante B des Texttyps 1 liegt der Text in mindestens zwei Sprachen vor, welche im Produkt parallel sichtbar sind. Kleinere Textabschnitte sind hier z.B. auf einer Seite (digital oder Papierform) sicht- oder hörbar. Dies ist z.B. bei zwei oder mehrsprachigen Bilderbüchern der Fall (z.B. die Bücher der Edition bi:libri) oder bei Filmen mit Untertiteln, in denen sich die gesprochene Sprache und die Sprache des Untertitels unterscheiden. Auch zweisprachige Wörterbücher (auch Bildwörterbücher) zählen zu diesem Texttyp.
Texttyp 2 umfasst ebenfalls mehrere (mindestens zwei) Sprachen. Anders als bei Texttyp 1 werden die Sprachen jedoch hier jeweils auf der intersententalen oder der intrasententalen Ebene gewechselt (Version A). Diese Texte sind somit schriftliche Ausgaben des Phänomens Code-Switching und nutzen den Wechsel von Sprachen als Stilmittel. Ein gutes Beispiel hierfür sind z.B. das digitale Lernspiel MelangE (www.melang-e.eu), das Mehrsprachige Lesetheater von Kutzelmann/Massler/Peter/Götz/Ilg. (2017) oder mehrsprachige Gedichte und Romane (vgl. hierzu Elsner 2012).
Auch in Version B des Texttyps 2 werden die Sprachen innerhalb eines Textes gewechselt, allerdings geschieht dies nicht auf der Satz- oder Wortebene, sondern jeweils nach längeren Textabschnitten (z.B. das Mehrsprachige Vorlesen durch die Lehrperson von Hilbe/Kutzelmann/Massler/Peter (2017a).
Überlegungen zur praktischen Anwendung mehrsprachiger Texte im Unterricht
Für Lehrkräfte stellt sich die Frage, wie und mit welchem Ziel die verschiedenen Textversionen im Unterricht eingesetzt werden können. Die folgende Systematik, welche sich an den Kompetenzfeldern des Fremdsprachenunterrichts orientiert, СКАЧАТЬ