Название: Mehrsprachige Leseförderung: Grundlagen und Konzepte
Автор: Группа авторов
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: narr studienbücher
isbn: 9783823301103
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Ein weiterer Bereich des Profits durch Lautlesetandems könnte die Einübung in schriftsprachliche Satzkonstruktionen sein. Wenn genuin literale Satzformen mehrfach gelesen werden, könnte das Verstehen und der Gebrauch von deutschen schriftsprachlichen Satzmustern gewissermaßen über das "Einschleifen" syntaktischer Regeln erworben werden. Auch hier gilt: Das ist überaus sinnvoll für Schüler/innen mit nicht ausreichend entwickelten sprachlichen Fähigkeiten – die es unter den mehrsprachigen wie unter den einsprachigen "Risikokindern" gibt.
Zu Vielleseverfahren kann vermutet werden, dass ihre Voraussetzungsfülle an den fehlenden Effekten auf der Prozessseite des Lesens beteiligt ist. Die Vorstellung, dass durch die Involviertheit in die spannende, interessante oder lustige Geschichte die Lesemotivation so angeregt wird, dass Lesehürden im hierarchieniedrigen Bereich überwunden werden, ist nicht ganz unberechtigt – denn viele Kinder werden ja auf diesem Weg zu Leser/innen. Aber es fallen eben auch zu viele aus diesem Königsweg zum habituellen Lesen heraus und werden schnell von den Lesefortschritten der anderen abgehängt, wenn ihre Kompetenzen nicht zum Lesematerial passen. Auch das betrifft die mehrsprachigen nicht anders als die einsprachigen schwachen Leser/innen.
Eigenständiges engagiertes Lesen ist und bleibt das übergeordnete Ziel aller Leseförderung! Das Setting eines Lautleseverfahrens, bei dem portionierte adaptive Texte vorgelegt werden, bei dem die Lesezeit seitens der Lehrkraft eingeteilt und überwacht wird und bei dem ein/e Partner/in die gemeinsame Aufmerksamkeit aufrecht erhält, entfaltet eine stark unterstützende Wirkung, wie gezeigt werden konnte. Es kann aber nur ein früher Schritt auf dem Weg zum eigenständigen Lesen sein. Ohne eine anregende, vielfältige und auch mehrsprachige schulische Lesekultur ist die Aneignung von Lesekompetenz als die Fähigkeit, Lesen für die eigenen Lebensvollzüge zu gebrauchen, für die Schwächeren wohl kaum erreichbar.
Zusammenfassung
In diesem Kapitel wurden Verfahren zum weiterführenden Lesen im Rahmen des Deutschunterrichts fokussiert auf mehrsprachige Schüler/innen vorgestellt. Beschrieben bzw. diskutiert wurden Verfahren, 1. die auf literarisches Lesen bzw. auf extensive Lektüre von Kinder- und Jugendliteratur zielen, 2. die den Erwerb von Textverstehens-Strategien anzielen und 3. die die Entwicklung der Leseflüssigkeit anstreben. Die Wirksamkeit der Verfahren wurde im Blick auf Flüssigkeit und Textverstehen dargestellt. Insgesamt wurde argumentiert, dass eigenständige Lektüre für die leseschwächsten etwa 20 Prozent der Schüler/innen in der Grundschule und Sekundarstufe mit altersangemessenen Texten tendenziell zu voraussetzungsreich ist, um deutliche Wirkungen für das Textverstehen zu entfalten. Das gilt auch für die üblichen Verfahren zur Strategievermittlung. Lautleseverfahren zeigen dagegen gute Erfolge; ob sie über die Flüssigkeitsförderung und das bessere Textverstehen hinaus auch weitere Profite bei Wortschatz und syntaktischen Fähigkeiten für Mehrsprachige bieten und ob spezifische Strategien für Mehrsprachige entwickelt und im Deutschunterricht vermittelt werden könnten, bleiben offene Fragen.
Studienfragen
1 Was ist mit dem Begriff „Sichtwortschatz“ gemeint? Warum soll bei Lautleseverfahren ein Text grundsätzlich mehrfach gelesen werden?
2 Warum vermutet man, dass die Lektüre von Kinderliteratur die Lesemotivation von Kindern steigert?
3 Welche Lesestrategien können spezifisch für Lernende mit nicht deutscher Familiensprache formuliert werden?
[bad img format]Lektüreempfehlungen
Rosebrock, Cornelia/Nix, Daniel (2017): Grundlagen der Lesedidaktik und der systematischen schulischen Leseförderung. 8., überarbeitete und erweiterte Auflage. Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren.
Bertschi-Kaufmann, Andrea (2016): Offene Formen der Leseförderung. In: Bertschi-Kaufmann, Andrea/Graber, Tanja (Hrsg.): Lesekompetenz – Leseleistung – Leseförderung. Grundlagen, Modelle und Materialien. 6. Auflage. Seelze: Klett Kallmeyer, S. 170–182.
Kapitel 2 Mehrsprachige (Lese-)texte aus der Perspektive der Fremdsprachendidaktik
Daniela Elsner
Fragen
1 Das Thema Mehrsprachigkeit im Fremdsprachenunterricht hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Welche Gründe könnte es hierfür geben?
2 Zunehmend werden mehrsprachige Texte im Fremdsprachenunterricht eingesetzt. Welche Formate mehrsprachiger Texte sind Ihnen bekannt? Gelingt Ihnen eine Systematisierung dieser Texttypen?
3 Benennen Sie die drei zentralen Kompetenzbereiche des Fremdsprachenunterrichts. Welchen Mehrwert können mehrsprachige Texte zu deren Förderung Ihrer Meinung nach beitragen?
Abstract
In diesem Kapitel werden die Chancen und Grenzen des Einsatzes mehrsprachiger Texte im Fremdsprachenunterricht diskutiert. Das Kapitel befasst sich zum einen mit der Bedeutung von „Mehrsprachigkeit“ als Bildungsziel und als Bildungsvoraussetzung im Kontext des Fremdsprachenunterrichts, zum anderen werden didaktische Überlegungen zu einem mehrsprachigkeitsorientierten Unterricht angestellt. Sie erfahren, wie und zu welchem Zweck Sie mehrsprachige Texte in einem Fremdsprachenunterricht einsetzen können, der Mehrsprachigkeit als wichtiges Unterrichtsziel anerkennt. Das Kapitel schließt mit einem Einblick in die Ergebnisse verschiedener Untersuchungen zum Potenzial mehrsprachiger Lesetexte im Kontext des gesteuerten Fremdsprachenerwerbs.
Einleitung
Das Thema Mehrsprachigkeit liegt derzeit nicht nur in Elternkreisen stark im Trend. Auch in (fremd-)sprachendidaktischen Wissenschaftsdiskursen hat das Thema Umgang mit und Erziehung zur Mehrsprachigkeit sichtbar an Bedeutung gewonnen. Ein Vergleich des Handbuchs Fremdsprachenunterrichts von 2003 (Bausch/Christ/Krumm) mit dem von 2016 (Burwitz-Melzer/Mehlhorn/Riemer/Bausch/Krumm) zeigt sowohl eine qualitative als auch quantitative Erweiterung des Themas. Während in der älteren Ausgabe das Thema Mehrsprachigkeit lediglich einmal im Rahmen des Kapitels „Erwerbstypen“ abgehandelt wurde (Bausch 2003), wird Mehrsprachigkeit in der jüngsten Ausgabe nicht mehr nur als eine Form des Spracherwerbs diskutiert (Bausch 2016), sondern daneben auch die Frage nach der Integration von Herkunftssprachen im Zweit- und Fremdsprachenunterricht (Hu 2016) gestellt sowie das Potenzial einer gezielten Vernetzung von Sprachen im Rahmen eines Mehrsprachigkeitsunterrichts skizziert (Krumm/Reich 2016).
Ein diachroner Blick in die Marburger Bibliographie „Moderner Fremdsprachenunterricht“ (IFS) der letzten 10 Jahre offenbart schließlich auch eine deutliche Zunahme an Forschungspublikationen, welche sich mit der Frage beschäftigen, wie und warum monolinguale Sprachlernkonzepte überwunden oder zumindest ergänzt werden sollten.
Schließlich kann auch auf internationaler Ebene ein steigendes Interesse am Thema „Umgang mit Mehrsprachigkeit im Kontext des Zweit- und Fremdsprachenunterrichts“ verzeichnet werden, was Stephen May (2013) sowie Jean Conteh und Gabriela Meier (2014) immerhin dazu veranlasste den Multilingual Turn für den Zweit- und Fremdsprachenunterricht zu prophezeien bzw. zu propagieren.
Welche Gründe gibt es für das so offensichtlich steigende Interesse am Thema Mehrsprachigkeit seitens der Fremdsprachendidaktik? Und welche Rolle spielen mehrsprachige Texte in diesem Zusammenhang? Diese Fragen sollen im Folgenden diskutiert und theoretisch und praktisch überlegt werden, wie und ob – aus empirischer Sicht – mehrsprachige Texte einen Beitrag zur Förderung von Mehrsprachigkeit leisten können.
1. Mehrsprachigkeit und Fremdsprachenunterricht: Gründe für die wissenschaftliche СКАЧАТЬ