Mündliches Erzählen als Performance: die Entwicklung narrativer Diskurse im Fremdsprachenunterricht. Gabriele Bergfelder-Boos
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СКАЧАТЬ Textauswahl verhindert eine Fokussierung auf den referenziellen Aspekt von Sprache. Der gesprächstheoretische Ansatz erschließt die phatische, der theatersemiotische die expressive und poetische Funktion von Sprache.

      So unterschiedlich wie die Forschungsschwerpunkte sind auch die Forschungsparadigmen der ausgewählten Texte, denn es werden auch empirische Studien herangezogen, die Impulse für die Erkundung des Potenzials der narrativen Diskursform und ihrer Entwicklung im Sprachunterricht geben (Kap. 2.5).

      Die Textsammlung wird durch den Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen (Europarat 2001, im Folgenden GeR) ergänzt. Dessen Kompetenzbeschreibungen dienen mir zur Situierung der narrativen Diskursform in den Bereichen rezeptiver und produktiver sprachlicher Aktivitäten und pragmatischer Kompetenzen.

      Die Gelenkstelle zur empirischen Forschung übernimmt ein Erzähltext (Gougaud 1999b), der von den Projektteilnehmerinnen und -teilnehmern zur Gestaltung ihrer Erzählperformances genutzt wird. Er wird als prototypischer Erzähltext mithilfe der erarbeiteten Analyseinstrumente zu Beginn des empirischen Teils der Studie vorgestellt (Kap. 9.1) und dient mir im Laufe der theoretischen Arbeit als Instrument der Veranschaulichung und der Orientierung.

      Die Grundlagen der empirischen Forschungsarbeit

      Die Grundlagen der empirischen Forschung bilden halboffizielle Dokumente, die im Rahmen der Projektarbeit und der Weiterbildung entstanden sind, und Daten, die in diesem Rahmen erhoben wurden (s. die Datengewinnung in Kap. 2.3.1). Dazu gehören:

       halboffizielle Dokumente wie die Arbeitsdossiers der Projektteilnehmerinnen und -teilnehmer sowie unterrichtsbezogene Produkte,

       qualitative, diskursive Daten wie die in Projektarbeit entstandenen Erzählstunden und die Stellungnahmen der Akteure der Erzählstunden.

      Diese Dokumente liefern mir Anschauungsmaterial für den werkexternen Gebrauch der narrativen Diskursform im anvisierten Zielfeld.

      2.2.3 Forschungsentscheidungen der empirischen Studie

      Aus den Forschungszielen, dem Kontext der Datenerhebung und den im Folgenden erläuterten Forschungsentscheidungen ergibt sich das qualitative Paradigma der Studie (s. für die Sozialwissenschaften Bortz / Döring 2006: 296ff., Flick / Kardorff von / Steinke 2007b: 13-23, Prengel / Friebertshäuser / Langer 2010: 17-39, für die Fremdsprachenforschung Hu 2001: 12f.; Caspari / Helbig / Schmelter 2007: 499, Grotjahn 2006: 247-270, 2007: 494f., Riemer 2006: 454, Schramm 2016: 52). Da es im empirischen Teil der Studie darum geht, die narrativen Interaktionen der Akteure des Unterrichts in deren Aktionsfeld situationsbezogen zu erforschen und daraus Erkenntnisse über den Gebrauch der Potenziale mündlichen Erzählens als Performance zu gewinnen und da zur Auswertung der Daten interpretative Verfahren angewandt werden sollen, liegt eine Festlegung auf das explorativ-interpretierende Paradigma vor, in dem

      […] das Ziel verfolgt [wird], zu einem Verstehen komplexer Zusammenhänge zu gelangen, wie sie beim Lehren und Lernen von Fremdsprachen entstehen. Dieses Verstehen geschieht mittels einer detaillierten und zugleich umfassenden Beschreibung und Interpretation des entsprechenden Wirklichkeitsbereichs (Exploration). (Caspari /Helbig / Schmelter 2007: 499)

      Die beiden von mir gewählten diskursiven Daten, der Erhebungskontext und die gewählten Untersuchungsperspektiven geben der Studie eine ethnografische Ausrichtung, für die eine wichtige Einschränkung gilt: Die Datensammlung erfolgt nicht „unter hochgradig unkontrollierten Bedingungen“ (Schramm 2016: 51). Andere, für die ethnografische Forschung wesentliche Merkmale treffen jedoch auf meine Studie zu. Im Rekurs auf die von Müller-Hartmann vorgetragenen Prinzipien ethnografischer Forschung für das fremdsprachliche Klassenzimmer lassen sich folgende ethnografische Charakteristika meiner Studie festhalten (Müller-Hartmann 2001)1: die Forschung in natürlichen Settings (Kap. 2.1.1), die aktive Rolle der Beforschten innerhalb des Forschungsprozesses (Kap. 8.1), die Verknüpfung der Außensicht auf den Forschungsgegenstand mit der Innensicht der Akteure (Kap. 10) und eine mehrfache Perspektivierung des Forschungsgegenstandes durch Daten- und Methodentriangulation (Kap. 12.4).

      Einzelfallstudien als Basisdesign der empirischen Studie

      Die Wahl des Basisdesigns ergibt sich aus dem Weiterbildungskontext. Dieser bietet die Möglichkeit, die Unterrichtsprojekte der Teilnehmerinnen und -teilnehmer als Forschungsgrundlage zu wählen. Zwischen den Polen Einzelfall und Vergleichsstudie ist meine Studie in einer Zwischenstufe (Flick 2007a: 254) angesiedelt und „stellt die Verbindung mehrerer Fallanalysen dar, die als solche durchgeführt werden und dann komparativ oder kontrastierend gegenüber gestellt werden.“ (Flick a.a.O.) Dabei wird ein in der Fremdsprachendidaktik angewandtes „engeres Verständnis von Fallstudie zugrunde gelegt: Fallstudie verstanden als eine mehrmethodische Untersuchung unterschiedlicher Konstituenten eines oder mehrerer komplexer Fälle.“ (Caspari 2016b: 69).

      Die Verknüpfung der Einzelfallstudie mit Prinzipien von Aktionsforschung

      Legt man die von der Bildungswissenschaft und seit den 2010er Jahren auch in der Fremdsprachendidaktik vertretene Konzeption von Praxis- und Aktionsforschung2 zugrunde, so sind einige wichtige Charakteristika von Aktionsforschung in den Projekten der Weiterbildungslehrkräfte realisiert (Altrichter/Posch 2007: 15ff., Altrichter / Aichner / Soukup-Altrichter / Welte 2010: 803, Hermes 1997: 5ff., Bergfelder-Boos 2011, Prengel 2010: 785f., Caspari 2016c: 72f.). Dazu gehört vor allem der subjektbezogene Ansatz, denn in diesem Projekt sind Lehrkräfte nicht nur ‚Beforschte‘, sondern werden selbst als Forschende ihres eigenen Unterrichts tätig. Weitere Merkmale von Aktionsforschung sind die innovative, auf die Weiterentwicklung ihrer Praxis ausgerichtete Zielsetzung der Projekte, ferner die prozesshafte Verbindung von Aktion im Unterricht und Reflexion in der Weiterbildung, die Perspektivierung der Forschung durch Einbeziehung unterschiedlicher Sichtweisen sowie die kollegial-kooperativen Arbeitsformen und die Einbettung der Forschung in eine professionelle Gemeinschaft. Ein weiteres Merkmal – eine aus der Praxis sich ergebende Fragestellung – trifft nur bedingt zu, denn die Motivation zur Erkundung des Potenzials mündlichen Erzählens ist zwar eine für die Praxis relevante Fragestellung, sie entstand jedoch außerhalb des Praxisfeldes3. Nur in Ansätzen vorhanden ist der „wissenschaftlich-reflexive Habitus“ (Altrichter / Posch 2007: 337), der sich in einem systematischen methodischen Vorgehen realisieren müsste, das Prengel für die Praxisforschung wie folgt beschreibt:

      Alle systematischen Methoden der Praxisforschung enthalten im Kern zwei Phasen: erstens diagnostizieren sie „was ist“, zweitens entwerfen sie, „wie es weitergeht“. Die vorhandene Perspektive auf den „Fall“ wird analysiert und zum Ausgangspunkt genommen für intendierte und inszenierte Suche nach neuen Perspektiven. (Prengel 2010: 791)

      Für die Lehrkräfte dieser Weiterbildung wird ihre eigene Unterrichtssituation nicht zum ‚Fall‘. Sie führen weder eine selbstständige Datenerhebung wie z.B. eine Befragung der Schülerinnen und Schüler noch eine systematische Datenauswertung auf der Grundlage ausgewiesener methodischer Verfahren durch. Die sehr zeit- und arbeitsaufwändige Projektarbeit sollte machbar, die inhaltlichen und organisatorischen Anforderungen sollten überschaubar sein. Aus den bisher erläuterten Aspekten folgt, dass die Projektarbeit der Lehrkräfte lediglich Elemente von Aktionsforschung enthält. Diese verleihen ihr ein besonderes Profil, das in Abgrenzung vom o. g. wissenschaftlich-reflexiven Habitus als experimentierend-reflektierend charakterisiert werden kann. Anders verhält es sich mit dem Projekt der Forscherin. Für sie stellen die Ergebnisse der Unterrichtsprojekte die Einzelfälle dar, die systematisch, anhand ausgewiesener Forschungsmethoden untersucht werden. Chancen und Herausforderungen dieses Forschungskontextes werden im Zusammenhang mit der Präsentation der Projektarbeit und der Darstellung der Datenerhebung erläutert (Kap. 8.1).

      2.3 СКАЧАТЬ