50 Jahre Frauenstimmrecht. Группа авторов
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу 50 Jahre Frauenstimmrecht - Группа авторов страница 8

Название: 50 Jahre Frauenstimmrecht

Автор: Группа авторов

Издательство: Bookwire

Жанр: Социология

Серия:

isbn: 9783038552185

isbn:

СКАЧАТЬ Ich war damals im Vorstand der Frauenzentrale, und wir Frauen haben es gross gefeiert.

      Haben Sie damit gerechnet, dass das Stimmrecht 1971 durchkommt?

      Mehr gehofft, als damit gerechnet. Mir war klar: Der politische Druck war hoch, und ewig konnten sie es nicht verklemmen. Die Männer machten sich und die Schweiz ja lächerlich. Darum war ich auch sehr froh, als es angenommen wurde – ich wollte nicht, dass sich die Schweiz weiter lächerlich macht. Im Vorfeld der Wahl war ich fast jeden Abend unterwegs, habe Vorträge gehalten, an Diskussionsrunden teilgenommen. Und so wie mir ging es vielen engagierten Frauen. Umso grösser war die Freude, als wir es endlich geschafft hatten.

      Wann haben Sie sich entschieden, sich parteipolitisch zu engagieren?

      Wir sind sehr froh, dass Sie es gemacht haben!

      Danke! Solche Rückmeldungen sind auch heute noch echte Highlights für mich.

      Auf uns haben Sie schon als Kinder bzw. junge Frauen immer sehr «perfekt» gewirkt.

      Ich würde es nicht so ausdrücken. Ich wollte einfach in jeder Beziehung so gut sein, dass niemand sagen kann: Die Frauen können das nicht. Das war mein Ziel und mein Ehrgeiz – und übrigens auch mein erster Gedanke, als ich damals bei der Bundesratswahl nach vorne gegangen bin, um die Wahl anzunehmen. Ich wollte den Frauen den Weg ebnen – womöglich auch in jeder Beziehung.

      Ist das nicht eine grosse Bürde?

      Doch natürlich. Es war eine riesige Bürde und ein grosser Druck. Auch für meinen Mann war das nicht lustig, aber er hat mich immer unterstützt. Als ich das erste Mal in den Nationalrat gewählt wurde, gab er mir zur Feier ein kleines Schächtelchen. Es war ein unscheinbares Ding, nicht schön eingepackt – ich dachte: Gut, dass es kein Schmuck ist. Ich habe es aufgemacht, es lag ein ganz normaler Schlüssel drin. Ich war etwas ratlos und mein Mann sagte: «Weisst du, ich kenne dich gut genug. Du kannst tagelang arbeiten, aber du musst irgendwo zu Hause sein. Darum habe ich dir in Bern eine Wohnung gekauft.» Da dachte ich, jetzt kenne ich diesen Mann schon so lange und immer noch gelingt es ihm, mich zu verblüffen. Ich war wahnsinnig froh. Unter den männlichen Politikern löste es aber oft Unverständnis aus, dass ich eine eigene Wohnung hatte. Lustigerweise wurde ich oft gefragt, was denn mein Mann dazu sagen würde.

      Als Sie im Nationalrat waren, gab es ja auch noch andere Frauen. Wie war Ihr Verhältnis? Hatten Sie ein gutes Netzwerk miteinander?

      Netzwerk klingt zu formell. Aber im Rahmen des Möglichen haben wir uns unterstützt. Weil eben Frauen oft in der Politik andere Prioritäten setzen. Und weil wir eine Minderheit waren, die zusammenhalten musste.

      Sie sind als erste Bundesrätin in einen männlichen Bundesrat gewählt worden. Sie waren die erste Frau im Gemeinderat. Wie waren denn allgemein die Reaktionen der Herren in diesen Gremien auf Sie? Haben Sie sich persönlich gut verstanden?

      Ach, oberflächlich war es «Küsschen, Küsschen». Aber eigentlich haben sie mich als Störfaktor empfunden. Die Kollegen im Bundesrat waren masslos eifersüchtig auf mich, weil ich mehr Medienpräsenz hatte. Das hatte nichts mit meiner Qualität zu tun. Ich war einfach ein Novum. Für die Journalisten war es interessanter zu beschreiben, wenn Frau Kopp mit einem neuen Kleid ankam oder ihre Haare geschnitten hatte, als wenn die ihre Glatzköpfe poliert hatten. (lacht)

      In einem Interview haben Sie einmal erzählt, dass Sie immer froh waren, wenn bei Bundesratssitzungen die Pausen vorbei waren, weil Sie dann wieder inhaltlich arbeiten konnten.

      Die Männer haben in den Pausen über nichts anders als über Fussball geredet, davon habe ich nichts verstanden. Hätten sie wenigstens über Eiskunstlauf gesprochen! (lacht) Man kann sich ja für Sport begeistern, aber ich fand es primitiv, dass man bei einer Bundesratssitzung nicht noch über andere Themen reden konnte als über Fussball. Da bin ich manchmal in den Pausen sogar in mein Arbeitszimmer gegangen und habe in der Zeit weitergearbeitet. Viele Jahre nach meiner Zeit als Bundesrätin habe ich einen Dokumentarfilm über diese Zeit gesehen. Darin haben meine Kollegen nach meiner Wahl gesagt: «Wir werden Frau Kopp rückhaltlos unterstützen». Rückhaltlos! Also ohne Rückhalt. Unmissverständlicher wäre gewesen: Vorbehaltlos.

      Das kann man so verstehen. Die Sprache verrät viel.

      Dazu fällt mir noch etwas ein: Bei der ersten Bundesratssitzung nach meiner Wahl kam die schwierige Frage auf, wie man mich jetzt anreden solle. Damals nannte man die Ehefrauen der Bundesräte «Frau Bundesrat». Da war für mich klar, dass ich nicht so genannt werden wollte. Ich habe nichts gegen diese Frauen, die haben eine wichtige Aufgabe, aber ich hatte eine andere Funktion und ein Amt. Ich sagte also: «Ich will mit Frau Bundesrätin angesprochen werden.» Als ich das meinem Mann erzählt habe, sagte er: «Du weisst, dass ich für Gleichberechtigung bin. Darum nenne ich mich von jetzt an Herr Bundesrätin.» Leider hat sich das in der Öffentlichkeit nicht durchgesetzt. (lacht)

      Und wie war die Zusammenarbeit bei den Themen, die Ihnen immer wichtig waren: Die Gleichberechtigung von Männern und Frauen?

      Auch hier gab es dicke Bretter. Ein Beispiel, bei dem ich mit meinen Forderungen gescheitert bin, ist die Revision der AHV Mitte der 1980er. Ich hatte die Vorlage gründlich durchgeschaut, aber das wichtigste Frauenanliegen war wieder nicht drin, nämlich, dass Betreuungszeiten gutgeschrieben wurden. Ich habe gekämpft wie eine Löwin, aber im Bundesrat wurde es mit allen gegen meine Stimme abgelehnt. Das war das erste Mal, dass ich aufgestanden und mit Tränen in den Augen gegangen bin. Ich konnte es nicht verstehen: Das war so eine Geringschätzung der Leistungen, die Frauen erbringen.

      Aber Sie hatten auch grosse Erfolge.

      Mein allergrösster Kampf war für das neue Eherecht, das 1988 in Kraft trat. Das war die wichtigste Vorlage, die ich durchgebracht habe. Damals war ich jeden Tag unterwegs: Vom Genfersee bis zum Bodensee, vom Tessin bis in den Jura, um für dieses neue Eherecht zu werben. Wissen Sie, wenn man irgendeine Vorlage hat zum Beispiel zum Landwirtschaftsrecht und die wird abgelehnt, dann bringt man sie halt später wieder, vielleicht ein bisschen geändert. Das können Sie bei der Gleichberechtigung nicht! Frauen können nicht ein bisschen gleichberechtigt sein. Es geht nur ganz oder gar nicht.

      Was unterschied das neue vom alten Eherecht?

      Bis dahin war der Mann das alleinige Oberhaupt der Familie und Vormund der Ehefrau in finanziellen Angelegenheiten. Er konnte den Wohnort der Familie festlegen, er konnte entscheiden, ob seine Frau berufstätig sein durfte oder nicht. Das Gesetz schrieb auch die Rollenverteilung der Ehegatten vor. Das alles wollten wir im Sinn der in der Verfassung seit 1981 verankerten Gleichberechtigung von Männern und Frauen ändern.

      Insbesondere die SVP war gegen das neue Eherecht. Im Internet kann man sich dazu heute noch erschreckende Interviews mit Christoph Blocher anschauen.

      Damals hatte die SVP ein Plakat an jeder Säule: Ein Ehepaar im Bett und in der Mitte der Richter. Das brauchte gar keinen Text. Es war klar, was gemeint ist. Am Wahltag gab es dann aber eine klare Mehrheit für das neue Eherecht. Bei der Pressekonferenz habe ich meiner Freude und Genugtuung darüber Ausdruck verliehen. Dann fiel mir ein, dass ein Bundesrat am Ende auch immer noch etwas Nettes zu den Gegnern sagen muss. Aber was sollte СКАЧАТЬ