Das Antikrebs-Buch. David Servan-Schreiber
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Название: Das Antikrebs-Buch

Автор: David Servan-Schreiber

Издательство: Bookwire

Жанр: Медицина

Серия:

isbn: 9783956140839

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СКАЧАТЬ chirurgisch entfernt wurde.)

      Doch Folkman konnte noch so viele Experimente durchführen, den meisten Wissenschaftlern erschien die Idee zu einfach und zu – ketzerisch. Vor allem konnte man, wie so oft in den Naturwissenschaften, das Konzept nicht ernst nehmen, solange der Mechanismus, mit dem die Tumoren die Kontrolle über die Blutgefäße erlangten, nicht geklärt war. Die Existenz von »Angiogenin« und »Angiostatin« musste bewiesen werden.

      Wie die Nadel im Heuhaufen

      Judah Folkman ließ sich von den Kritikern nicht unterkriegen. Er verlor auch nie das Vertrauen in die Fähigkeit seiner Kollegen, seine Theorie anzuerkennen, sobald sie genug Beweise gesehen hatten. Wahrscheinlich dachte er an den Ausspruch von Schopenhauer, wonach jede Wahrheit drei Stadien durchläuft: Zuerst wird sie verhöhnt, danach wird sie gewaltsam bekämpft, zuletzt wird sie als selbstverständlich akzeptiert. Und so machte er sich daran, die Existenz der Substanzen zu beweisen, die verhindern können, dass neue Blutgefäße wachsen.

      Aber wie sollte man sie unter den Tausenden von Proteinen erkennen, die das Krebsgewebe bildet? Das erinnerte an die sprichwörtliche Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Nach vielen Jahren und zahlreichen Rückschlägen war Judah Folkman kurz davor aufzugeben. Aber dann hatte er doch noch Glück.

      Michael O’Reilly, ein junger Chirurg und Forscher, der seit Kurzem in Folkmans Labor arbeitete, hatte die Idee, im Urin von Mäusen, die resistent gegen Metastasen waren, nach Angiostatin zu suchen. Michael war so hartnäckig wie sein Chef. Zwei Jahre lang filtrierte er unzählige Proben mit Mäuseurin. (Eine ziemlich »anrüchige« Aufgabe, wie er später meinte). Schließlich fand er ein Protein, das die Bildung von Blutgefäßen blockierte, wenn man es bei einem Hühnerembryo anwandte (wo sich Blutgefäße normalerweise sehr schnell entwickeln). Der Augenblick der Wahrheit war gekommen. Dieses potenzielle Angiostatin konnten die Forscher nun an Labortieren testen und so herausfinden, ob es die Entwicklung von Krebs in einem lebenden Organismus verhinderte.

      O’Reilly nahm 20 Mäuse und transplantierte einen virulenten Krebs auf ihren Rücken, dessen Metastasen sich aggressiv verbreiten und nach der Entfernung des Primärtumors rasch in den Lungen heranwachsen. Direkt nach der Entfernung des Tumors injizierte er der Hälfte der Mäuse Angiostatin, bei der anderen Hälfte ließ er die Krankheit ihren Lauf nehmen. Einige Tage später zeigten einige Mäuse erste Krankheitserscheinungen. Nun musste sich die Theorie in der Praxis beweisen.

      Judah Folkman wusste, dass niemand ihm glauben würde, selbst wenn die Ergebnisse positiv ausfallen sollten. Daher lud er alle Forscher auf seinem Stockwerk ein, das Ergebnis zu begutachten. In Gegenwart der versammelten Zeugen öffnete O’Reilly den Brustkorb der ersten Maus, die nicht behandelt worden war. Die Lungen waren schwarz und von Metastasen zerfressen. Dann öffnete er die erste Maus, die Angiostatin erhalten hatte. Ihre Lungen waren perfekt rosa und zeigten keine Anzeichen von Krebs. Er wollte seinen Augen kaum trauen. Alle Mäuse, die kein Angiostatin injiziert bekommen hatten, waren vom Krebs befallen. Und alle, die Angiostatin erhalten hatten, waren völlig geheilt. Nach 20 Jahren der Schikanen und Rückschläge wurde das Ergebnis 1994 in der Fachzeitschrift Cell veröffentlicht.50 Von einem Tag auf den anderen wurde die Angiogenese zu einem der wichtigsten Forschungsthemen der Krebsforschung.

      Eine außergewöhnliche Entdeckung

      Später konnte Folkman zeigen, dass Angiostatin das Wachstum verschiedener Krebsarten aufhalten kann, darunter auch drei Krebsformen beim Menschen, die man auf Mäuse übertragen hatte. Zur allgemeinen Überraschung der Wissenschaftler und Mediziner konnte man sogar eine Rückbildung des Krebses bewirken, wenn man die Bildung neuer Blutgefäße verhinderte. Wie die Offensive der deutschen Wehrmacht nach Marschall Schukows Angriff auf ihre Nachschublinien fielen die Tumoren in sich zusammen, sobald sie von der Versorgung abgeschnitten waren. Auf eine mikroskopische Größe geschrumpft, waren sie völlig harmlos. Außerdem wurde gezeigt, dass Angiostatin schnell wachsende Blutgefäße angreift, bereits vorhandenen Gefäßen aber nicht im Geringsten schadet. Anders als bei herkömmlichen Behandlungsmethoden gegen Krebs (Chemotherapie und Bestrahlung) wurden die gesunden Zellen nicht angegriffen. Militärisch gesprochen gab es keine »Kollateralschäden«. Damit ist diese Behandlungsmethode deutlich sanfter als die Chemotherapie. In einem Artikel in der Zeitschrift Nature, in dem über die Forschungsergebnisse berichtet wurde, hieß es abschließend: »Eine Regression von Primärtumoren ohne toxische Folgen wurde zuvor noch nicht beschrieben.«51 Hinter diesem lakonischen Ton, der typisch für die Naturwissenschaften ist, verbirgt sich große Aufregung über eine außergewöhnliche Entdeckung.

      Mit diesen beiden Artikeln bewiesen Folkman und O’Reilly die Rolle der Angiogenese im Tumorstoffwechsel. Das hatte nachhaltige Auswirkungen auf die Krebsbehandlung. Wenn wir den Feind durch einen Angriff auf seine Versorgungslinien kontrollieren können, sollte man langfristig zu verhindern versuchen, dass Blutgefäße Verästelungen in Richtung des Tumors ausbilden. Wie bei einer militärischen Strategie lässt sich diese Behandlungsmethode mit präzisen Angriffen in Form von Chemotherapie oder Bestrahlung kombinieren. Eine langfristige Planung erfordert jedoch auch eine Therapie für sogenannte »schlummernde« Tumoren zum Schutz vor dem Auftreten des ersten Tumors, vor Rückfällen nach früheren Behandlungen und vor einem potenziellen Ausbruch von Metastasen nach einer Operation.

      Natürliche Abwehrmaßnahmen zur Blockierung der Angiogenese

      Mittlerweile hat die Pharmaindustrie Medikamente entwickelt, die dem Angiostatin ähnlich sind (zum Beispiel Avastin). Doch ihre Wirkung ist, wenn man sie allein einsetzt, enttäuschend. Sie können zwar das Wachstum bestimmter Krebsarten verlangsamen und haben bei einigen Tumoren sogar eine spektakuläre Rückbildung bewirkt, doch die Ergebnisse sind nicht so durchschlagend wie bei Mäusen. Außerdem haben Medikamente zur Anti-Angiogenese, obwohl sie besser vertragen werden als die übliche Chemotherapie, problematische Nebenwirkungen, die man so nicht erwartet hatte. Daher sind sie wahrscheinlich nicht die lang ersehnten Wundermittel. Doch das überrascht eigentlich nicht. Krebs ist eine komplexe Krankheit, die selten durch eine einzige Maßnahme geheilt wird. Wie bei der Aids-Kombinationstherapie werden zur Steigerung der Effektivität verschiedene Ansätze kombiniert.

      Es bleibt jedoch die Tatsache, dass die Kontrolle der Angiogenese künftig eine zentrale Rolle in der Krebsbehandlung spielen wird. Als Alternative zum Warten auf ein Wundermittel bieten sich natürliche Methoden an, die eine große Wirkung auf die Angiogenese, aber keine Nebenwirkungen haben. Außerdem lassen sie sich perfekt mit konventionellen Behandlungsmethoden kombinieren. Diese Ansätze sind:

      1. Eine spezielle Ernährung (in jüngster Zeit wurden viele natürliche anti-angiogenetische Nahrungsmittel entdeckt, darunter bestimmte essbare Pilze, Grünteesorten, Kräuter und Gewürze).52–54

      2. Alles, was zur Verminderung der Entzündung beiträgt, dem direkten Auslöser für das Wachstum neuer Blutgefäße (siehe Kapitel 8).55, 56

      Krebs ist ein faszinierendes und bösartiges Phänomen. Er borgt sich seine verstörende Intelligenz von lebenswichtigen Funktionen unseres Körpers, korrumpiert sie und wendet sie schließlich gegen sich selbst. Studien aus jüngster Zeit haben gezeigt, wie diese Korruption funktioniert. Ob es darum geht, eine Entzündung hervorzurufen oder Blutgefäße zu bilden, Krebs imitiert unsere Fähigkeit zur Regeneration, obwohl er das entgegengesetzte Ziel verfolgt. Er ist das Gegenteil von Gesundheit, das Negativ der Vitalität. Aber das bedeutet nicht, dass Krebs unverwundbar ist. Tatsächlich kennt unser Immunsystem sogar Möglichkeiten, ihm auf natürliche Weise beizukommen. Als Vorposten unserer Verteidigungsanlagen bilden unsere Immunzellen (einschließlich der NK-Zellen) eine starke Streitmacht, die Krebs ständig im Keim erstickt. Alle Erkenntnisse stimmen überein: Alles, was unsere kostbaren Immunzellen stärkt, schwächt das Krebswachstum. СКАЧАТЬ