Название: Christlich-soziale Signaturen
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Издательство: Автор
Жанр: Зарубежная публицистика
isbn: 9783950493948
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In diesen Grundsätzen zeigt sich deutlich der Unterschied zwischen Sozialismus und christlich-sozialem Menschenbild. Wohl mit Blick auf das Gleichnis von den Talenten schreibt Papst Leo XIII. in der bereits erwähnten Enzyklika „Rerum novarum“: „Mit dem Wegfalle des Spornes zu Strebsamkeit und Fleiß würden auch die Quellen des Wohlstandes versiegen. Aus der eingebildeten Gleichheit aller würde nichts anderes als der nämliche klägliche Zustand der Entwürdigung für alle.“ Christlich-soziale Politik gestaltet also soziale Sicherungssysteme in der Form, dass sie Chancen und Anreize bieten, die Hilfsbedürftigkeit rasch wieder überwinden zu können. Damit verbunden sind allerdings auch Pflichten in dem Sinn, dass jede und jeder auch selbst etwas dazu beitragen, dafür leisten muss – sei es persönliche Weiterbildung, das Erlernen der deutschen Sprache oder die ernsthafte Bereitschaft, Chancen auch tatsächlich wahrzunehmen.
Zutrauen – im Sinne von fordern und fördern – ist für mich überhaupt ein zentrales Element christlich-sozialer Politik; und in gewisser Weise die Zwillingsschwester der Freiheit. Nur wer den Menschen grundsätzlich Vertrauen und Zutrauen entgegenbringt, wird ihnen guten Gewissens auch ein hohes Maß an persönlicher Freiheit zugestehen. Freiheit wiederum ist ein Wert, der direkt aus dem christlich-sozialen Personalitätsprinzip folgt. Der Theologe und Philosoph Clemens Sedmak, Professor für Sozialethik an der University of Notre Dame (USA) und Leiter des Zentrums für Ethik und Armutsforschung in Salzburg formuliert es ganz klar: „Gott will freie Menschen und hat uns deswegen die Freiheit geschenkt.“ Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Präsident der Deutschen Bischofskonferenz, würdigt die Freiheit sogar in seinem Wahlspruch: „Ubi spiritus Domini ibi libertas“ („Wo der Geist des Herrn wirkt, da ist Freiheit“).
Freie und verantwortliche Menschen
Dieser Freiheitsgedanke christlich-sozialer Politik hat konkrete Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen Mensch und Staat, und zwar mit dem Ergebnis, dass Entscheidungen von den möglichst kleinsten Einheiten getroffen werden sollen – von der oder dem Einzelnen, von der Familie, von der Gemeinschaft vor Ort. Das ist das christlich-soziale Subsidiaritätsprinzip. Die Freiheit, individuell Entscheidungen treffen zu können, findet konkreten Niederschlag in der Frage der Verfügungsgewalt über das eigene Einkommen. Staatsorientierte Ideologien fordern ein hohes Maß an Steuern, auf dass der Staat damit mache, was er für richtig für alle hält. Christlich-soziale Politik will den Menschen möglichst viel von ihrem Einkommen lassen und traut ihnen zu, eigenverantwortlich – aber auch in ihrer individuellen Verantwortung für die Gemeinschaft – Entscheidungen zu treffen.
Den Menschen weniger von ihrem verdienten Einkommen zu nehmen ist daher logischerweise ein ganz grundsätzlicher Zugang christlich-sozialer Politikerinnen und Politiker, ein inhärenter Bestandteil ihres politischen Selbstverständnisses. Das erklärt zum Beispiel den „Familienbonus plus“, der steuerliche Entlastung für Mütter und Väter bringt, die doppelt Verantwortung tragen und Leistung erbringen – nämlich im Job und in der Familie. Auch die weitere Entlastung durch die Senkung der Einkommensteuer und anderer lohnabhängiger Abgaben und Beiträge sowie insgesamt das Ziel der Senkung der Abgabenquote folgen diesem christlich-sozialen Politikverständnis.
Für mich ist das der Kern des christlich-sozialen Politikverständnisses: Den Menschen ökonomische Freiheit zugestehen und ihnen zutrauen, selbst die richtigen Entscheidungen treffen zu können. Und ihnen auch zutrauen, ihre Verantwortung für die Gesellschaft selbst wahrzunehmen. Daraus ergibt sich mein persönliches Ideal einer Gesellschaft freier und verantwortlicher Menschen.
Literatur
Böckenförde, Ernst-Wolfgang: Staat, Gesellschaft, Freiheit, Frankfurt am Main 1976.
Grün, Anselm: Versäume nicht dein Leben, München 2017.
Jahoda, Marie / Lazarsfeld, Paul Felix / Zeisel, Hans: Die Arbeitslosen von Marienthal: ein soziographischer Versuch über die Wirkungen langandauernder Arbeitslosigkeit, Frankfurt am Main 1975.
Meyer, Thomas: Theorie der sozialen Demokratie, Wiesbaden 2005 Päpstlicher Rat für Gerechtigkeit und Frieden: Kompendium der Soziallehre der Kirche, Freiburg im Breisgau 2006.
Pius XI: Enzyklika Quadragesimo anno: AAS 23, Rom 1931.
Sedmak, Clemens / Lackner, Franz: Kaum zu glauben. Annäherungen an Grundworte christlichen Lebens, Innsbruck 2018.
1Mock, Alois: Die EU war nie ein Paradies, in: Academia, Juni 2004, S. 8.
2Vgl. dazu Meyer, Thomas: Theorie der sozialen Demokratie, Wiesbaden 2005.
3Böckenförde, Ernst-Wolfgang: Staat, Gesellschaft, Freiheit, S. 60.
4Vgl. dazu: Kompendium der Soziallehre der Kirche, S. 82 ff.
5Vgl. ebd. S. 131.
6Vgl. ebd. S. 132.
7Pius XI., Enzyklika Quadragesimo anno: AAS 23 (1931).
8Vgl. dazu: Kompendium der Soziallehre der Kirche, S. 147.
Werte, Demokratie und christlicher Glaube: ein praktisch-theologischer Zugang aus katholischer Sicht
Regina Polak
Welche christlichen Werte können einer lebendigen Demokratie heute weiterhelfen? Dieser Frage geht der folgende Beitrag aus einer praktisch-theologischen Perspektive in drei Schritten nach. Im ersten Schritt werden Problemstellungen, Kontext und Interessen rund um die Fragestellung skizziert. Der zweite Schritt entwickelt einen theologisch legitimen Begriff christlicher Werte und beschreibt deren Beitrag zur Demokratie. Im dritten Schritt werden exemplarisch anhand dreier demokratischer Werte – Würde, Pluralität, Gerechtigkeit – bibeltheologische Beiträge identifiziert. Das Ziel des Beitrags besteht darin, fragmentarisch für die Komplexität der Fragestellung zu sensibilisieren und erhebt keinen Anspruch auf eine umfassende Klärung. Vielmehr sollen kriteriologische Weichen für weiterführende Diskurse gestellt werden.
Problemstellungen, Kontext und Interessen
Vom Problem christlicher Werte
Der Wertebegriff 1 entstammt ursprünglich nicht der Welt der Religionen, sondern der Ökonomie. Werte sind in diesem Kontext quantitativ messbare Größen, die sich im Rahmen von Tauschverhältnissen ergeben. In der Philosophie taucht der Wertebegriff erst im 19. Jahrhundert auf. Eine Schlüsselrolle spielt Friedrich Nietzsche. Im Kontext seiner Moral-, Ethik- und Kulturkritik konstatiert er einen in Europa fortschreitenden Prozess einer „Entwertung der obersten Werte“2: den Nihilismus. Dieser führt zu einem radikalen Verlust des Vertrauens in eine absolute Instanz, die für eine universale Gültigkeit ethischer Prinzipien bürgt. Im Bild vom „Tod Gottes“ wird diese Erfahrung zum Ausdruck gebracht. Zu СКАЧАТЬ