Название: Die UNO
Автор: Reinhard Wesel
Издательство: Bookwire
Жанр: Социология
isbn: 9783846352922
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Während IGOs nur auf der internationalen Ebene zwischen Staaten bzw. Regierungen arbeiten, wirken INGOs auch transnational staatenübergreifend auf zivilgesellschaftlicher Ebene. Auch Militärbündnisse wie die NATO sind IGOs, die – ungeachtet realer Machtverhältnisse – zwischen souveränen Staaten funktionieren. Mit Ausnahme der Europäschen Union (EU) als spezifischem Sonderfall gibt es noch keine supranationale Organisation, die über-staatliche Kompetenzen hätte; nur der Sicherheitsrat der UNO hat bislang in bestimmten seltenen Situationen das Recht, über-staatlich einzelnen souveränen Staaten gegenüber anzuordnen, was sie zu tun oder zu unterlassen haben (siehe 6.1.2 und 8.1).
Zur Anzahl Internationaler Organisationen
Internationale Organisationen aller Art gibt es überraschend viele. Exakte Zahlen sind nicht verfügbar, doch waren in 2010er-Jahren ungefähr
zweieinhalbtausend multilaterale Verträge bzw. Abkommen in Kraft,
mehrere Tausend Internationale Nicht-Staatliche Organisationen (INGOs) aktiv, davon ein halbes Tausend von universaler Bedeutung,
zwei- bis dreihundert Internationale (Regierungs-)Organisationen (IGOs), davon über dreißig universale, im Dienst (z.B. 2001: 232/34, 2006: 246/34, 2013: 265/33)
(nach der Datenbank der Union of International Associations/UIA, Brüssel [http:/www.uia.org] bzw. das von der UIA herausgegebene „Yearbook of International Organizations“)
Eine allseits anerkannte Definition für „Internationale (Regierungs-)Organisationen“ (IGOs) gibt es nicht; auch hier gehen immer theoretische und politische Annahmen in die Formulierungen ein.
„Internationale Organisationen“: typische Definitionen
„[…] sowohl problemfeldbezogene als auch problemfeldübergreifende zwischenstaatliche Institutionen, die gegenüber ihrer Umwelt aufgrund ihrer organschaftlichen Struktur als Akteure auftreten können und die intern durch auf zwischenstaatlich vereinbarten Normen und Regeln basierende Verhaltensmuster charakterisiert sind, welche Verhaltenserwartungen einander angleichen.“ (Rittberger/Zangl 2008, S. 25)
„Unter einer IGO wird eine durch multilateralen völkerrechtlichen Vertrag geschaffene Staatenverbindung mit eigenen Organen und Kompetenzen verstanden, die sich als Ziel die Zusammenarbeit von mindestens drei Staaten auf politischem und/oder ökonomischem, militärischem, kulturellem Gebiet gesetzt hat und die gegenüber ihrer Umwelt als selbständiger Akteur auftreten kann.“ (Woyke 2007, S. 203)
„Die internationalen Organisationen sind ein Zusammenschluss souveräner Staaten. Was sie erreichen können, hängt von dem Grad der Übereinstimmung ab, den sie untereinander erzielen.“ (Schraepler 1994, S. IX; Hervorhebung R.W.)
Internationale Regierungs-Organisationen (IGOs) haben immer einen Internationalen Vertrag als für die ihm beitretenden Staaten verbindliche Rechtsgrundlage (siehe 2.4). Dieser Vertrag und damit die Organisation stehen aber immer in einem größeren historischen und politischen Kontext, der Problemzusammenhänge und Arbeitsfelder absteckt, die nicht kongruent sind mit dem Zuschnitt dieser Internationalen Organisationen.
Der klassische politikwissenschaftliche Regime-Ansatz versucht deswegen, komplexe Regelungssysteme zu bestimmen und zu untersuchen, um die internationale Kooperation bezogen auf einen umfassenden Problem- und Arbeitsbereich als Ganzes in den Blick zu bekommen – wie die Nichtverbreitung von Atomwaffen, den Menschenrechtsschutz, die Regelung des Welthandels oder den Kampf gegen die Klimaerwärmung. Leider ist zumindest im Deutschen der Begriff „Regime“ uneindeutig konnotiert; alltagssprachlich ist damit meist abwertend eine eher fragwürdige einzelne Regierung gemeint.
Internationale Organisationen sind sicht- und greifbarer als die Internationalen Regime, die aber wiederum das wichtigere Bezugssystem für die Erfolgschancen internationaler Kooperation bilden. Der Problemfeld-Bezug der Organisationen ist für einzelne Fragen spezifisch (wie die OPWC zur Chemiewaffenkontrolle), Themen übergreifend (wie die FAO für Landwirtschaft) oder universal (wie die UNO), der von Regimen ist problemfeldspezifisch fokussiert. Die vertikale Struktur der meisten Organisationen ist hierarchisch festgefügt; Regime sind in ihrer horizontalen Struktur weniger formell und eher flexibel formbar. Auch die Regime basieren auf einem internationalen Vertrag oder meist auf einem gewachsenen System mehrerer Verträge. Zu einzelnen Regimen können mehrere verschiedene Verträge und Organisationen gehören, die ihrerseits wiederum möglicherweise verschiedenen Regimen zuzurechnen sind; noch komplizierter wird es, wenn zum Funktionszusammenhang eines Regimes auch eine internationale Schiedsstelle oder gar ein Internationales Gericht beiträgt.
Internationale Regime („Konsensdefinition“) (Krasner 1983b, S. 2, Übers. RW)
„Regime können definiert werden als Instrumentarien aus impliziten oder expliziten Prinzipien, Normen, Regeln und Verfahren zur Entscheidungsfindung, durch die vermittelt die Erwartungen der Akteure auf einem bestimmten Gebiet der internationalen Beziehungen konvergieren. Prinzipien sind grundlegende Annahmen über tatsächliche Gegebenheiten, kausale Zusammenhänge und richtige Bewertungskriterien. Normen sind durch Rechte und Verpflichtungen definierte Standards des Verhaltens. Regeln sind spezifische Vorschriften und Verbote zur Anleitung des Handelns. Verfahren zur Entscheidungsfindung geben Praktiken für das Treffen und Umsetzen einer gemeinsamen Auswahl vor.“
Die Unterscheidung in die vier Elemente Prinzipien, Normen, Regeln und Verfahren bietet ein brauchbares Schema zur Analyse international-multilateraler Kooperation in Internationalen Regimen wie durch Internationale Organisationen.
Prinzipien sind die grundlegenden Aussagen über die Wirklichkeit in einem Arbeitsbereich, über die Ursachen und Auswirkungen der zu bearbeitenden Probleme sowie über die von den Partnern einer Kooperation geteilten Bewertungskriterien; auf dieser Basis können die Ziele der Kooperation formuliert wie auch die dazu passenden Zweck-Mittel-Relationen bestimmt werden. Wenn Problemsicht und Lösungsbereitschaft potentieller Partner nicht zusammenpassen, wird es schon schwierig sein, generelle Prinzipien im Konsens zu finden.
Normen geben maßgebliche Standards und verpflichtende Richtlinien für das angemessene Verhalten vor; sie beschreiben und verteilen die Rollen in der Kooperation, indem sie komplementär Pflichten auferlegen und Rechte einräumen. Erst die Achtung der Normen macht die prinzipiellen Überzeugungen und Ziele zu gemeinsamen politischen Verpflichtungen.
Konkrete und meist rechtsverbindliche Regeln definieren spezifische Vorschriften und Verbote; sie übersetzen die weiten Prinzipien und generellen Normen operativ in konkrete Handlungsanweisungen. Das macht die Zusammenarbeit leistungsfähig und wirksam, weil intern und Dritten gegenüber berechenbar. Bei der oft mühsamen Festlegung der Regeln und zumal durch ihre Einhaltung zeigt sich erst definitiv, wie ernst es den Staaten wirklich ist, international zu kooperieren.
Festgelegte Verfahren zur Entscheidungsfindung und zum praktischen Handeln aller Art (wie Geschäftsordnung, Mitgliedschaft, Information, Kommunikation, Aktionsprogramme, Konfliktschlichtung, Sanktionen) sichern eine verlässlich funktionierende prozedurale Routine und damit zugleich Flexibilität bei der Anpassung an sich verändernde Situationen, ohne dass kurzfristig Regeln geändert, Normen angetastet oder Prinzipien bemüht werden müssten. In der Arbeitsweise bei der Umsetzung und Durchsetzung zeigt sich, wie konstruktiv die Kooperationspartner sein können oder wollen.