Die UNO. Reinhard Wesel
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die UNO - Reinhard Wesel страница 5

Название: Die UNO

Автор: Reinhard Wesel

Издательство: Bookwire

Жанр: Социология

Серия:

isbn: 9783846352922

isbn:

СКАЧАТЬ Vorteil unkooperativ handelt. Da das für beide optimale Ergebnis also unwahrscheinlich ist, werden wohl beide versuchen, den möglichen Schaden zu begrenzen und gestehen, also nur das zweitbeste – aber wenigstens auch nur zweitschlechteste – Ergebnis erreichen.

      Wenn man allerdings das Gedankenexperiment so erweitert, dass das Spiel mehrfach – weiter ohne direkte Kommunikation – wiederholt wird, könnten jeder Spieler die Entscheidungen des anderen aus den vorigen Runden in seine aktuelle Entscheidung einbeziehen; er könnte versuchen, Kooperation zu belohnen oder Vertrauensbruch zu bestrafen. Das lohnendste Verhalten wäre dann, sich zunächst in Vorleistung kooperationswillig zu zeigen, auf Nicht-Kooperation aber mit Bestrafung zu reagieren, aber nicht nachtragend zu sein, wenn der Mitspieler dann doch kooperativ wird, sondern ebenfalls wieder kooperativ zu werden. So könnte sich also mittels indirekter Kommunikation in einem Lernprozess Kooperationsbereitschaft entwickeln.

      Wird das Gedankenexperiment noch erweitert um ungehinderte Kommunikation und geförderten Informationsaustausch, erscheint eine Perspektive, in der eine interdependente Welt sich auch ohne oberste Gewalt recht gut ordnen kann – in internationaler Kooperation: Wenn das zu lösende Problem eben kein reines Nullsummenspiel ist, sondern durch abgestimmtes gemeinsames Handeln der zu verteilende Vorteil größer werden kann, ist Kooperation im Eigeninteresse aller Mitspieler. Der Versuch, sich unkooperativ egoistisch zu verhalten, kann zu einem höheren eigenen Verlust führen; aber auch wenn unkooperatives Verhalten sich für einen Spieler auszahlt, könnte der kollektive Ertrag geringer sein als bei kooperativem Verhalten.

      Die im Gedankenexperiment ausgearbeiteten Befunde gelten nicht nur bilateral für zwei Parteien, sie lassen sich auch auf komplexere Situationen mit mehreren bis vielen Mitspielern übertragen. Die Frage, wie sinnvoll oder notwendig – multilaterale – Kooperation ist, stellt sich in allen Problembereichen der internationalen Politik:

       In fast alle Fragen der Sicherheit ist das klassische Sicherheitsdilemma logisch eingebaut: die anderen – Nachbarn, Konkurrenten, potentielle Gegner, erklärte Feinde, Terroristen – könnten schneller und stärker aufzurüsten versuchen, also ist dem rechtzeitig eigene Waffenkapazität entgegenzusetzen, was wiederum zu sich aufschaukelndem Wettrüsten verleitet; Misstrauen oder Bedrohungsmentalität sind dabei intensivierende Momente, aber seit dem Fall der ersten Atombomben ist das sicherheitspolitische Kosten/Nutzen-Kalkül von besonderer Qualität, weil nun das eigene Überleben insgesamt auf dem Spiel steht. Das Konzept der „Kollektiven Sicherheit“ als Friedens(ver)sicherung auf Gegenseitigkeit wäre logisch ein Ausweg aus diesem Dilemma: die zur Friedenssicherung gemeinsam zusammenwirkenden Kräfte aller wären stärker als die destruktive Macht einzelner Aggressoren – wenn die Kooperation gelingt.

       Auch in den Interessenkonflikten der sich weiter globalisierenden Wirtschaft und bei den Problemen der sog. Entwicklung zeigt sich das Dilemma, dass jeder beteiligte Staat für sich das Maximum auf Kosten anderer sichern will, damit der eigene Anteil gewahrt oder gesteigert werden kann – aber damit allen und auch sich selbst schadet; sowohl das liberale Konzept des Freihandels als auch der Gedanke der aktiven Kooperation durch gemeinsame Institutionen zeigt, dass ein nur auf die vermeintlich eigenen wirtschaftlichen Interessen bezogenes Verhalten gerade dazu führen kann, dass alle Staaten insgesamt einen geringeren Effekt erreichen: der Kuchen wird kleiner statt größer.

       Beim Umwelt- und Klimaschutz finden sich die Staaten in einem ähnlichen Dilemma: Jeder Staat, dessen Regierende eine Bedrohung der natürlichen Lebensgrundlagen überhaupt wahrnehmen, will seine Umwelt schützen und seinen Nutzen aus globalen Umweltgütern sichern, aber ohne die ökonomischen Kosten dafür zu übernehmen – also schiebt er die Verantwortung auf andere Staaten/-gruppen und versucht, seinen Kosten-Anteil für die ohnehin meist unzureichenden kollektiven Anstrengungen möglichst gering zu halten. Das mindert die Chance auf effektive internationale Zusammenarbeit mit geregelter Lastenverteilung; und das wiederum schädigt auf lange Sicht alle Staaten, die kooperationswilligen wie die unwilligen.

       Zum Schutz der Menschenrechte erzwingt kein vermeintliches Nullsummenspiel ein Kosten/Nutzen-Kalkül: kein Staat hat unmittelbar einen Vorteil oder einen Nachteil davon, wenn ein anderer Staat die Menschenrechte respektiert oder verletzt, sofern nicht eine friedensbedrohende oder handelshemmende Situation entsteht. Aber der Einfluss der Zivilgesellschaft und deren Standards moralisch-politischer Korrektheit scheint mangelndes Interesse von Regierungen an Bürger- und Menschenrechten ausgleichen zu können; anders als komplizierte sicherheits-, handels- oder klimapolitische Fragen sind massive Menschenrechtsverletzungen nicht so leicht an die kaum jemand interessierende Außenpolitik abzuschieben. Leider aber können Regierungen Menschenrechte und ihre Auslegung als vorgeschobene Argumente oder ihren Schutz als willkommenes Instrument für machtpolitische und andere Zwecke nutzen.

      Der dummen, aber bequemen Devise „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß!“ wird reflexartig auf fast allen Feldern internationaler Politik gefolgt. Sind Staaten auch nur Menschen (oder kleine Kinder) – oder warum sonst verhalten sie sich in rationalem Kalkül dann doch im Effekt irrational? Ein Blick auf die vorherrschenden Perspektiven, in denen die Rolle der Staaten in der internationalen Politik gesehen und verstanden wird, ist hilfreich für Orientierung und Kritikfähigkeit: Die möglichen Blickwinkel und verschiedenen Sichtweisen auf das weltpolitische Geschehen sind nicht objektiv als so und nicht anders vorgegeben, sondern sind bedingt durch subjektive Wahrnehmungen der eigenen Interessen und durch vorherrschende Annahmen über die Natur des Menschen und seiner Welt – sei es in Form gängiger Meinungen und Vorurteile, sei es im Gewand ausgearbeiteter sozialwissenschaftlicher Theorien.

      Leider hat sich die theoretische Debatte über die internationalen Beziehungen zu sehr verselbständigt in fiktionales Wunschdenken oder narrative Selbstbezogenheit – oft sind die Probleme, die sich vor allem deutsche Fachvertreter/-innen machen, nur schwer in Verbindung zu bringen mit Aussagen von Praktikern oder Berichten von sachkompetenten Journalisten über die Welt da draußen.

      Offenkundig dienen Theoriedebatten auch Zwecken jenseits der theoretischen Kernfunktion; eigentlich sollten Theorien – nur – diskutierbare Arbeits-Grundlagen schaffen für Beschreibung und Erklärung undurchschauter Phänomene, indem sie

       Erfahrungen, Beobachtungen und Informationen in Bereiche zu strukturieren und einzuordnen helfen, damit aber auch als bestimmte Ausschnitte von Realität eingrenzen;

       komplexe Sachverhalte auf einfache bzw. idealtypische Merkmals- oder Ablaufsbeschreibungen zu reduzieren erlauben, damit aber zugleich bestimmte Aspekte betonen, andere ausblenden;

       praktisches Handeln anzuleiten versprechen, damit jedoch zwangsläufig das Notwendige, Zweckmäßige und/oder Sinnvolle aus ihrer Perspektive formulieren;

       Argumente vorgeben, mit denen dieses erwünschte praktische Handeln zu rechtfertigen ist.

      Eine Theorie soll versuchsweise eingenommener Standpunkt sein, aber nicht Heimat und schon gar nicht Schutzbunker; theoretische Argumente sollen nicht als Kampfmittel dienen, sondern als Werkzeuge – wie gut geschliffene und geputzte Brillen, die man je nach „objektiven“ Licht- und Wetterbedingungen oder „subjektiver“ Sehkraft auch wechselt.

      Bewährte Kriterien für die Einordnung der Theoriebildung zur internationalen Politik sind die den Akteuren unterstellten Interessen, die verstanden werden

       entweder nur als auf den eigenen Nutzen fixiert

       oder als an einem universalen Gemeinwohl orientiert

      und die eingenommenen Perspektiven, die ausgehen

       „subjektiv“ von den Motiven, die aufgrund der menschlichen Triebstruktur vorgeben СКАЧАТЬ