Название: Die UNO
Автор: Reinhard Wesel
Издательство: Bookwire
Жанр: Социология
isbn: 9783846352922
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Damit kann ein schmaler Band, der sich auch nicht wie von selbst stetig auf den neuesten Stand bringt, nicht konkurrieren. Was aber hier geboten werden kann, ist so im Netz nicht zu finden, nämlich ein Versuch, dieses riesige Stoffgebiet mit seinen unübersehbaren Elementen und Regelungen
nicht nur gewichtet zusammenfassend im Überblick darzustellen,
sondern auch strukturierende Orientierung zu geben, wo und wie die Phänomene und Probleme, Institutionen und Prozesse eingeordnet werden können,
und ferner Interpretationen anzubieten, wie dies alles verstanden und beurteilt werden könnte.
Was in der reißenden Informationsflut meist untergeht, ist ein vergleichsweise überschaubarer Text, der viel zu wenig gelesen wird – obwohl er als wichtigstes Dokument des geltenden Völkerrechts die UNO und ihre Arbeit begründet und regelt; seine rechtliche Verbindlichkeit ergibt sich daraus, dass er der internationale Vertrag ist, den inzwischen fast alle Staaten der Welt unterzeichnet und ratifiziert haben: die „Charta der Vereinten Nationen“ („United Nations Charter“), die gegenüber den Tausenden anderer Verträge zwischen Staaten vorrangig ist (siehe 4). Dieser zentrale Text wird hier zwar nicht wiedergegeben (zu finden unter www.unric.org/de/charta bzw. www.un.org/en/charter-united-nations), aber die Kapitel 4 bis 8 dieses Bandes sind in Aufbau und Darstellung eng an ihm orientiert; immer wieder werden die Bestimmungen der Charta zu beachten sein – gerade da, wo sich die reale Praxis an ihr vorbei entwickelt hat oder zu haben scheint.
Die folgenden Kapitel bieten:
1 Bedingungen internationaler Kooperation: Welcher Art von Problemen und Dilemmata stellen sich ihr, welche Optionen hat sie? Was ist Multilateralismus, wozu und wie funktionieren multilaterale internationale Organisationen? Was sind dafür wichtige Prinzipien des Völkerrechts?
2 Entstehung und Entwicklung der Organisation der „Vereinten Nationen“: frühere Ideen für eine internationale Friedensorganisation; internationale Organisation vor dem Zweiten Weltkrieg, besonders der Völkerbund; Entstehung und Gründung der UNO aus dem und im Zweiten Weltkrieg; ihre Entwicklung seit 1945.
3 Das „Mandat“ der UNO: Ziele und Grundsätze, Aufgaben und Instrumente gemäß der Charta der Vereinten Nationen; allgemeine Erläuterungen zu Struktur, Schwerpunkten und Dauerhaftigkeit der Charta.
4 Struktur und Organisation der UNO und des UN-„Systems“: Wie die Hauptorgane und deren untergeordnete Neben- und Spezialorgane zusammen mit den selbständigen Sonderorganisationen das „System“ der UNO bilden.
5 Arbeitsteilung und Machtverteilung in der UNO: Aufgaben und Arbeitsteilung der Hauptorgane bestimmen deren Einfluss und Möglichkeiten; Bedeutung der ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates.
6 Arbeitsweisen und Methoden der UNO: Diplomatische Arbeitsweisen und Instrumente von oft recht speziellem multilateralem Charakter (Rhetorik und Verhandlung, Resolutionen und Verträge, Berichte und Konferenzen, Gruppenbildung, Konsens und Ritualität, inkrementelles „Durchwursteln“, Einbeziehung der Zivilgesellschaft/NGOs, Öffentlichkeitsarbeit sowie Finanzierung/Personal/Verwaltung).
7 Arbeitsbereiche der UNO: Probleme (Interessen und Konflikte, Kooperation und Prinzipien) und Instrumente (Rechtsgrundlagen und Institutionen, Programme und Mechanismen) der stofflich kaum mehr überschaubaren Arbeitsfelder (Frieden und Sicherheit; Menschenrechte; Wirtschaft und Währung; Entwicklung; Umwelt und Klima; u.a.).
8 Der Wert der Vereinten Nationen: Leistungen und Erfolge, Kritik und Vorwürfe, Reform-Optionen – was sind realistische Erwartungen und gibt es begründete Hoffnungen?
Um die Chancen und Leistungen multilateraler Kooperation generell und speziell der UNO angemessen einschätzen zu können, ist es ratsam, sich frei zu machen von einfachen Antworten auf falsch gestellte Fragen und von eingängigen Vorausurteilen – in der internationalen Politik ist halt alles noch ein wenig komplizierter: (1) das Bemühen um sprachliche Exaktheit, (2) der Respekt vor völkerrechtlichen Regeln und (3) die Bereitschaft zu politischem Realitätsbewusstsein sind einfach nötig, wenn man „die UNO“ verstehen will.
Beispiel eines Missverständnisses: Der angebliche „UNO-Migrationspakt“
Als 2018 heftig über den angeblichen „UNO-Migrationspakt“ (siehe 8.2.2) gestritten wurde, ist das Thema sprachlich, politisch und völkerrechtlich meist weit verfehlt worden:
1 Die offizielle Bezeichnung in der Arbeitssprache Englisch ist „Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration“; das Wort „compact“ ist zwar nicht präzise, aber im internationalen Kontext im Sinne einer informellen Übereinkunft gemeint. Auf Deutsch schwirrten ungenaue Benennungen herum wie „UNO“-/ „UN“-‘/„VN-Migrationspakt“ oder sogar der doppelt irreführende „Weltmigrationsvertrag“. Laut dem Übersetzungsdienst der UNO heißt der Text ins Deutsche übersetzt „Globaler Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration“; sachlich falsch ist die Variante „Globaler Vertrag für […] Migration“, weil:
2 Anders als die Genfer Flüchtlingskonvention ist der sog. „Pakt“ kein verbindlich rechtsetzender Vertrag, sondern eine politische (Absichts-)Erklärung, mit der Staaten sich rhetorisch selbst verpflichten, durch die sie aber zu nichts gezwungen sind; das souveräne Recht jeden Staates, seine Migrationspolitik im Rahmen des geltenden Völkerrechts selbst zu bestimmen, wird im Text ausdrücklich betont.
3 Rechtsgerichtete populistische Propaganda oder andersartig motivierte Gegner internationaler Kooperation nützen das Fehlverständnis des „Pakts“ als gegenseitig bindenden Vertrag aus, indem sie unterstellen, „die UNO“ maße sich nun an, den Staaten vorzuschreiben, wie sie mit Migration umzugehen haben.
Schließlich sind noch sprachliche und technische Erläuterungen nötig:
Zur Verwendung englischer Bezeichnungen und Abkürzungen: Die Sprache internationaler Organisation (siehe 7.1) ist inzwischen praktisch fast ausschließlich Englisch; die meisten Dokumente und wichtige Texte zirkulieren nur noch in der englischen Version, auch wenn sie in eine andere offizielle Arbeitssprache der UNO (Arabisch, Chinesisch, Französisch, Russisch, Spanisch) übersetzt sind – unsere „Globalisierung“ zeigte sich rasch in der Sprache. Um zu viel „Denglisch“ zu vermeiden, werden hier die deutschen Bezeichnungen verwendet, sofern sie allgemein eingeführt und verständlich sind; die englischen Bezeichnungen und Termini werden meist angefügt. Deutsche Abkürzungen werden immer seltener gebraucht, sofern sie es denn überhaupt gibt. Keine adäquate deutsche Abkürzung gibt es z.B. für die Internationale Arbeitsorganisation (International Labor Organisation, ILO); der Internationale Währungsfond (International Monetary Fund, IMF) wird oft noch mit „IWF“ abgekürzt; die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (International Bank for Reconstruction and Development, IBRD) ist unter dem Kürzel „Weltbank“ bekannt, ähnlich setzte sich im Englischen „World Bank“ statt „International Bank“ durch.
Viele nötige Fachtermini sind nicht eindeutig definiert, was besonders verwirren kann, wenn es sich auch um ein Wort unserer Alltagssprache handelt; die Bedeutung wird dann möglichst im Kontext erläutert. Schon das gängige Wort „international“ führt zu Missverständnissen; im engeren Sinne bedeutet es zwischenstaatlich, gemeint ist aber oft nur intergouvernemental (zwischen Regierungen); im weiteren Sinne ist es zu verstehen als grenzübergreifend oder grenzüberschreitend. Mit „transnational“ СКАЧАТЬ