Название: Gott die Ehre
Автор: Stefan Kiechle
Издательство: Bookwire
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783429065454
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Ambivalent. Weil von Gott geschaffen, sind die Dinge zunächst gut und heilig und Orte der Gegenwart Gottes. Aber sie tragen auch eine Ambivalenz in sich: Sie können das Herz des Menschen binden, so dass er sie „in sich liebt“ und nicht „im Schöpfer von ihnen allen“ (316). Also begehrt er sie für sich, oft exklusiv und gierig und auf Kosten anderer, anstatt sie frei anzunehmen und zu genießen, sie zu teilen und für den Dienst einzusetzen. Indem er die Dinge nicht mehr als Geschöpfe Gottes dankbar wahrnimmt, sieht er nicht mehr den Schöpfer in ihnen, sondern sie bekommen einen Eigenwert, werden zum Ziel und Inhalt seines Begehrens und Agierens und führen ihn von Gott weg. In diesem Fall „hindern“ sie ihn „für sein Ziel“, „zu dem er geschaffen ist“ – er soll sie weglassen (23). Um die Dinge zu schätzen, aber zugleich ihrer Verführungskraft zu widerstehen, um also die rechte Balance zwischen Weltfreudigkeit und Weltflucht zu finden, braucht die Exerzitantin Unterscheidung der Geister, die sie auf dem Exerzitienweg einübt und ausübt. Mit Blick auf Novizen – sie sind ja der Urtyp des Exerzitanten – schreibt Ignatius in den Satzungen des Jesuitenordens: „Man ermahne sie häufig, in allen Dingen Gott unseren Herrn zu suchen, indem sie, sosehr es möglich ist, die Liebe zu allen Geschöpfen von sich entfernen, um sie auf deren Schöpfer zu richten und ihn in allen Dingen zu lieben und alle in ihm, gemäß seinem heiligsten und göttlichen Willen.“29
Indifferent/frei. Es ist „nötig, dass wir uns gegenüber allen geschaffenen Dingen … frei (indiferentes) machen“ (23). Dieser ignatianische Hauptbegriff – er zieht sich durch alle Theologie der Exerzitien – meint, dass die Exerzitantin die für sie attraktiven Dinge nicht einfachhin zu kriegen anstrebt, sondern ihnen gegenüber so gleichmütig und unabhängig, ja so distanziert und innerlich frei30 bleibt, dass sie, wenn sie Zugriff bekommt, diese Dinge annehmen kann oder auch nicht – je nachdem, ob sie ihr zur Verfolgung des Ziels ihres Daseins helfen oder nicht. Dabei bleiben gute Dinge für sie gut und anstrebenswert, sie geht weder abwertend noch ängstlich mit ihnen um, und sie freut sich, wenn sie einiges davon bekommt, aber das Kriterium ihrer Annahme oder Ablehnung ist ausschließlich deren Helfen bzw. Hindern zum Ziel. Ignatius wechselt übrigens an dieser Stelle von „der Mensch“ zum „wir“: Von allgemeiner anthropologischer Aussage geht er zur persönlicheren Form über und spricht vor allem jene Menschen an, die sich auf den Exerzitienweg begeben. Innere Freiheit – so ist „Indifferenz“ wohl am besten übersetzt – ist schwer zu erringen, sie muss durch den ganzen Exerzitienweg und ein Leben lang wachsen, sicher auch immer wieder mit Rückschritten und Umwegen. Zum einen ist sie eine innere Haltung, die die Exerzitantin grundsätzlich und nachhaltig anstrebt, zum anderen „macht“ sich die Exerzitantin (vgl. hacernos, 23) immer dann, wenn sie vor einer Entscheidung steht, für diese neu indifferent.31 Das Gegenbild des indifferent-freien Menschen wäre der Süchtige, der von Mitteln, die ja in der Regel in sich gut sind, so abhängt und sie unter Druck und im Übermaß konsumiert, dass sie ihn einengen und schädigen; er ist nicht nur unfrei in dem, was er entscheidet, sondern er entscheidet nicht mehr. Frei ist der Mensch, der Gutes und Hilfreiches mit Dank, mit Genuss, im rechten Maß, mit Selbstlosigkeit und mit wirklichem Nutzen für sich und für andere annimmt und gebraucht.32
Gott erschafft die Dinge der Welt, auf dass der Mensch sie dankbar genieße und nutze, für gute, göttliche Ziele. In allem ist Gott gegenwärtig und erkennbar. Weil der Mensch jedoch dazu tendiert, sich ungeordnet an Dinge zu binden und sich so von Gott wegführen zu lassen, soll er sich ihnen gegenüber innerlich frei machen. In Exerzitien arbeitet er an dieser im Grunde lebenslangen Aufgabe.
27Karl Rahner, Die ignatianische Mystik der Weltfreudigkeit, in: SW 7, 279–293.
28Rainer Carls (2017) untersucht, ob und inwieweit der ignatianische Ansatz „panentheistisch“ ist. Er zeigt, dass dieser Begriff aus späterer Zeit stammt und auf Ignatius nur eingeschränkt angewandt werden kann, auch wenn er manches erklärt. Carls zeigt auch auf, wie Ignatius in seinem Ansatz aus Augustinus, Thomas von Aquin und Petrus Lombardus schöpft. Die heutige Frage, ob Gott – wenn er in allem ist – auch in Dingen sein kann, die krank oder böse oder tot sind, wird von Ignatius nicht gestellt.
29Sa 288, GG 670.
30Im Deutschen ist die ignatianische „Indifferenz“ zu unterscheiden vom allgemeinen Sprachgebrauch, in dem sie ja abwertend etwas wie Gleichgültigkeit bezeichnet: Wer beispielsweise religiös indifferent ist, hat kein Interesse an Religion, sie ist ihm gleichgültig. Positiv kann „gleichgültig“ freilich auch wie „indifferent“ verstanden werden: Mehrere Dinge sind zunächst einmal gleich gültig.
31Ob Indifferenz das eine oder das andere ist, wurde in der Interpretationsgeschichte kontrovers diskutiert. M.E. spricht nichts dagegen, dass sie beides in Ergänzung und Integration sein kann.
32Dominik Terstriep (2009, 8) schreibt: „Indifferenz wird mal Ausflucht, mal anspruchsvolles Suchen und Unterscheiden. Sie ist vorübergehende Schwebe. Es gelingt ihr, den Differenzen schöpferisch standzuhalten, wenn sie nicht der Gefahr der Vergleichgültigung erliegt. Eine anspruchsvolle Haltung, die gleichermaßen geistliche, geistige, politische, moralische und alltägliche Lebenswelten prägt.“
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