Название: Gott die Ehre
Автор: Stefan Kiechle
Издательство: Bookwire
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783429065454
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Wie eine Waage. Die, die Übungen gibt, darf den Übenden nicht durch das Geben von bestimmten Inhalten in eine Richtung treiben, auch wenn sie aufgrund ihrer Lebenserfahrung oder ihrer geistlichen Kenntnis weiß oder zu wissen meint, was für ihn besser wäre. Vor allem bei persönlichen Entscheidungen, die der Exerzitant im Gespräch mit Gott fällen will oder soll, hält sie sich zurück. Das Bild der Waage (15) bezieht sich auf einen beweglichen Balken, der schwebend mittig auf einem festen Punkt aufruht. An seinen beiden Enden hängen Schalen, die sich zunächst auf gleicher Höhe, eben waagerecht, halten und dann mit Gewichten beschwert werden. Das schwerere Gewicht drückt seine Schale nach unten und die andere nach oben. Wenn die Begleiterin „wie eine Waage“ agiert, bleibt sie beim Entscheiden strikt neutral: Der Exerzitant beschwert selbst die Waagschalen und entdeckt so – durch den Geist, der in ihm wirkt –, welcher seiner alternativen Wege der bessere ist. Befolgt werden soll der Wille Gottes, nicht der Wille der Begleiterin – Entscheidungswege non-direktiv und dennoch helfend zu begleiten gehört zur großen Kunst derer, die die Übungen gibt.26
Freund oder Herr? Ist Gott ein hoher Herr, von dem die Übende abhängt, der sie zwar beschützt und führt und mit Gaben beschenkt, vor dem sie aber auch in Demut und Gehorsam sich zu verneigen hat? Oder ist er ein Freund, mit dem sie sich in gegenseitiger Freiheit trifft und sich partnerschaftlich, gleichsam auf Augenhöhe, austauscht? Ist die Beziehung zu ihm asymmetrisch, ein Geschehen zwischen Ungleichen, oder ist sie symmetrisch, zwischen Gleichen? Bedeutet das „unmittelbar“ eine direkte und äquivalente, quasi auch symbiotische Nähe? – Nun hat Ignatius beide Gottesbilder: Wie aufgezeigt, spricht er oft von Gott als „Herr“ oder „Schöpfer und Herr“ – ihm ist mit Respekt und Vertrauen, auch mit Ehrfurcht und Gehorsam zu begegnen. Allerdings begegnet ihm die Exerzitantin an wenigen, doch bedeutsamen Orten als ihrem „Freund“ – dieses Gottesbild wird immer christologisch gezeichnet: Sie geht ins Gespräch mit dem Gekreuzigten, mit dem man „wie ein Freund zu einem anderen spricht oder ein Diener zu seinem Herrn“ (54) – hier werden ausdrücklich beide Möglichkeiten zur Auswahl gegeben; ähnlich bei der Übung der „Zwei Banner“, in der Christus seine Rede an „alle seine Diener und Freunde“ hält (146); später bringt der Auferstandene „ein Amt zu trösten“, dabei soll man „vergleichen, wie Freunde einander zu trösten pflegen“ (224) – ist Christus als Auferstandener also nicht mehr Herr, sondern immer Freund? Ohne der Versuchung des Überinterpretierens nachzugeben, kann man wohl sagen: Je nach persönlicher Situation darf sich die Exerzitantin Gott als ihrem Herrn oder als ihrem Freund nähern. Als Freund zeigt sich Gott eher in Jesus Christus als im Vater und im Geist: Jesus ist das Gesicht Gottes, mit dem Gott Augenhöhe und Nähe, Partnerschaft und Unmittelbarkeit, ja auch Intimität und „Symbiose“ – enges Zusammenleben – zeigt. In seinem Trösteramt wird der Auferstandene zum Freund der Menschen; das wird noch genauer auszulegen sein. Gott ist Herr und Freund – man braucht die Bilder ja nicht unnötig in Gegensatz zu bringen. Als Herr meint er es so gut wie als Freund: Er erschafft und führt, er heilt und rettet, er tröstet und liebt.
Gott zeigt sich als Schöpfer und Herr. Die Exerzitantin darf ihm unmittelbar begegnen – auch ohne Vermittlung durch Amt und Sakrament. Gott bewegt sie, sie bewegt ihn. Die Begleiterin gibt ihr die Übungen und hilft ihr zur Begegnung, aber sie bleibt wie eine Waage, entscheidet nicht, steuert nicht. In dieser Mystik der Unmittelbarkeit kann Gott dem Menschen Herr oder Freund sein.
21In den Satzungen der Gesellschaft Jesu wird „Schöpfer und Herr“ auch direkt für Jesus Christus angewandt. Beispiele: „in dieser Gesellschaft Jesu unseres Schöpfers und Herrn“ (Sa 51, GG 603); „… um in allem unserem Schöpfer und Herrn zu dienen, der für sie gekreuzigt wurde“ (Sa 66, GG 608); „… dass größerer Lobpreis Christi unseres Schöpfers und Herrn folge“ (Sa 602, GG 755). – Bei Ignatius ist theologische Rede oft auch christologisch deutbar, selbst wenn er selbst diesen Transfer nicht macht.
22Die Inquisition verdächtigte Ignatius wegen dieses Ansatzes, ein Alumbrado zu sein.
23Karl Rahner dazu bewegend in seiner „Rede des Ignatius von Loyola an einen Jesuiten von heute“, in SW 25, 299 ff.
24Dieser Satz wird m. W. von den Kommentatoren vollständig übergangen.
25Näheres bei der Unterscheidung der Geister, Kap. 9.
26Hierzu mehr in Kap. 14. Wenn die „Seele“ sensibel oder unreif ist oder vom Begleiter emotional abhängig wird, kann dieser sie, indem er das Bild der Waage ignoriert, leicht manipulieren und in eine Richtung drängen – hier beginnt der Missbrauch geistlicher Macht, oft subtil und lange unbemerkt.
3.Die Dinge der Welt
Nutzen zum Ziel. „Die übrigen Dinge (cosas) auf dem Angesicht der Welt sind für den Menschen geschaffen und damit sie ihm bei der Verfolgung des Ziels helfen, zu dem er geschaffen ist“ (23). Das klingt arg anthropozentrisch: Haben die „Dinge“ keinen Eigenwert, werden sie nur für den Menschen und nur funktional, instrumentell geschaffen, und dienen sie ausschließlich seinem Nießbrauch? Öffnet Ignatius hier Tür und Tor dafür, die Welt wie mit einem Ritterheer zu erobern, gar die Völker zu unterjochen und sie und die Natur auszubeuten und zu zerstören – mit der bald folgenden Kolonialgeschichte und den heutigen ökologischen Problemen? Nun darf man auch hier nicht überinterpretieren. Ignatius spricht zunächst vom persönlichen Weg des Einzelnen. Mit Karl Rahner kann man von der „ignatianischen Mystik der Weltfreudigkeit“27 sprechen: Die „Dinge der Welt“ sind zunächst nicht verdorben und verführerisch, sondern gut und hilfreich. Der Mensch soll sich an ihnen freuen, sie genießen und nutzen – für sein gegebenes Ziel: Gott zu loben und ihm und den Menschen zu dienen. Dabei ist an ein pflegliches und wertschätzendes Umgehen mit den „Dingen“ zu denken: Vom Schöpfer sind sie geschaffen, damit sie dem Geschöpf Mensch helfen – diese Realität des gemeinsamen Geschaffenseins führt zum wertschätzenden Gebrauchen, dankbar und zielorientiert. Gelobt wird Gott nicht durch zerstörte, sondern durch blühende und singende Natur. Der Exerzitant besinnt sich, welche „Dinge“ – Leib, Seele und Geist; Beziehungen und besondere Gaben; Materielles und die Natur; Lebenschancen aller Art – er von Gott bekam und wie er sie künftig besser nutzen wird, für sich und für andere.
In allem Gott. Weil alle Dinge von Gott kommen, ist Gott „in allen Dingen“ präsent und spürbar. Zum Schwören etwa schreibt Ignatius, dass man nicht bei Geschöpfen schwören soll, denn man binde sich leicht an sie; die „Vollkommenen“ freilich dürften das, denn „… sie betrachten mehr, dass Gott, unser Herr, gemäß seiner eigenen Wesenheit, Gegenwart und Macht in jedem Geschöpf ist“ (39). Am Ende der Exerzitien lässt Ignatius „schauen, wie Gott in allen Geschöpfen wohnt“ – und er beschreibt die verschiedenen Arten von Geschöpfen, bis hin zum Menschen: „… indem er einen Tempel aus mir macht, da ich nach dem Gleichnis und Bild seiner göttlichen Majestät geschaffen bin“ (235). Ignatius kennt mehr die Immanenz Gottes – Gott in den Dingen – als die Transzendenz der Dinge – die Dinge in Gott. Er hält die heikle Balance zwischen zu viel Identität Gottes mit der СКАЧАТЬ