Название: Die große Inflation
Автор: Georg von Wallwitz
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783949203152
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18Die Zitate von Friedrich Bendixen finden sich in: Währungspolitik und Geldtheorie im Lichte des Weltkrieges, S. 27.
19Der Stein der Weisen, so viel ist heute sicher, befindet sich nicht in greifbarer Nähe. Gold kann nicht auf der Erde entstanden sein, ja nicht einmal in unserem Sonnensystem. Die größten hier verfügbaren Kräfte, die etwa im Inneren der Sonne wirken, setzen weniger als 10 MeV pro Nukleon (Proton oder Neutron) frei, was hinreichend ist für die Entstehung von Eisen, nicht aber für alle schwereren Metalle wie Blei oder die Edelmetalle. Die schwereren Elemente entstehen in einem r-Prozess (»r« steht für »rapid«), in welchem bei extrem hohen Temperaturen Neutronen eingefangen und zu neutronenreichen Atomkernen aufgebaut werden, die dann rasch, sehr rasch in die stabilen neutronenreichen Elemente wie Gold (oder instabile, aber langlebige Isotope wie Uran) zerfallen. Ein r-Prozess kommt durch eine Explosion mit sehr vielen Neutronen ins Laufen, aber wo und wie mag es dazu kommen? Astrophysiker gehen heute davon aus, dass die Kollision zweier Neutronensterne oder die Kollision eines Neutronensterns mit einem Schwarzen Loch die nötigen Energiemengen freisetzt. Durch einen galaktischen Zufall werden die so geschaffenen Elemente, als seien es Sternentaler, auf die Erde geschleudert und dort, seit es Menschen gibt, hochgeschätzt. Vgl. dazu Stephan Rosswog: »Out of Neutron Star Rubble Comes Gold«. In: Physics 10, 131, Dez. 2017.
20Wie so oft im Zusammenhang mit monetären Phänomenen lässt sich auch hier oft nicht sagen, wer die Henne ist und was das Ei. Das Horten von Geld kann die Folge, aber auch die Ursache einer Deflation sein.
21Deutsche Bundesbank: Deutsches Geld- und Bankwesen in Zahlen 1876–1975, S. 14, 16, 37f.
Rathenaus Planwirtschaft
Unmittelbar nach Kriegsbeginn schrieb Walther Rathenau einen Brief an den Reichskanzler Theobald von Bethmann-Hollweg, in welchem er sich zur Verfügung stellte, sollte dieser ihn »für die Dauer des Feldzuges für jede, wie immer geartete Tätigkeit verwenden (…) wollen«.22 Bereits am 9. August erhielt er die Gelegenheit, dem preußischen Kriegsminister Erich von Falkenhayn seine Überlegungen zur Organisation des wirtschaftlichen Rückgrats der Kriegsanstrengung zu unterbreiten. Rathenau legte insbesondere dar, wie unter den Bedingungen der Blockade die nötigen Ressourcen für einen Zwei-Fronten-Krieg organisiert werden konnten. Falkenhayn sah in seinem Gesprächspartner nicht nur einen Mann mit guten Ideen, sondern auch den Richtigen, sie umzusetzen. Er beschloss, eine Kriegsrohstoff-Abteilung im Kriegsministerium einzurichten, in der die Beschaffung der kriegswichtigen Ressourcen zentral geplant und besorgt wurde. Zu deren Leiter ernannte er Rathenau, der sich damit plötzlich an einer der entscheidenden Stellen der deutschen Militärmaschinerie wiederfand. Damit nahm er die zu Helfferich spiegelbildliche Funktion ein. Die Mittel, die der Finanzminister irgendwie beschaffte, wurden von Rathenau und seiner Abteilung ihrer Verwendung zugeführt. Rathenau wurde der Mann, der über die Allokation eines großen Teils der staatlichen Ressourcen entschied.
Walther war der Sohn von Emil Rathenau, dem Gründer der Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft (AEG), die es sich zum Ziel gemacht hatte, nach dem Vorbild von Thomas Edisons General Electric Corporation in Deutschland die Stromerzeugung und -verteilung voranzubringen und zu diesem Zweck auch die entsprechenden brauchbaren Produkte auf den Markt zu bringen. Das war eine außerordentliche Idee, denn im selbstverliebten Europa der Belle Époque hatten nur wenige Unternehmer begriffen, dass in den USA nicht nur sehr viel Getreide wuchs, sondern auch neue Techniken entwickelt wurden. So erwarb der ältere Rathenau Edisons Patente auf Glühbirnen für Deutschland. Die AEG war aber auch aus eigenem Recht erfinderisch, wie etwa die Erfindung des Drehstrommotors und die Entwicklung der drahtlosen Telegraphie (im Rahmen der gemeinsam mit Siemens & Halske gegründeten Tochtergesellschaft Telefunken) bewiesen. Die AEG war innerhalb weniger Jahre zu einem der großen Konglomerate in Deutschland aufgestiegen. Siemens und die AEG wurden für die Elektroindustrie, was Thyssen, Krupp und Stinnes für die Kohle- und Eisenindustrie wurden, Bayer, BASF und Höchst für die Chemische Industrie sowie die Deutsche, Dresdner und Danat Bank für die Kreditwirtschaft. Diese nationalen Champions steckten nach dem Vorbild der amerikanischen Trusts oder der mittelalterlichen Zünfte ihre Reviere in Syndikaten (heute »Kartelle« genannt) ab, um Konkurrenz zu vermeiden und Gewinne zu sichern. In den Syndikaten wurden Preise und Produktionsmengen einvernehmlich festgelegt, so dass niemand das Geschäft des anderen beschädigte. Für die Verbraucher bedeutete dies eine stabile Versorgung zu hohen Preisen und für die Unternehmer ein angenehmes Leben, in welchem sie sich nicht um niedrigere Kosten oder bessere Qualität kümmern mussten, um ihren Teil vom Kuchen zu verteidigen. In der wohlgeordneten Kaiserzeit versorgten die Syndikate einen meist dankbaren Staat mit Industriearbeitsplätzen und standen dem rasant steigenden allgemeinen Wohlstand jedenfalls nicht im Wege. Im Gegenzug wurde die Wirtschaft weitgehend in Ruhe gelassen, wenig besteuert und reguliert, in dem Vertrauen, sie werde schon von allein das Richtige tun. Industrielle und Bankiers mochten auf der gesellschaftlichen Bühne hinter Adel und Militär zurückstehen, ihr Ansehen und ihr Einfluss waren durch ihre Staatsnähe dennoch erheblich. In der Regierung standen ihnen die Türen immer offen, ihr Rat wurde gerne gehört und in entsprechenden Gremien institutionalisiert. Sie gehörten zum personellen Motor des Aufstiegs Deutschlands zur wirtschaftlichen (und damit auch militärischen) Großmacht.
In diesem Club der Firmenpatriarchen kannte jeder jeden, man war staatsnah, technikaffin und, je nach Neigung, patriotisch, national oder imperialistisch gesinnt. Walther Rathenau war doppelt Mitglied als Industrieller und Bankier, denn er hatte, um dem Vater seine Tauglichkeit zu beweisen und sich eine Existenz jenseits des Familienbetriebs aufzubauen, 1902 das Angebot angenommen, Vorstand der Berliner Handelsgesellschaft des legendären Bankiers Carl Fürstenberg zu werden. Sein Erfolg als Finanzier konnte ihn nicht darüber hinwegtrösten, dass er in der AEG nie wirklich das Ruder übernehmen durfte. Nach dem Tod seines ursprünglich als Firmenerbe vorgesehenen jüngeren Bruders Erich wurde er zwar Aufsichtsratsvorsitzender, aber in der Rolle eines zahnlosen Erben. Sein Vater hielt ihn für zu weich, für einen Mann von hohen Geistesgaben, dem aber der rohe Geschäftsinstinkt abgehe. Als Vorstandsvorsitzenden berief er Felix СКАЧАТЬ