Die große Inflation. Georg von Wallwitz
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Название: Die große Inflation

Автор: Georg von Wallwitz

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783949203152

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СКАЧАТЬ und außerordentlich werden Menschen oft erst, wenn es ihnen gelingt, Fertigkeiten und Ideen, die sie sich in einem Bereich angeeignet haben, auf einen völlig anderen zu übertragen, um dort etwas Neues zu schaffen. Walther Rathenau war von Ausbildung und Beruf her Techniker und Unternehmer, ein Mann auf dem Boden der Tatsachen. Solche Menschen denken viel über Zwecke nach und die Mittel, die zu ihrer Erreichung nötig sind – welche Produkte sich in welchem Markt zu welchem Preis verkaufen lassen. Manche (nicht eben viele, aber doch einige) geraten dabei ins Grübeln und fragen nach immer höheren Zwecken, ihres Unternehmens, ihrer eigenen Existenz oder des Staates, in dem sie etwas bewegen. Walther Rathenau wurde zu einem solchen Grübler. Er brachte ohnehin eine melancholische Veranlagung mit und einen ausgeprägten Sinn für alles Ästhetische. 1907 ließ er sich von Edvard Munch porträtieren, er umgab sich gerne mit den herausragenden Künstlern seiner Zeit, war gut mit Gerhart Hauptmann, Hugo von Hofmannsthal, Frank Wedekind, Alfred Messel und Harry Graf Kessler befreundet, förderte Maler, Musiker und Bildhauer, Schriftsteller und Journalisten. Er selbst schrieb zeitkritische Essays und Bücher über Philosophie, Ästhetik, Architektur, Ökonomie und Staatskunst, oft in einem schwermütigen, von Einsamkeit geprägten Ton.

      1907 war Rathenau aus der Berliner Handels-Gesellschaft ausgeschieden und wurde Privatier. Er verfasste politische, ökonomische und literarisch-philosophische Schriften, engagierte sich in der deutschen Ostafrikapolitik und kaufte 1909 das Schloss Freienwalde nordöstlich von Berlin, das 1798/99 für Friederike Luise, die Witwe Friedrich Wilhelms II., erbaut worden war, um dort, in einem von Peter Joseph Lenné gestalteten Park, seinen Träumen nachzuhängen und Pläne zu schmieden. Diese exzentrische Figur liebte ihr preußisches Vaterland, wie es im friderizianischen Zeitalter seinen höchsten Ausdruck gefunden haben mochte. Vor dem Krieg sah Rathenau im alten Preußen ein ideales Staatsgebilde, in welchem die Krone und die Stände, die Künste und das Handwerk, das Militär und das Volk einen harmonischen Ausgleich gefunden hatten. Aber auch diese Verehrung war nie ohne Zweifel. So wenig er sich persönlich festlegen mochte, ob er Industrieller, Bankier oder Intellektueller war, so wenig konnte er sich in dem Konflikt zwischen dem altpreußisch-aristokratisch-ländlichen und dem bürgerlich-industriell-städtischen Lager entscheiden. Er gehörte allen Traditionen an, aber keiner mit Konsequenz. Niemand sprach ihm aber seine weltgewandte und kosmopolitische Erscheinung ab, vom Scheitel bis zur Sohle elegant.

      Im Frühjahr 1914 war Rathenau 46 Jahre alt und hatte nahezu alles erreicht, wovon ehrgeizige Männer nur träumen können. Seine Existenz hatte eine traurige Note angenommen, denn er spürte, wie die meisten Männer in diesem schwierigen Alter, dass sich in seinem Leben nicht mehr viel Neues ergeben würde. Wonach noch streben, mit wem sich noch verbinden? Woher die Kraft für einen Aufbruch nehmen, wie das Falsche im Bequemen erkennen, warum Fesseln sprengen? Rathenaus Leben war auf höchstem Niveau langweilig geworden.

      So wollten es die Umstände, dass mit Rathenau ein Mann zur Verfügung stand, wie ihn die Militärführung sich kaum besser wünschen konnte. Denn die sofortige und grenzenlose Bereitstellung der Finanzmittel war nur das eine. Sehr viel anspruchsvoller war die Aufgabe, die Mittel in die richtige Richtung zu leiten und ihre Verwendung zu organisieren. Die Wirtschaft musste auf Kriegsproduktion umgestellt werden. In normalen Zeiten sorgt der freie Markt dafür, dass die richtigen Güter in der richtigen Menge hergestellt werden, aber in einer solchen Situation dauerte der Preisfindungsprozess zu lange, und der Staat wollte und konnte nicht in Konkurrenz mit der privaten Nachfrage treten. Etwa wollte er die Reichsbahn für sich allein nutzen und dabei nicht erst die Reisenden auf dem Weg in die Sommerfrische überbieten müssen. Die Gesetze des Marktes mussten also zu einem guten Teil außer Kraft gesetzt werden. Dazu bedurfte es der Erfahrung in der Planung großer Betriebe, Sinn für Organisation und einen intelligenten Blick auf die Gesamtsituation – Talente, die sich selten in einer Person verbinden, mit denen Rathenau aber reich gesegnet war.