Die große Inflation. Georg von Wallwitz
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Название: Die große Inflation

Автор: Georg von Wallwitz

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783949203152

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СКАЧАТЬ die Macht und (unausgesprochen und unbeabsichtigt) die Aufgabe, Staat und Wirtschaft grundsätzlich neu zu gestalten. Privilegien und Gewohnheitsrechte spielten, angesichts des alles überragenden Ziels, alle Ressourcen des Landes auf den Sieg hin zu konzentrieren, auf einmal keine Rolle mehr. »Eine Aufgabe also«, schrieb Golo Mann, »die seinem doppelten Ingenium wie keine andere entsprach. Hier durfte er zum ersten Mal ganz zeigen, was er konnte, nicht im Interesse dieses oder jenes Unternehmens, viel weniger im eigenen, sondern im Interesse des Staates, an den er leidenschaftlich glaubte, der Nation, der er sich zugehörig fühlte.«29 Rathenau war selten so vollkommen in seinem Element wie zu Anfang des Krieges.

      Unter dem Stichwort »Zwangswirtschaft« ergriff Rathenaus Behörde eine Vielzahl von Maßnahmen. Etwa wurde eine Kriegsgetreidegesellschaft gegründet, welche die gesamte heimische Getreideproduktion und den -import kontrollierte. Das Kriegsernährungsamt war dafür zuständig, die Nahrungsmittel gleichmäßig und insbesondere an die Soldaten, Schwerstarbeiter und Stadtbevölkerung zu verteilen. Bald war eine unüberschaubare Zahl von Ämtern damit beschäftigt, den »richtigen« Preis für die lebensnotwendigen Waren festzusetzen. Aber welcher Preis ist schon richtig? Insbesondere in den Augen der Städter waren das Angebot und die Preise bestenfalls ein Witz. Ihr Zorn richtete sich aber nicht auf die staatlichen Stellen, sondern auf die Einzelhändler, denen sie vorwarfen, die Situation auszunutzen, indem sie knappe Waren in der Hoffnung auf höhere Preise zurückhielten. Im Juli 1915 wurde daher eine Preistreibereiverordnung erlassen, wonach niemand im Kriege eine höhere Gewinnspanne verlangen durfte als zu Friedenszeiten. Um die Richtigkeit der Preise vor dem Gesetz zu gewährleisten, wurden Preisprüfungsstellen dekretiert, die der Volkswirtschaftlichen Abteilung des Kriegsernährungsamts unterstellt waren und auf Kreisebene nicht nur kontrollieren, sondern auch die konsumierende Bevölkerung mit nützlichen Informationen versorgen sollten. Es gab Versuche, den »Kettenhandel« zu verbieten, also Zwischenhändler, Makler und Vermittler aus dem Markt zu verdrängen. Deutschland, das Land der Planer und Organisatoren, entschied sich im Krieg für eine weitgehend gelenkte Wirtschaft.

      Das Vereinigte Königreich ging einen anderen Weg. Die Briten hielten schon lange den Markt für das ordnende Genie, das aus den unzähligen, mehr oder weniger wohlinformierten Entscheidungen der einzelnen Bürger, Unternehmen und Staatsorganen entsteht. War England in den Augen von Adam Smith, Napoleon und einer Reihe anderer kompetenter Beobachter eine nation of shopkeepers, so wollte Deutschland als das Land der Ingenieure glänzen, dessen Planer in den Komitees dank ihres Vorsprungs an Wissen und Erfahrung die besseren Entscheidungen trafen. Großbritannien entschied sich auch und gerade in dieser unsicheren Zeit dagegen, die Produktion staatlich zu organisieren. Vielmehr subventionierte der Staat die Unternehmer und kaufte, wenn die Preissteigerungen unerträglich wurden, hinreichend viele dieser knappen Güter auf, um sie dann zu einem Preis seiner Wahl an die Bevölkerung weiterzugeben. (Das Geld holte er sich über eine Kriegsgewinnsteuer wieder zurück.) Damit ging er bewusst das Risiko ein, zu viel für diese Waren zu zahlen, sind die Kaufleute doch am patriotischsten ihrer eigenen Geldbörse gegenüber. Aber die Preissignale, welche man als den Tastsinn der »Unsichtbaren Hand« in der Marktwirtschaft bezeichnen könnte, blieben erhalten. In Deutschland bedeutete deren Abwesenheit erhebliche Verzerrungen bei Konsum und Produktion, welche die Planer bald an ihre Grenzen brachten.