Название: Hypnose und Achtsamkeit in der Psychoonkologie
Автор: Michael E. Harrer
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Hypnose und Hypnotherapie
isbn: 9783849783365
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In diesem Sinne wünschen wir uns, dass unser Buch zu vielen gelingenden Resonanzerfahrungen beitragen kann.
Salzburg und München im Frühling 2021 Michael E. Harrer und Hansjörg Ebell
Anmerkung: Uns ist wichtig, zumindest in der Einführung ausdrücklich Leserinnen und Leser anzusprechen, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, Ärztinnen und Ärzte, Frauen und Männer aus allen Berufsgruppen, aber auch Patientinnen und Patienten, Klientinnen und Klienten. Wenn wir in der Folge das generische Maskulinum verwenden, dann tun wir das auf Wunsch des Verlags im Sinne einer leichteren Lesbarkeit.
Als Ärzte sprechen wir in diesem Buch von Patienten (und nicht von Klienten), auch um das mit der Krankheit verbundene Leiden zu würdigen (lat. patiens, dt. »erduldend, leidend«). Wenn wir handelnde und behandelnde Personen als Behandler bezeichnen, meinen wir Vertreter und Vertreterinnen aller in einer zeitgemäßen interdisziplinären onkologischen Versorgung beteiligten Berufsgruppen, deren Aufgaben und Themen sich überschneiden.
2Begleitung ein Stück des Weges: Die Geschichte von Frau S.
Frau S. wird unmittelbar nach der Geburt ihres ersten, gesunden Kindes mitgeteilt, dass sowohl die chirurgische Entfernung eines Eierstocks als auch eine anschließende Chemotherapie notwendig seien. Die letzten drei Monate ihrer Schwangerschaft muss die 35-jährige Patientin wegen vorzeitiger Wehen in der Universitätsklinik stationär behandelt werden. Sie muss strikte Bettruhe einhalten, weil die wehenhemmenden Medikamente die Leber so schwer belasten, dass sie abgesetzt werden müssen. Eine Zyste im linken Eierstock wird immer wieder mittels Ultraschall untersucht. Die häufigen Kontrollen, die von Frau S. als ausweichend erlebten Erklärungen und der besorgte Gesichtsausdruck des untersuchenden Arztes steigern ihre Ängste, es könnte sich um eine bösartige Gewebeveränderung handeln. In der bei der Entbindung mittels Kaiserschnitt entnommenen Gewebeprobe werden dann tatsächlich Krebszellen gefunden. Aus dem Verdacht wird Gewissheit. In einer Folgeoperation wird der betroffene Eierstock entfernt. Bei diesem Eingriff entleert sich Zysteninhalt in den Bauchraum. Darum wird eine anschließende Chemotherapie aus medizinischer Sicht für unbedingt erforderlich gehalten. Der erste Therapiezyklus erfolgt unmittelbar nach der zweiten Operation und löst bei Frau S. extreme Übelkeit mit Erbrechen aus.
Nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus ist Frau S. so erschöpft, dass es für sie unvorstellbar ist, den vorgesehenen zweiten und dritten Zyklus der Chemotherapie als ambulante Nachbehandlung zu überstehen. Ihre Befürchtungen werden dadurch genährt, dass sie im Aufklärungsgespräch daraufhingewiesen wurde, dass die Nebenwirkungen von Chemotherapien in der Regel mit jedem Zyklus stärker würden. Der psychoonkologische Konsiliardienst der Klinik empfiehlt ihr in dieser Situation dringend, psychotherapeutische Unterstützung in Anspruch zu nehmen.
Bei unserem ersten Gespräch in meiner Praxis (Hansjörg Ebell, HE) bekommen die Tragik und Dramatik ihrer Erfahrungen viel Raum: Anstatt nach der Geburt ihr Baby stillen und umsorgen zu können, findet der von der Patientin als »Horrortrip« erlebte stationäre Krankenhausaufenthalt nicht nur kein Ende, sondern setzt sich fort und steigert sich noch weiter. Insbesondere die Aussage des behandelnden Arztes, der ihr die Notwendigkeit einer Chemotherapie eindringlich klar machen wollte, hat Frau S. sehr verängstigt, aber auch wütend gemacht. Bei ihr ist sinngemäß angekommen, sie müsse zustimmen, denn sie wolle ja nicht, dass ihr Kind in vier Jahren nur noch ein Foto von ihr als Erinnerung hat.
Unabhängig davon, wie der genaue Wortlaut gewesen ist oder ob sie den Arzt »nur« falsch verstanden hat, überprüfen wir diese und ähnliche Aussagen in späteren Therapiesitzungen gründlich darauf, welche positiven und/oder negativen Botschaften darin enthalten sind. Nachdem Frau S. Ruhe und Stabilität wiedergewonnen hat, können viele negative Suggestionen bearbeitet und wie alte Munition entschärft werden. Aus hypnotherapeutischer Sicht ist entscheidend, wie die als starke Suggestionen zu betrachtenden Sätze bei der Patientin angekommen sind, und nicht, was genau gesagt wurde.
Frau S. fühlt sich in ihrer Überforderung und Verzweiflung verstanden und angenommen. Allein das führt zu einer spürbaren Beruhigung. Von der Notwendigkeit der vorgeschlagenen Chemotherapie ist sie überzeugt. So konzentrieren wir uns auf eine gemeinsame Suche danach, was ihr helfen könnte, die im zweiten Zyklus verabreichten Medikamente besser zu vertragen und zuversichtlicher in die Zukunft zu schauen trotz ihrer Erschöpfung und der schlimmen Erfahrungen im ersten Therapiezyklus. Frau S. setzt nun ihre Hoffnung darauf, dass die Infusionen auch die letzte Krebszelle, die bei der Gewebeentnahme »entkommen« sein könnte, erreichen und vernichten – auch wenn es dafür keine Garantie gibt.
Nichts ist ihr wichtiger, als möglichst bald in der Lage zu sein, sich um ihr Kind zu kümmern, das bisher vom Ehemann und ihren Eltern zu Hause liebevoll versorgt wird. Als Gegengewicht zu den in den letzten Monaten vorherrschenden Gefühlen von Ohnmacht und Hilflosigkeit macht sie in Hypnose und Selbsthypnose wohltuende und stärkende Erfahrungen.
Erste Hypnose: Nach wenigen Suggestionen, es sich auf ihrem gepolsterten Stuhl mit einer hohen Lehne möglichst bequem zu machen, sich zurückzulehnen und ihr Körpergewicht als angenehme Schwere zu genießen, lehnt Frau S. ihren Kopf zurück – und ihre Augen schließen sich.
»Einerseits wissen Sie, dass Sie hier und heute [Datum] in meiner Praxis sitzen, angenehm schwer auf diesem bequemen Stuhl, andererseits können Sie den Wunsch verspüren, dass Sie viel lieber ganz woanders wären, wo es Ihnen richtig gut geht, wo auch immer das sein mag – an einem Ort oder besser in einem intensiven Erleben oder einer Erfahrung, die Ihnen helfen kann. Eine Erfahrung, die Ihnen erlaubt, all das, was wir vorher auf der bewussten Ebene an Schwierigem und Herausforderndem ausführlich besprochen haben, für eine Weile weit hinter sich zu lassen, um endlich zur Ruhe zu kommen und Kraft zu schöpfen – insbesondere im Hinblick auf die demnächst anstehende zweite Chemotherapie.«
Ihr Gesicht wirkt entspannt. Frau S. atmet ruhig und regelmäßig.
»Wenn Sie nun immer tiefer eintauchen in ein Gefühl des Wohlbefindens und der Sicherheit nach diesen anstrengenden und herausfordernden Wochen, ja Monaten, können Sie jetzt – gespeist aus Ihren guten Erinnerungen – mit allen Sinnesqualitäten, mit dem, was Sie jetzt spüren, sehen und hören, vielleicht sogar riechen und schmecken, erleben, dass es Ihnen richtig gut geht. Je tiefer Sie eintauchen können in dieses intensive und gute Erleben, umso leichter könnte sich eine der beiden Hände anfühlen, während die andere sich immer schwerer, angenehm schwer, anfühlen wird.«
Beide Hände sind auf den Oberschenkeln bequem abgelegt. Die rechte Hand bewegt sich nun ein wenig, rutscht ein paar Millimeter zurück, am ehesten infolge der muskulären Entspannung in den Oberarmen und Schultern.
»Vielleicht kann die rechte Hand sich sogar so leicht anfühlen, dass sie zu schweben beginnt – ganz von allein, ohne Ihr aktives Zutun – als Zeichen dafür, dass Sie immer tiefer eintauchen in Ihr erholsames, gutes Erleben. Ein Erleben, das Ihnen erlaubt, nicht nur jetzt und hier und heute zur Ruhe zu kommen, sondern Ihnen auch gute Dienste erweisen kann, wenn Sie demnächst Ihre nächste Infusion bekommen und dann auf einer bequemen Liege liegen werden und sich ganz auf das konzentrieren können, was Ihnen guttut.«
Die Hand hebt sich ganz allmählich und ruckartig, wie durch ein Zahnrad angetrieben, einige Zentimeter nach oben und schwebt nun über dem Stoff der Hose.
»Solange СКАЧАТЬ