Hypnose und Achtsamkeit in der Psychoonkologie. Michael E. Harrer
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СКАЧАТЬ mit dem Patienten spricht, ihn bei seinen Entscheidungsprozessen berät und unterstützt, das Vorgehen mit ihm abstimmt und danach auch über den weiteren Verlauf den Überblick behält, ist dann oft nicht mehr so klar und eindeutig festgelegt.

      Die moderne Onkologie handelt arbeitsteilig und multiprofessionell. Am erfolgreichsten ist die Behandlung, wenn es gelingt, die Vielfalt des Wissens der beteiligten Berufsgruppen und Personen und deren Austausch als Bereicherung zu erfahren. Vom Spezialisten bis zum Hausarzt, vom Strahlentherapeuten bis zum Psychiater, von Pflegepersonen, Sozialarbeitern, Seelsorgern bis hin zum Psychoonkologen. Es bedarf gelingender Kommunikation, die Beiträge aller zu integrieren und gemeinsam mit dem Patienten einen Gesamtbehandlungsplan zu dessen Wohl auszuhandeln.

      Die Sehnsucht vieler Patienten nach einem »Halbgott in Weiß«, der alles kann und weiß, ist gerade in Zeiten der Not gut nachvollziehbar. Im Idealfall laufen alle Fäden bei einer möglichst kontinuierlich und verlässlich zur Verfügung stehenden Person zusammen. Im optimalen Fall wäre das ein Onkologe mit medizinischer, psychosozialer und kommunikativer Kompetenz. Das Beiziehen von Spezialisten aus den sogenannten Psychofächern, sei es ein Psychoonkologe oder Psychiater, wird von Patienten oft als zusätzliche Stigmatisierung und auf der Beziehungsebene als Abweisung erlebt. Manchmal berät der Hausarzt den Patienten; an einigen Tumorzentren gibt es Case-Manager. Nach positiven Erfahrungen schreibt der Patient auch nicht selten dem Psychoonkologen die Rolle zu, ihm bei Entscheidungen beizustehen und ihn zu beraten.

      Bei jeglicher Behandlung ist die Bildung einer therapeutischen Allianz Voraussetzung für deren Erfolg. Dazu bedarf es dreier Säulen: einer Vertrauensbeziehung, einer Übereinkunft über die Ziele und einer Einigung über die Mittel der Behandlung (Bordin 1979). Auf die Einbettung der Behandlung und Kommunikation in Beziehungskontexte werden wir im Rahmen unseres Konzepts in den Abschnitten 4.3 und 6.5.2 ausführlich eingehen. Für die unterschiedlichen Ziele in der Onkologie und die zu deren Erreichung eingesetzten Mittel gibt es eine Vielzahl von Spezialisten. Die Delegation der Aufgaben an verschiedene Personen und Berufsgruppen führt dazu, dass Patienten die Behandlung oft als fragmentiert erleben, weil häufig einer nicht vom anderen weiß, Informationen fehlen und sich deren Zielsetzungen nicht selten widersprechen oder gar nicht explizit zum Thema gemacht werden. Das Aushandeln einer Übereinkunft über die im Gesamtbehandlungsplan einzusetzenden Mittel ist jener Bestandteil einer therapeutischen Allianz, der in der Onkologie wohl am häufigsten zu kurz kommt.

      Von den Behandlern wird viel erhofft und erwartet. Die Vielfalt der Bedürfnisse von Patienten kann nur aus einer entsprechenden Vielzahl von Rollen heraus erfüllt werden. Die Annahme, es könne eine Person geben, die all diese aus Patientensicht wünschenswerten Rollen erfüllt, erscheint unrealistisch.

      Da ist die Rolle des medizinischen Spezialisten, der die Diagnostik beherrscht und über Therapieoptionen Bescheid weiß und diesbezüglich berät oder auf Wunsch des Patienten sogar entscheidet. Diese Rolle sollte sich mit der eines Kommunikationsspezialisten verbinden, der die Informationen individuell angepasst verständlich und in »verdaulichen« Portionen vermittelt. Er sollte dialogfähig sein, sich empathisch in den Patienten einfühlen können und ihn aus dieser Einfühlung heraus individualisiert beraten können. Er sollte sich nicht aus der Ruhe bringen lassen, Hoffnung und Zuversicht vermitteln und zugleich realistisch sein. Es sollte immer jemanden geben, der Lösungen für die ständig auftauchenden Probleme kennt oder der zumindest weiß, wer Ideen dazu haben könnte. Jemand sollte bei der Krankheitsbewältigung unterstützen und dem Patienten Erfahrungen von Selbstwirksamkeit ermöglichen, indem er ihn auch darin berät, wie dieser selbst zu seinem Wohlergehen beitragen kann. Wenn alles Mögliche getan, alles Lösbare gelöst und alles, was gesagt werden muss, gesagt ist, bedarf es einer professionellen, mitmenschlichen Präsenz (S. 171 ff.).

      Diese vielen Rollen überfordern einen einzelnen Arzt. Zudem entsprechen sie kaum den Rollenbildern, die sich aus dem Selbstbild vieler Ärzte ergeben. Dieses ist in der Onkologie von den oben beschriebenen Mythen geprägt, vom Arzt als Kämpfer gegen den Krebs oder gar den Tod. Für manche Ärzte fühlt es sich an, als hätten sie selbst den Kampf verloren, wenn ihr Patient stirbt. In der klassischen Kampfmetapher gibt es nur zwei mögliche Ausgänge: Man wird zum Sieger oder Verlierer. In der modernen Krebsmedizin ist jedoch bei vielen Patienten, um in der Kriegsmetapher zu bleiben, ein länger dauernder Waffenstillstand ein angemessenes Ziel. Je ohnmächtiger sich Menschen fühlen, umso überlebensnotwendiger ist ein Erleben von Kontrolle. So wird in der Medizin viel getan, um Kontrollillusionen zu schaffen oder aufrechtzuerhalten. Dazu dienen auch Vorstellungen, Krebserkrankungen oder deren Therapie mit einfachen linear-kausalen Modellen erklären und beherrschen zu können.

      Michael Balint (2019) benannte es schon vor über fünfzig Jahren als »apostolische Funktion des Arztes«, wenn dieser glaubt, er besäße die Offenbarung darüber, was das Richtige für den Patienten sei, und es sei seine heilige Pflicht, die Unwissenden und Ungläubigen unter den Patienten zu diesem, seinem Glauben zu bekehren. Es besteht die Gefahr, dass unter dem Mantel einer evidenzbasierten Medizin, die sich ausschließlich auf die Ergebnisse kontrollierter Studien bezieht, diese apostolische Funktion im Selbstverständnis von Ärzten wieder bestärkt wird. Balint hat seine Warnung bezüglich der apostolischen Funktion des Arztes noch durch das Bild der »Droge Arzt« bzw. des »Arztes als Arznei« ergänzt. Seine Ehefrau – die Psychoanalytikerin Enid Balint (1969) – hat den Begriff der patientenzentrierten Medizin geprägt und sich um deren Integration in ein ansonsten krankheitszentriertes Vorgehen bemüht.

      Psychoonkologen stellt sich die Frage, wie sie den Patienten dabei unterstützen können, Menschen zu finden, die die für ihn notwendigen Rollen ausfüllen, und welche der geforderten Rollen sie selbst einnehmen können. Das hängt selbstverständlich auch vom Quellenberuf der psychoonkologisch Tätigen ab. Eine Rolle, die sich für uns Autoren bewährt hat, ist die eines Reisebegleiters (Ebell 2008b).

      Die gemeinsame Reise führt in ein unbekanntes Gebiet, in die einzigartige individuelle Wirklichkeit des Patienten. Auch wenn der Verlauf der Reise offen ist, gibt es Gründe, zuversichtlich zu sein. Bei der Reiseplanung und den notwendigen Entscheidungen wirken der Patient und sein Begleiter zusammen. Sind Berge zu erklimmen, weiß der Bergführer über die Wege Bescheid, die zum Gipfel führen. Er weiß um Möglichkeiten, schwierige Stellen zu passieren. Der Patient bestimmt, welche Ziele er erreichen und welche Gipfel er besteigen will. Dazu werden gemeinsam realistische Etappen- und Tagesziele formuliert. Oft ist der Weg allerdings im Vorhinein nicht klar. Von östlicher Weisheit inspirierte Reisebegleiter vertrauen darauf, dass sich im Laufe des Weges immer wieder neue Ausblicke und Perspektiven ergeben und der Weg beim Gehen entsteht.

      Neben der Rolle des Reisebegleiters ist es oft Aufgabe des psychoonkologisch Tätigen, die Kommunikation der relevanten Beteiligten zu unterstützen und Dialoge zu ermöglichen. Oft geht es um eine ergänzende Sicht auf die Dinge, um neue Perspektiven, um einen neuen Blick, um wohlwollende Augen, um Zeugenschaft und Verständnis für das, was dem Patienten widerfährt. Oft ist gefragt, bei der Fokussierung der Spezialisten auf ihre jeweiligen Bäume, den Wald nicht aus den Augen zu verlieren. Oft geht es um einen gemeinsamen Blick, der über eine Momentaufnahme hinausgeht, und um ein daraus entwickeltes Feedback an den Patienten, einen Blick, der auch die Vergangenheit und Zukunft mit einbezieht: in der Rückschau die Erinnerung daran, was der Patient schon geschafft hat und welche Entwicklungen schon möglich waren. In der gemeinsamen Betrachtung, wo er im Moment steht, und dessen, wo die Reise insgesamt hingeht und welche nächsten Schritte in diese Richtung führen. Dabei gilt der Fokus immer dem, was dem Patienten selbst wichtig ist und bedeutungsvoll erscheint. Sich daran immer wieder zu erinnern, ist von zentraler Bedeutung, gerade, wenn die Zeit knapp ist oder knapp werden könnte.

      Nicht zuletzt werden die Rollen und Handlungsspielräume der Behandler maßgeblich durch das Gesundheitssystem bestimmt, in dessen Rahmen sie СКАЧАТЬ