Hypnose und Achtsamkeit in der Psychoonkologie. Michael E. Harrer
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       Geleitwort aus onkologischer Perspektive

      Auch wenn Zusammenhänge zwischen seelischem Erleben und der Entstehung oder dem Verlauf von Krebserkrankungen im Laufe der Medizingeschichte immer wieder beschrieben worden sind, ist die Psychoonkologie als interdisziplinäres wissenschaftliches Fachgebiet kaum 50 Jahre alt. Sie richtet ihre Aufmerksamkeit im klinischen Bereich weniger auf die Krankheit der Betroffenen, sondern auf ihr Kranksein, und dies mit der Zielsetzung, ein gutes Leben trotz, mit und nach einer Krebserkrankung wahrscheinlicher werden zu lassen. Ein Pionier der modernen Psychoonkologie, der Zürcher Psychiater und Psychoanalytiker Fritz Meerwein, schrieb vor 40 Jahren in seiner Einführung in die Psycho-Onkologie, dem ersten deutschsprachigen Lehrbuch des Fachgebiets (Meerwein 1981, S. 11):

      »Psychologisch gesprochen spielt sich das Krebsleiden im sogenannten ›Selbst‹ der Patienten ab. Als Selbst wird die teils bewusste, teils unbewusste innere Vorstellung bezeichnet, die sich der Mensch im Verlauf seines Lebens von sich gebildet hat. Sie enthält den Niederschlag sowohl der guten wie der schlechten Erfahrungen, die seit frühester Kindheit im Umgang mit dem eigenen Körper, der eigenen Person, aber auch den wichtigsten Bezugspersonen des alltäglichen Lebens erworben worden sind. Die Qualität dieser Erfahrungen sowie die Fähigkeit, diese Erfahrungen zu verarbeiten und nutzbringend anzuwenden, bestimmen den Grad der Selbstachtung, über die ein Mensch verfügen kann. Seelisches Wohlbefinden ist ohne Besitz eines gewissen Ausmaßes solcher Selbstachtung nicht möglich.«

      Inzwischen gibt es viele Psychoonkologie-Fachbücher, und zu etlichen durfte auch ich beitragen. Wie kaum ein anderes stellt jedoch das vorliegende Buch von Michael Harrer und Hansjörg Ebell, beides Ärzte und Psychotherapeuten, das »Selbst« der Krebsbetroffenen und gleichzeitig selbstreflexiv das der Therapeuten und damit die Patient-Therapeut-Beziehung in den Mittelpunkt – ohne überhaupt diese psychoanalytische Terminologie zu verwenden.

      Beim Lesen wird durchgängig klar: Die beiden Autoren schöpfen aus dem reichen Erfahrungsschatz einer jahrzehntelangen patientenorientierten Praxis. Diese dekonstruieren sie mit Fallbeispielen, um modellhaft transparent zu machen, wie sie Patienten konkret helfen und professionell begleiten. Sie befassen sich dabei mit allen Aspekten von Krebserkrankungen: von der Krebsangst, der Diagnose und Aufklärung, behandlungsassoziierten Beschwerden, über Nachsorge und »Survivorship« bis zur psychoonkologischen Begleitung in der Palliativmedizin und Sterbephase.

      Ein Buch mit dem Titel Hypnose und Achtsamkeit würden viele Ärzte vielleicht der Ecke im Buchladen zuordnen, in der esoterische Gesundheitsliteratur mit Patientenratgebern schmust. Dieses Buch sollte sich im Regal dagegen neben den klassischen Lehrbüchern der Onkologie, Schmerztherapie, Allgemeinmedizin, Krankenpflege und Psychotherapie platziert finden. Beim Lesen ist es genauso aufschlussreich wie erfrischend, wie die Autoren Hypnose und Hypnotherapie entmystifizieren, aufzeigen, dass es nicht um theatralische Manipulation geht, sondern um Anleitung zur Selbstermächtigung und Selbstwirksamkeit.

      Suggestive Kommunikation findet häufig und überall im klinischen Alltag statt. Sei es das Stirnrunzeln des Arztes beim Blick auf ein Röntgenbild bei der Visite mit einem in den Raum gesprochenen »Sieht nicht gut aus!« oder die Autosuggestion einer Patientin: »Mein Immunsystem ist schon immer schwach.« Derartige negative Suggestionen und Autosuggestionen sind die Essenz von Nocebos. Andere Suggestionen und Autosuggestionen können dagegen nicht nur die Wirklichkeit anders erleben lassen, sondern diese auch klinisch relevant positiv verändern – nicht nur bei Ängsten, Schmerzen oder chemotherapieassoziierten Symptomen wie Übelkeit und Erbrechen.

      Eine junge Frau kommt nach einer erfolgreichen Krebsbehandlung zu einer onkologischen Kontrolluntersuchung zu mir: »Ich konnte die ganze letzte Nacht nicht schlafen. Zwischendurch habe ich dann geträumt, dass ich vor dem Krankenhaus stand und würfeln musste, mit einem Riesenwürfel. Ich habe eine Drei gewürfelt. In der Schule früher war ich auch eine ›Dreierschülerin‹.« Im klinischen Alltag werden derartige – häufige – Narrative und innere Bilder meist als Small Talk ignoriert. Das vorliegende Buch sensibilisiert dafür, sie auch in der nicht psychotherapeutischen Begegnung diagnostisch und therapeutisch zu nutzen und durch Aufmerksamkeitslenkung oder Teilearbeit zu verändern.

      Selbst ein todkranker Patient ist nie nur krank. Er hat auch gesunde Anteile, und seien es »nur« Erinnerungsbilder. Derartige Ressourcen werden von Ärzten und anderen professionellen Helfern oft gar nicht wahrgenommen. Dabei können sie von ihnen viel lernen und sie therapeutisch nutzen.

      Das Buch thematisiert Werte- und Bedürfnisperspektiven im therapeutischen Prozess sowie Elemente der Salutogenese, beispielsweise Sinn als Orientierungshilfe. Diese Elemente überschneiden sich mit dem Konzept von Achtsamkeit im Verständnis von rezeptiver Aufmerksamkeit und nicht wertender Bewusstheit von momentanen Vorgängen und Erfahrungen. Die beiden Autoren beschreiben Hypnose und Achtsamkeit als Tandem. Dabei beziehen sie sich nicht nur auf die therapeutische Anleitung von Patienten zur Achtsamkeit, sondern auch auf die Achtsamkeit der Therapeuten in der hypnosystemischen Therapie.

      Das Buch brilliert mit seiner klaren Didaktik, die den komplexen Inhalt sehr gut vermittelt und ein empathisches Interesse an und in der therapeutischen Begegnung weckt. Auch bei den Ausführungen zur Achtsamkeitsphilosophie des Buddhismus vermeidet es jegliches Missionieren, und bei der hilfreichen Übersicht über psychoonkologische Konzepte verzichten die Autoren auf ideologische Wertungen. Sie betrachten Therapie und jede hilfreiche therapeutische Beziehung, ob in der Chirurgie, der Strahlenmedizin, der invasiven Schmerztherapie oder der Allgemeinarztpraxis, als resonante, symmetrische Beziehung, in der Erstarrtes wieder lebendig schwingen und Sinnhaftigkeit schaffen kann.

      Ich kann dem Buch nur möglichst breite Resonanz in der Medizin, nicht nur bei psychoonkologischen Experten wünschen. Für Letztere sollte es Basislektüre sein.

       Herbert Kappauf Facharzt für Innere Medizin, Hämatologie, Onkologie und Palliativmedizin Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

       Geleitwort aus hypnotherapeutischer Perspektive

      Michael E. Harrer und Hansjörg Ebell lösen sich in ihrer Darstellung weitgehend von einer Orientierung an Methoden – und seien es Hypnose und Achtsamkeit. Sie legen vielmehr Wert auf die Vermittlung der wesentlichen Elemente hypnotherapeutischer Kommunikation und beschreiben für die psychoonkologische Praxis eine Vielzahl von kreativen, prozessinduzierenden und -steuernden verbalen und nonverbalen Interaktionsformen. Diese Elemente sind lösungs- und heilungsorientiert und in einem hypnosystemischen Gesamtverständnis verortet, das darauf vertraut, dem Patienten innewohnende Ressourcen verwenden zu können. Auch aus Sicht der aktuellen Therapieforschung sind »therapeutisch wirksame Kommunikation« und eine gute, vertrauensvolle therapeutische Beziehung die wesentlichen Wirkfaktoren – und keineswegs irgendwelche »wirkmächtigen Techniken oder Methoden«.

      Als erfahrene Hypnotherapeuten lieben beide Autoren die Arbeit mit Metaphern. Ihr Buch beeindruckt durch die gekonnte Umsetzung der Metapher des Teppichwebens. Auch die Fallgeschichten verdeutlichen diese handwerkliche Kunst und lassen sie lebendig werden. Mittels theoretischer und praktischer Querverbindungen und Verknüpfungen verweben die Autoren unterschiedliche Auffassungen von Krankheit und Heilung sowie von therapeutischen Ansätzen zu einem aktuellen, ganzheitlichen und »multimodalen« Behandlungskonzept für die Psychoonkologie. Zentral ist ihr Modell einer Pyramide therapeutisch wirksamer Kommunikation, deren Spitze das oberste Ziel der beiden Autoren bildet: die selbsthypnotischen Fähigkeiten und die Autonomie der Patienten zu fördern.

      Die in diesem Buch verwendete Resonanzmetapher СКАЧАТЬ