Название: Hypnose und Achtsamkeit in der Psychoonkologie
Автор: Michael E. Harrer
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Hypnose und Hypnotherapie
isbn: 9783849783365
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Der Begriff Symphonie bezeichnet Instrumentalwerke mit einer über die Jahrhunderte wechselnden Form und Besetzung. In diesem Fall wurde eine Symphonie für zwei Soloinstrumente – Hypnose und Achtsamkeit – komponiert. Ihr Hauptthema einer »resonanzbasierten und patientenzentrierten Psychoonkologie« klingt in unterschiedlichsten Variationen und Beispielen an. Auch wenn sich beide Instrumente zu ähneln scheinen, unterscheiden sie sich doch in ihrem Klangcharakter. Der im gekonnten Zusammenspiel entstehende zauberhafte Klang und die universelle Resonanz kann Wunder wirken.
Doch worauf gründet sich die dominierende Rolle dieser beiden herausragenden Soloinstrumente? Milton Erickson und Buddha repräsentieren im vorliegenden Buch die lange Geschichte der beiden Instrumente. Im Orchester zeitgenössischer tiefenpsychologischer, verhaltenstherapeutischer und systemischer Behandlungskonzepte spielen sie als tragendes Grundthema Melodien von den grundlegenden Haltungen zum Leben und Menschsein. Die Symphonie ist einer Patient-Behandler-Beziehung gewidmet, die mittels therapeutisch wirksamer Kommunikation gelingt.
Seit über 40 Jahren fasziniert mich das Phänomen Hypnose und speziell der hypnotisch veränderte Bewusstseinszustand in der psychotherapeutischen Begegnung. Beim Lesen des Buches tauchen in meiner Erinnerung viele in diesen Jahrzehnten mit Hansjörg Ebell gemeinsam erlebte Situationen auf: angeregte Gespräche und kollegiale Diskussionen auf Hypnosetagungen und internationalen Kongressen, in denen wir mit vielen geschätzten Kollegen und Kolleginnen engagiert um das Verständnis von Hypnose und ihrer therapeutischen Anwendung im Bereich von Psychotherapie und Medizin gerungen haben. Das vorliegende Buch ist eine gelungene Integration von Hypnose und Achtsamkeit – sowohl in der Theorie als auch in der Praxis – für den psychoonkologischen Bereich und bietet einen Kanon der wertschätzenden und hilfreichen Kommunikation für Patient und Behandler an.
Im wissenschaftlichen Bereich konnte man sich in den letzten Jahren mehr oder weniger auf die Definition von Elkins et al. (2015) einigen: »Hypnose ist ein veränderter Bewusstseinszustand mit einer fokussierten Aufmerksamkeit, reduziertem peripheren Gewahrsein und erhöhter Fähigkeit, auf Suggestionen zu reagieren.« Gut eingebettet in einen medizinisch-onkologischen Behandlungskontext reicht das differenzierte und gleichzeitig pragmatische Verständnis der Autoren für Hypnose von einem »zeitgenössischen Etikett für ein archaisches Heilungsritual« bis hin zu einem »heilungsfördernden (sozio)psychophysiologischen Zustand«.
Beim Lesen dieses Buches fand ich mich immer wieder in kreativen Trancezuständen wieder, wohl induziert durch die Fülle und Komplexität der hypnotherapeutischen Themen in ihrer Kombination mit psychoonkologischen Inhalten und der Fundierung der Achtsamkeit in der buddhistischen Psychologie. So möchte ich für dessen Lektüre jedem Leser gerne ein Wort von Milton Erickson mitgeben: »Enlightenment is always preceded by confusion« (Der Erleuchtung geht immer Verwirrung voraus).
Norbert Loth Gründungsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Hypnose und Hypnotherapie e. V. (DGH)
1Worum es geht – eine Einführung
Ich (Michael E. Harrer, MEH) erinnere mich noch gut an den ersten Patienten, zu dem ich als frischgebackener psychoonkologischer Liaisonpsychiater »notfallmäßig« gerufen wurde. Vor ihm stand ein Tablett voller Infusionsflaschen unterschiedlicher Größe mit roten und klaren Flüssigkeiten, deren Verabreichung er verweigerte. Nachdem ich seine Bedenken verstanden hatte, konnte ich ihn dabei unterstützen, mit seinem Arzt einen neuen, für ihn passenden Behandlungsplan auszuhandeln. Aus einem späteren Gespräch ist mir ein Satz von ihm in Erinnerung geblieben: »Seit ich krank bin, höre ich wieder das Singen der Vögel.«
Inzwischen sind Jahrzehnte vergangen. Als mich Hansjörg Ebell fragte, ob wir gemeinsam ein Buch schreiben, in dem wir versuchen, unsere Erfahrungen in der Begleitung krebskranker Menschen weiterzugeben, war ich begeistert. Es ist recht umfangreich geworden, da wir uns die Aufgabe gestellt haben, viele Anregungen für die Praxis wie Fäden zu einem Teppich mit wiederkehrenden Mustern zu verweben.
Vier Kettfäden: Die Phasen im Verlauf der Erkrankung, das subjektive Leiden der Patienten, die Beziehungsdimension sowie eine therapeutisch wirksame Kommunikation
Das Weben eines Teppichs beginnt mit dem Aufspannen der sogenannten Kettfäden. Das sind jene Fäden, die auf einem Webstuhl in Längsrichtung verlaufen und sich durch das gesamte Gewebe ziehen. Als solche sehen wir in unserem Buch vier Themen:
Der erste, in der Mitte ausgespannte Faden strukturiert und gliedert. Er bezieht sich auf die zeitlich-biografische Dimension einer Krebserkrankung und die idealtypischen Phasen ihres Verlaufs. Dieser beginnt bei der Diagnostik, Diagnosemitteilung und Therapieplanung. Es folgt die Zeit der Therapie bis hin zur Heilung und einer notwendigen Neuorientierung als Überlebender oder »Survivor« (Abschn. 8.1.2). Die Krankheit kann aber auch chronisch verlaufen, und Rezidive sind jederzeit möglich. Wenn eine Krebserkrankung zum Tode führt, stellt sich die Aufgabe, Menschen in ihrer letzten Krankheitsphase zu begleiten, die dann auch zur letzten Phase ihres Lebens wird.
Inmitten einer hochgerüsteten Hightechmedizin und angesichts des Dominierens eines störungsspezifischen Denkens und Vorgehens auch in der Psychotherapie wollen wir die einzelnen Patientinnen und Patienten mit ihrem subjektiven Erleben und Leiden, aber auch mit ihren Sehnsüchten und Zielen in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rücken. So durchzieht das Buch als zweiter Kettfaden die Beschreibung des subjektiven Leidens der Patientinnen und Patienten auf den unterschiedlichen Wegstrecken und mit den phasenspezifischen Bedürfnissen. Die stetige Erinnerung an die Bedürfnisbrille soll die Aufmerksamkeit der begleitenden Behandler umlenken: weg vom Fokus auf zu behebende Symptome und Störungen, hin zu bedürfnisorientierten Zielen.
Der dritte Faden ist ein Menschenbild, das Menschen als soziale und in Beziehungen eingebettete Wesen versteht. So sehen wir jede professionelle Interaktion als eine Begegnung zweier Menschen in ihren Rollen und mit ihrer persönlichen Geschichte. Die Anerkennung der Tatsache, dass beide daran beteiligt sind, bezeichnen wir als intersubjektive Sicht auf jedes Geschehen. Um den Blick auf die Beteiligung der Behandler, insbesondere der Ärztinnen und Ärzte, zu richten, diesen zu schärfen und zur Reflexion anzuregen, bekommt auch deren Perspektive ausdrücklich Raum.
Der vierte Faden ist jener der Kommunikation, die darüber bestimmt, wie diese Begegnungen verlaufen. Wir beschreiben die wünschenswerte Form des kommunikativen Austauschs mit unseren Patientinnen und Patienten als therapeutisch wirksame Kommunikation. Diese Bezeichnung ergibt sich aus der Annahme, dass sich jeder auch noch so kleine Austausch auf eine wohltuende, stärkende, vielleicht sogar heilsame – eben therapeutische – Weise auswirken kann. Therapeutisch wirksame Kommunikation sollte vier Kriterien erfüllen: Sie ist patientenzentriert und bedürfnisorientiert, sie regt zu einem Perspektivenwechsel an, und sie ist in eine bewusst gestaltete therapeutische Beziehung eingebettet.
Ein Pyramidenmodell beschreibt fünf Stufen der Umsetzung einer solchen therapeutisch wirksamen Kommunikation (Abschn. 5.1, Abb. 2). Die ersten drei Stufen betreffen den kommunikativen Alltag in der Onkologie. Sie beziehen sich darauf, wie Patientinnen und Patienten angemessen zu informieren sind sowie ein für sie passender Behandlungsplan erarbeitet und im weiteren Verlauf mit ihnen gemeinsam gestaltet wird – eine Aufgabe, wie sie sich auch beim eingangs erwähnten Patienten stellte. Die vierte und fünfte Stufe der Pyramide СКАЧАТЬ