Название: Psychologie
Автор: Rainer Maderthaner
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: utb basics
isbn: 9783846355404
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Sagt einem das wirklich der „gesunde Menschenverstand“? | Box 1.2
1. Erstgeborene neigen mehr / weniger dazu, die Gesellschaft anderer zu suchen als nachgeborene Geschwister.
2.Europäer kommunizieren Emotionen mit ähnlichen / anderen Gesichtsausdrücken wie / als die Eingeborenen Neuguineas.
3.Das Aussehen des Menschen hat einen / keinen Einfluss darauf, ob man ihn eines Verbrechens für schuldig befindet.
4.Wenn einem sehr kompetenten Menschen eine Ungeschicklichkeit unterläuft, nimmt seine Attraktivität in den Augen anderer zu / ab.
5.Wenn ein Versuchsleiter von Probanden verlangen würde, einem anderen gefährliche Elektroschocks zu verabreichen, würde sich die Mehrheit weigern / nicht weigern.
(Lösung: 1: mehr, 2: ähnlichen, 3: einen, 4: zu, 5: nicht weigern)
Forgas, J. P. (1999, 6)
Viele scheinbar widersprüchliche Erfahrungen des Alltages können durch psychologische Experimente präzisiert und unter Bezugnahme auf die Eigenheiten der menschlichen Informationsverarbeitung aufgeklärt werden. Beispiele dafür sind optische Täuschungen („impossible figures“, s. Kap. 5.) oder die Tendenz, Probleme selbst dann noch nach altbewährten Rezepten zu lösen, wenn es eigentlich viel einfachere Wege gäbe („Analogietendenz“; s. Abschn. 8.3.2).
Box 1.3 | Befragung: „Hätte ich auch so gewusst ...“
In einer Studie über die Genesungsdauer nach Unfällen (Rogner, Frey & Havemann, 1987) wurde festgestellt, dass verletzte Personen häufig dann eine längere Krankenhausaufenthaltsdauer hatten, wenn sie glaubten, sie hätten den Unfall vermeiden können. Dies war für manche eine Überraschung, denn grundsätzlich wäre es auch denkbar gewesen, dass die Genesungsdauer kürzer ist, wenn die verletzten Personen aufgrund der Vermeidbarkeit ihres Unfalles ein schlechtes Gewissen hätten und deshalb vielleicht bestrebt wären, schneller wieder gesund zu werden. In einer Befragung (Hoyos, Frey & Stahlberg, 1988) wurde jeweils einer Studentengruppe das richtige und einer anderen das falsche Ergebnis mitgeteilt: In beiden Gruppen behaupteten ca. 85 % der Personen, sie hätten das Ergebnis vorhersagen können.
1.2 | | Seelenvorstellungen und Religion |
Für die meisten frühen Kulturen und Naturreligionen bedeutete Seele die Lebenskraft schlechthin, welche zum Zeitpunkt des Todes den menschlichen Körper verlässt. Dieses Lebensprinzip in den Lebewesen wird seit Aristoteles („De Anima“) auch als „Entelechie“ bezeichnet. In vielen Religionen oder Philosophien wird die Seele daher mit Bildern des Windes, Wehens, Hauches oder Atems charakterisiert, woraus sich in den verschiedenen Sprachen die Bezeichnung ableitet: griechisch: „psyche“ und „pneuma“; lateinisch: „spiritus“ und „anima“; hebräisch: „ruach“; indisch: „atman“ (Bibliografisches Institut & Brockhaus, 2002).
Im Christentum, Judentum und im Islam ist die Seele eine dem Menschen eingehauchte „Wesenheit“, die für seine Individualität – auch über den Tod hinaus – bestimmend ist (1. Moses 2: „Da machte Gott der Herr den Menschen [...] und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase“). Im Hinduismus, Buddhismus oder in der altgriechischen Philosophie (Box 1.4) lebt die Seele nach dem Tod ebenfalls weiter, ist aber dem Kreislauf der Seelenwanderung und der Wiedergeburt unterworfen („Reinkarnation“).
Altgriechische Seelenlehre (Orphiker, 6. Jahrhundert v. Chr. ) | Box 1.4
• Zu einem Körper gehört nur eine Seele (die Seele kann den Körper kurzzeitig verlassen: Schlaf, Ekstase).
• Eine Seele kann nacheinander verschiedenen Körpern angehören – Seelenwanderung.
• Die Seele existiert nach dem Tode (des Körpers) weiter – Unsterblichkeit.
• Seelen können auch ohne Körper leben (z.B. auf der „Insel der Seligen“).
Rohde, E. (1898/1980; zit. aus Schönpflug, 2000, 52)
griech. „mythos“: Erzählung
In fast allen Schriften der frühen Hochkulturen (z.B. Ägypten, China, Indien) finden sich Gedanken, die auf Erklärungen der Welt, der Natur und des Menschen hinauslaufen. Offenbar bestand beim Menschen immer schon das Bedürfnis, über das Hier und Jetzt hinaus zu spekulieren. Erklärungsversuche lieferten die Mythen - und Religionen der jeweiligen Epochen. In den meisten Mythen finden sich Vorstellungen über die Entstehung von Göttern („Theogenese“), des Weltalls („Kosmogenese“) und des Menschen („Anthropogenese“), wohl um die Gegenwart besser interpretierbar und die Zukunft besser vorhersagbar zu machen (Schönpflug, 2000, 43; s. auch Hergovich, 2005).
Die Anthropomorphisierung bezeichnet eine Weltsicht, bei der hinter Naturereignissen Götter, Dämonen oder Geister mit menschlichen Eigenschaften vermutet werden.
Insbesondere die sogenannte Anthropomorphisierung der Welt dürfte Ängste reduziert und eine subjektive Handlungssicherheit geschaffen haben. Die Möglichkeit, sich in Götter, Geister oder auch Dämonen einzufühlen und mit ihnen auf diese Weise irgendwie zu kommunizieren, bot offenbar subjektive Chancen, ihre Unterstützung zu erflehen oder sie zu besänftigen.
Bekanntlich ist Religiosität auch eine Hilfe bei der Bewältigung der menschlichen Urangst vor dem Tod als unvermeidliches Endstadium des Daseins. Hier beruhigt der Glaube an eine unsterbliche Seele, die nach dem Ableben des Körpers in einer anderen Welt („Jenseits“) oder in einem anderen Körper („Seelenwanderung“) weiterexistiert.
Angesichts der permanenten Erfahrungen von Ungerechtigkeit im Leben tröstet wohl auch die Hoffnung auf eine ausgleichende Gerechtigkeit in einer anderen Welt (Ägypten: „Totengericht“; Judentum, Islam und Christentum: „Paradies“; indische Religionen: „Nirwana“) und motiviert zu sozialen („guten“) Handlungen. Daneben fördern religiöse Praktiken Sozialkontakte, Gruppenbildung und Gemeinschaftsgefühl und dienen so den sozialen Bedürfnissen des Menschen. Dass andererseits Religion und Glaube oft auch Unrecht schufen und zur Sicherung von Macht missbraucht wurden, liegt im Wesen aller Ideologien und Glaubensinhalte.
Eine der wichtigsten psychologischen Wurzeln der Religionsausübung war jedenfalls sicher die Wahrnehmung von Hilflosigkeit und Angst angesichts der Schwierigkeit, die naturgesetzlichen Zusammenhänge im Kosmos, in der Natur und im eigenen Leben zu durchschauen, sie vorherzusagen und zu kontrollieren. Hier schafft der Glaube an ein allwissendes und allmächtiges Wesen Sicherheit.
Ein weiteres menschliches Bedürfnis ist jenes nach Lebenssinn. Ein Bündnis mit einem göttlichen Wesen („Theismus“), oder zumindest eine ideelle Verbundenheit mit einem allgemeinen höchsten Prinzip („Deismus“), kann dem oftmals als armselig empfundenen Dasein eine höhere Bedeutung und Zielsetzung verleihen.
Öfter, als man üblicherweise bedenkt, stehen auch innersubjektive Erfahrungen mit der sogenannten objektiven Realität in Widerspruch: Träume, Wahrnehmungsillusionen, Fantasien, Fieberdelirien, Rauschzustände, Halluzinationen, aggressive oder ängstliche Stimmungen dürften bereits dem Frühmenschen als Hinweise dafür gegolten haben, dass seelische Vorgänge gegenüber der materiellen Welt eine gewisse Autonomie aufweisen. Deshalb die „Ideenwelt“ als eigenständige, mit der „Sinneswelt“ manchmal konkurrierende Form der Existenz zu begreifen, lag also durchaus nahe.
Ein eher spekulativer Ansatz in dieser Richtung zur Erklärung des frühen Gottesglaubens СКАЧАТЬ