Название: Wie man eine wissenschaftliche Abschlußarbeit schreibt
Автор: Umberto Eco
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9783846353776
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I.3. Was eine Abschlußarbeit auch nach dem Universitätsabschluß nützt
Es gibt zwei verschiedene Arten, eine Abschlußarbeit so zu schreiben, daß sie auch nach dem Universitätsabschluß noch Nutzen bringt. Die erste besteht darin, daß man die Arbeit zur Grundlage für breiter angelegte Forschungen macht, die man in den folgenden Jahren fortsetzt – wozu man natürlich die Möglichkeit und die Lust haben muß. Aber es gibt auch eine zweite Möglichkeit, bei der (beispielsweise) ein örtlicher Fremdenverkehrsdirektor von der Tatsache profitiert, daß er eine Arbeit über das Thema »Manzonis Fermo e Lucia* in der zeitgenössischen Kritik« geschrieben hat. Eine Abschlußarbeit schreiben bedeutet ja: 1. ein bestimmtes, klar umrissenes Thema ausfindig machen; 2. Material zu diesem Thema sammeln; 3. dieses Material ordnen; 4. das Thema unter Berücksichtigung des gesammelten Materials überprüfen; 5. alle diese Überlegungen in einen Zusammenhang bringen; 6. alles dies in einer Weise tun, daß derjenige, der das Ergebnis liest, verstehen kann, was man sagen wollte, und bei Bedarf auf das gleiche Material zurückgreifen könnte, wenn er selbst über das Thema forschen wollte.
Eine solche Arbeit schreiben bedeutet also zu lernen, in die eigenen Gedanken Ordnung zu bringen und Angaben zu ordnen: es ist das Erfahren der methodischen Arbeit; d. h. es geht darum, einen »Gegenstand« zu erarbeiten, der im Prinzip auch für andere nützlich sein kann. Und darum ist das Thema der Arbeit weniger wichtig als die Erfahrung, die sie mit sich bringt. Wer [13] das Material zur Kritik an Manzonis Roman erarbeiten konnte, dem wird es auch möglich sein, sich methodisch Angaben zu erarbeiten, die er für das Fremdenverkehrsamt braucht.
Der Verfasser dieses Buches hat inzwischen an die zehn Bücher zu unterschiedlichen Themen geschrieben, aber wenn ihm die letzten neun gelungen sind, so deshalb, weil er die Erfahrung mit dem ersten einsetzen konnte, das eine Überarbeitung seiner Abschlußarbeit war. Ohne diese erste Arbeit hätte ich die anderen nicht schreiben können, und den anderen merkt man, im Guten wie im Schlechten, die Art und Weise, wie die erste gemacht wurde, noch an. Vielleicht wird man mit der Zeit gewiefter, vielleicht weiß man mehr, aber die Art und Weise, wie man sein Wissen verarbeitet, hängt immer davon ab, wie man am Anfang vieles, was man nicht wußte, sich erarbeitet hat.
Schließlich heißt eine solche Arbeit schreiben sein Gedächtnis trainieren. Wenn man im Alter ein gutes Gedächtnis hat, dann hat man es seit frühester Jugend trainiert. Und es ist gleichgültig, ob man es durch Auswendiglernen der Aufstellung aller Vereine der Bundesliga, der Gedichte von Carducci* oder der römischen Kaiser von Augustus bis Romulus Augustulus trainiert hat. Gewiß, wenn man schon das Gedächtnis trainiert, ist es besser, etwas zu lernen, was einen interessiert oder was man brauchen kann. Aber manchmal ist es auch eine gute Übung, etwas Unnützes zu lernen. Und darum ist auch – mag es auch besser sein, eine Arbeit zu einem Thema zu schreiben, das uns interessiert – das Thema zweitrangig im Verhältnis zur Arbeitsmethode und zur Erfahrung, die man aus der Arbeit gewinnt.
Auch deshalb, weil es, wenn man gut arbeitet, kein wirklich schlechtes Thema gibt. Wenn man gut arbeitet, zieht man auch aus zeitlich oder räumlich scheinbar abseits liegenden Themen großen Nutzen. Marx hat nicht über politische Ökonomie, sondern über zwei griechische Philosophen, nämlich Epikur und Demokrit, promoviert. Und das war kein Arbeitsunfall. Vielleicht konnte Marx, wie wir wissen, die geschichtlichen und [14] wirtschaftlichen Probleme gerade deshalb mit solch großer theoretischer Kraft durchdenken, weil er das Denken an seinen griechischen Philosophen gelernt hat. Angesichts zahlreicher Studenten, die mit einer höchst anspruchsvollen Arbeit über Marx anfangen, um dann im Personalbüro einer großen Kapitalgesellschaft zu landen, erscheint es nötig, über den Nutzen, die Aktualität und die Anforderungen des Gegenstands der Arbeit nachzudenken.
I.4. Vier Faustregeln
In manchen Fällen schreibt der Kandidat eine Arbeit über ein Thema, das der Dozent für ihn ausgesucht hat. Das sollte man vermeiden.
Wir sprechen hier natürlich nicht von den Fällen, in denen sich der Kandidat vom Dozenten beraten läßt. Wir spielen vielmehr auf jene Fälle an, in denen die Schuld entweder beim Professor (vgl. II.7.: »Wie man es vermeidet, sich vom Doktorvater ausnützen zu lassen«) oder beim Kandidaten liegt, der kein Interesse hat und der entschlossen ist, irgendeine Arbeit, sei sie auch noch so schlecht, zu schreiben, um die Angelegenheit möglichst schnell hinter sich zu bringen.
Wir ziehen vielmehr nur solche Fälle in Betracht, in denen der Kandidat selbst Interesse zeigt und der Dozent bereit ist, darauf einzugehen.
In solchen Fällen gelten für die Auswahl des Themas vier Regeln:
1. Das Thema soll den Interessen des Kandidaten entsprechen (sei es, daß es mit seinen Prüfungsfächern zusammenhängt, sei es mit der Literatur, die er gelesen hat, sei es mit der politischen, kulturellen oder religiösen Umgebung, in der er lebt);
2. Die Quellen, die herangezogen werden müssen, sollen für den Kandidaten auffindbar sein, d.h. sie müssen ihm tatsächlich zugänglich sein;
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3. Der Kandidat soll mit den Quellen, die herangezogen werden müssen, umgehen können, d.h. sie müssen seinem kulturellen Horizont entsprechen;
4. Die methodischen Ansprüche des Forschungsvorhabens müssen dem Erfahrungsbereich des Kandidaten entsprechen.
So formuliert, scheinen die vier Regeln banal und nicht mehr zu enthalten als die Aussage, daß, »wer eine Abschlußarbeit schreiben will, eine schreiben soll, die er schreiben kann«. Genauso aber ist es, und es gibt Arbeiten, die auf eine dramatische Weise mißlingen, weil es nicht gelungen ist, sich die Probleme schon am Anfang anhand dieser so offensichtlichen Kriterien klar zu machen1.
Die folgenden Kapitel versuchen einige Ratschläge zu geben, damit die in Aussicht genommene Arbeit eine solche ist, die der Kandidat auch wirklich schreiben kann.
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