Deutsche Sprachgeschichte. Stefan Hartmann
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Название: Deutsche Sprachgeschichte

Автор: Stefan Hartmann

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9783846348239

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СКАЧАТЬ können, warum sich die satzinterne GroßschreibungSubstantivgroßschreibung in anderen Schriftsystemen nicht durchsetzen konnte, etwa im Englischen, wo sie eine kurze Blütezeit im 17./18. Jh. erlebte (vgl. Gramley 2012: 147).

      Diese wenigen ausgewählten Beispiele zeigen, dass experimentelle Methoden auch in der germanistischen Linguistik und in der Sprachgeschichtsforschung durchaus Verwendung finden. Allerdings genügen nicht alle Studien den recht rigorosen methodischen Anforderungen, die in der Psychologie und in den Kognitionswissenschaften an experimentelle Untersuchungen gestellt werden. Das gilt sowohl für die Formulierung und Operationalisierung von Hypothesen als auch für die Datenanalyse. Einige wichtige Aspekte, auf die beim Design von Experimenten zu achten ist, fasst die Infobox 6 zusammen. Bei der Datenanalyse sind statistische Verfahren anzuwenden, um zu bestimmen, wie wahrscheinlich es ist, dass die beobachteten Ergebnisse durch Zufall zustandegekommen sind.5

       Praktische Aspekte bei der Gestaltung von Experimenten

Formulieren Sie vor Durchführung des Experiments eine klare Hypothese, die Sie überprüfen möchten. Die Hypothese während oder gar nach Durchführung einer Studie zu ändern, gilt als schlechte wissenschaftliche Praxis. Mittlerweile gibt es mit https://cos.io/prereg/ (zuletzt abgerufen am 20.05.2017) sogar eine Internetseite, auf der WissenschaftlerInnen Hypothesen im Voraus registrieren und damit ihre Forschung transparenter machen können.
Wie bei Fragebogenstudien gilt es auch bei behavioralen Experimenten, Störvariablen soweit möglich auszuschalten. Das gilt sowohl für die Gestaltung der Stimuli als auch für die Zusammensetzung der Teilnehmenden.
Störvariablen im Bereich der Stimuli können z.B. bei verbalen Stimuli deutliche Unterschiede in der Länge oder Komplexität sein. Angenommen, Sie untersuchen die Hypothese, dass hochfrequente Komposita schneller gelesen werden als niedrigfrequente: Wenn Sie im Bereich der hochfrequenten Komposita z.B. Türgriff und Rollstuhl haben, bei den niedrigfrequenten dagegen Grundstücksverkehrsgenehmigungszuständigkeitsübertragungsverordnung und Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz, dann kann die höhere Lesezeit bei den niedrigfrequenten Stimuli auch schlicht auf deren Länge bzw. auf deren Komplexitiät (mehr Kompositionsglieder) zurückgeführt werden.
Störvariablen im Bereich der Zusammensetzung der Teilnehmenden können z.B. durch Unausgewogenheiten in den demographischen Daten entstehen. Suboptimal wäre es z.B., wenn an Ihrem Experiment sehr viele junge Personen und zwei 80-Jährige teilnehmen, oder wenn die allermeisten Teilnehmenden einen Hochschulabschluss haben und nur wenige nicht. Natürlich ist es nicht möglich, solche Unausgewogenheiten komplett zu vermeiden. Es kann jedoch hilfreich sein, sich im Voraus zu fragen: Welche Faktoren könnten (außer denen, deren Einfluss ich mit meiner Untersuchung überprüfen will) das Verhalten der Versuchsperson beeinflussen? Wenn ich z.B. ein Lesezeitexperiment mache, muss ich damit rechnen, dass eine Person, die im Alltag wenig liest, langsamer liest als eine Germanistikstudentin. Der einfachste Weg, die demographischen Daten konstant zu halten, ist, nur eine einzige Gruppe (z.B. Studierende) als ProbandInnen zu wählen. Für eine Seminar- oder Abschlussarbeit ist das absolut ausreichend. Für größer angelegte Studien indes wäre mehr Diversität wünschenswert – schließlich wissen wir mittlerweile schon sehr viel aus behavioralen Experimenten über bestimmte Bevölkerungsgruppen (wie Studierende), über andere hingegen sehr wenig (vgl. z.B. Henrich et al. 2010).
Viele experimentelle Setups setzen voraus, dass die ProbandInnen nicht genau wissen, worum es in der Studie geht, da wir ja daran interessiert sind, wie sie sich spontan verhalten, nicht, wie sie sich bewusst entscheiden. Deshalb ist es zumeist sinnvoll, Distraktoren einzubauen, also Stimuli, die vom eigentlichen Ziel des Experiments ablenken und nicht in die Auswertung mit eingehen.
Genau wie bei Fragebogenstudien, ist auch bei Experimenten damit zu rechnen, dass Probandinnen und Probanden mit der Zeit Ermüdungserscheinungen zeigen und/oder in ihrem Umgang mit den jeweiligen Stimuli ein bestimmtes Muster entwickeln. Daher ist es auch hier wichtig, die Reihenfolge der Stimuli nach Möglichkeit zu randomisieren.

      Zum Weiterlesen

      Einführungen in experimentelles Design und Datenanalyse gibt es enorm viele. Für die Linguistik bietet Meindl (2011) einen wertvollen Einstieg. Abdi et al. (2009) ist eine gut lesbare Einführung, die aus dem Bereich der experimentellen Psychologie stammt. Sehr anspruchsvoll ist dagegen Maxwell & Delaney (2004). Eine unterhaltsame, streckenweise etwas zu lang geratene Einführung in die Datenanalyse mit R bieten Field et al. (2012).

      Aufgabe

      1 Diskutieren Sie das oben zusammengefasste Experiment von Köpcke (1988). Erkennen Sie Störvariablen, die man bei eventuellen Folgestudien beseitigen sollte?

      2 Informieren Sie sich über Lesezeitexperimente und überlegen Sie, ob man ein Experiment zur Konkurrenz zwischen unterschiedlichen Pluralallomorphen (wie des Bärs vs. des Bären) auch damit durchführen könnte – und wenn ja, wie.

      3. Vom Indoeuropäischen bis heute: Im Schnelldurchlauf durch die deutsche Sprachgeschichte

      Die deutsche Sprachgeschichte wird klassischerweise in vier Perioden unterteilt: das Althochdeutsche, das Mittelhochdeutsche, das Frühneuhochdeutsche und das Neuhochdeutsche. Diese Periodisierung geht bereits auf Scherer (1878) zurück und hat sich als heuristisch wertvolle Untergliederung der deutschen Sprachgeschichte erwiesen. Dabei darf natürlich nicht vergessen werden, dass jede Periodisierung zwangsläufig willkürlich ist. Sprachwandel ist immer ein gradueller Prozess, und wenn wir das Jahr 1649 noch zum Frühneuhochdeutschen zählen, das Jahr 1651 hingegen zum Neuhochdeutschen, so bedeutet das selbstverständlich nicht, dass sich die deutsche Sprache im Jahr 1650 ganz plötzlich radikal verändert hat.

      Gleichwohl gibt es natürlich Gründe, die Epochengrenzen so zu ziehen, wie Scherer es getan hat. Dabei lassen sich sprachinterne und sprachexterne Kriterien unterscheiden. Zu ersteren gehören beispielsweise „lautliche, morphologische und syntaktische Kriterien und Merkmale“ (Roelcke 2000: 370), zu letzteren unter anderem sozialgeschichtliche und kulturelle Faktoren. So fällt beispielsweise der Umbruch vom Alt- zum Mittelhochdeutschen mit der auch literaturgeschichtlich bedeutsamen Entwicklung der sogenannten höfischen Kultur zusammen. An der Schnittstelle von sprachinternen und sprachexternen Faktoren können die von Schmidt (2007: 17) zusätzlich angeführten soziolinguistischen Kriterien angesiedelt werden, zu denen beispielsweise das Verhältnis unterschiedlicher Varietäten zueinander gehört. Aufgrund der auch sprachlich höchst einflussreichen Entwicklungen, die das 20. Jahrhundert geprägt haben, wird gelegentlich als weitere sprachgeschichtliche Epoche das Gegenwartsdeutsche angesetzt, dessen Beginn in der Regel in die Mitte des 20. Jahrhunderts datiert wird (vgl. Roelcke 1998b).

      Alle genannten Bezeichnungen für die einzelnen Sprachepochen haben gemeinsam, dass sie aus drei Teilen bestehen – zum Beispiel: Alt, hoch und deutsch. Der erste Bestandteil bezieht sich auf die zeitliche Einordnung der jeweiligen Sprachstufe. Der zweite Bestandteil verortet sie geographisch. Mit dem Begriff hochdeutsch werden – im Gegensatz zum allgemeinen Sprachgebrauch, der hierunter die normierte Standardsprache versteht – die deutschen Dialekte südlich der sogenannten Benrather Linie bezeichnet, die von der 2. Lautverschiebung erfasst wurden (s.u. 4.1.1). Die Sprachbezeichnung deutsch schließlich geht zurück auf ahd. thiutisk, diutisk СКАЧАТЬ