Deutsche Sprachgeschichte. Stefan Hartmann
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Название: Deutsche Sprachgeschichte

Автор: Stefan Hartmann

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9783846348239

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СКАЧАТЬ wir nun den ersten Bestandteil der Definition näher, „eine mehr oder weniger standardisierte Zusammenstellung von Fragen“. Damit wird unter anderem der Tatsache Rechnung getragen, dass es bei Befragungen – ähnlich wie in der Korpuslinguistik (s.o. 2.2.2) – sowohl qualitative als auch quantitative Ansätze gibt. Ein offenes Interview – etwa zu den Spracheinstellungen der Befragten (z.B. ob sie einen Dialekt als schön oder weniger schön empfinden) – ist naturgemäß weniger standardisiert als beispielsweise eine Umfrage mit vorgegebenen Antwortmöglichkeiten. Hippler & Schwarz (1996: 727f.) unterteilen qualitative Befragungen in wenig strukturierte und teilstrukturierte Interviews, während sie stark strukturierte Befragungen als quantitative Interviews kategorisieren. Bei der wenig strukturierten Befragung verfügt der Interviewer „über einen hohen Freiheitsspielraum in der Formulierung und Abfolge der Fragen“, während er sich beim teilstrukturierten Interview an vorbereitete und vorformulierte Fragen hält, deren Reihenfolge jedoch variieren kann. Bei quantitativen Befragungen indes stehen sowohl die Fragen als auch die Antwortmöglichkeiten fest, und eine über die Vorgaben des Fragebogens hinausgehende Interaktion zwischen Interviewer und befragten Personen sollte nicht stattfinden. Damit soll auch verhindert werden, dass der Interviewer das Antwortverhalten der Befragten unbewusst steuert. Wenn ich mich beispielsweise als Interviewerin mit dem Teilnehmer vor Beginn der Studie ausgiebig über unsere jeweiligen Einstellungen zu AnglizismenAnglizismen unterhalte, werden seine Antworten in einem Fragebogen über dieses Thema womöglich anders ausfallen, als wenn dieses Gespräch nicht stattgefunden hätte.

      Doch auch wenn die Interaktion zwischen Interviewer und Interviewten auf ein Mindestmaß reduziert wird, besteht die Gefahr, dass die Befragten unbewusst und ungewollt manipuliert werden. Zu den Herausforderungen bei der Erstellung eines Fragebogens gehört unter anderem, dass wir mit Sprache arbeiten und Sprache nie ganz neutral sein kann. Ein Fragebogen will also so formuliert sein, dass wir die Probandinnen nicht unbewusst in eine bestimmte Richtung manipulieren. Bradburn et al. (2004: 6f.) zeigen dies eindrücklich am Beispiel des US-amerikanischen General Social Survey, in dem die Antwort darauf, ob die Regierung zu wenig, zu viel oder genau den richtigen Betrag für einen bestimmten Haushaltsposten ausgebe, sehr unterschiedlich ausfielen abhängig davon, ob der Begriff welfare oder assistance to the poor gewählt wurde. Die Frage, wie genau Fragen formuliert werden sollten, ist folgerichtig für die Erstellung eines Fragebogens hochrelevant und wurde und wird in der Sozialforschung viel diskutiert und erforscht (vgl. z.B. Groves et al. 2004, Kap. 7 und passim).

      Fig. 11: Fragetypen nach Schlobinski (1996: 39).

      Mit den unterschiedlichen qualitativen und quantitativen Methoden bei der Befragung gehen auch unterschiedliche Fragetypen einher (s. Fig. 11). Für qualitative Befragungen sind offene Fragen charakteristisch – also beispielsweise: „Was assoziieren Sie mit dem sächsischen Dialekt?“ Im Bereich der geschlossenen Fragen, die in teilstrukturierten und strukturierten Befragungen eingesetzt werden, kann man mit Schlobinski (1996) grob unterscheiden nach Alternativfragen (z.B. Sollten Deutschlehrer im Unterricht Bairisch sprechen dürfen? – Ja/Nein), direkten Fragen (z.B. Geben Sie bitte alle Dialektausdrücke für ‚Brötchen‘ an, die Sie kennen), indirekten Fragen (z.B. Viele Berliner sind der Meinung, das Bairische sei ein provinzieller Dialekt. Sind Sie auch dieser Meinung?) und Schätzfragen (z.B. Wie viel Prozent der Bayern sprechen Ihrer Einschätzung nach Hochdeutsch?).2 Weiterhin unterscheidet Schlobinski (1996: 39) in Anlehnung an Holm (1986: 32) sechs Fragetypen nach ihrem jeweiligen Gegenstandsbereich (Tab. 6).

Fragetyp Beispiel
Faktfragen Besitzen Sie ein bairisches Wörterbuch?
Wissensfragen Ist Bairisch ein niederdeutscher Dialekt?
Einschätzungsfragen Spricht Ihrer Meinung nach Horst Seehofer mit seinen Kindern Dialekt?
Bewertungsfragen Wie beurteilen Sie die Sprache der bayrischen Politiker?
Einstellungsfragen Wie gefällt Ihnen der bairische Dialekt? Oder: Sollten Deutschlehrer im Unterricht Bairisch sprechen?
Handlungsfragen Sprechen Sie im Biergarten so wie zu Hause?

      Tab. 6: Unterschiedliche Fragetypen nach Schlobinski (1996), dort nach Holm (1986).

      Befragungen lassen sich zum einen nach ihrem Typ klassifizieren (qualitativ vs. quantitativ; wenig strukturiert, teilstrukturiert, strukturiert), zum anderen nach dem Befragungsmodus. Hippler & Schwarz (1996: 728) nennen hier die persönlich-mündliche, die telefonische und die schriftliche Befragung. In den vergangenen Jahren immer wichtiger geworden ist die web-basierte Befragung, die als Subtyp der schriftlichen Befragung gesehen werden kann. Über spezialisierte Dienstleister wie soscisurvey.de oder Google Forms lassen sich einfach und schnell Fragebögen erstellen und veröffentlichen. Dabei ist natürlich zu bedenken, dass man unter Umständen die Kontrolle darüber, wer an der Studie teilnimmt, aus der Hand gibt. So lässt sich bei einer Umfrage zum Deutschen etwa nicht kontrollieren, ob alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer deutsche Muttersprachler sind. Auch kann nicht wirksam verhindert werden, dass dieselbe Person mehrfach an der Umfrage teilnimmt.3 Diese Bedenken dürften jedoch eher theoretischer Natur sein, solange es sich nicht um eine Umfrage zu einem emotional oder politisch aufgeladenen Thema handelt, bei der Einzelpersonen oder Gruppen Interesse daran haben könnten, das Ergebnis zu beeinflussen. Auch die Gefahr, dass Teilnehmende bei Online-Befragungen abgelenkt sein könnten, fällt bei Experimenten, die volle Konzentration erfordern, stärker ins Gewicht als bei der typischen FragebogenstudieFragebogenstudie. Somit wiegen die Vorteile der web-basierten Befragung – insbesondere die Möglichkeit, zahlreiche Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus verschiedensten Regionen zu erreichen – die Nachteile insgesamt mehr als auf.

       Praktische Aspekte bei der Gestaltung von Fragebogenstudien

      Die folgende Checkliste kann Ihnen bei der Gestaltung einfacher Multiple-Choice-Fragebogenstudien helfen. Idealerweise sollten Sie natürlich zusätzlich Fachliteratur zur Erstellung von Fragebögen insbesondere aus der quantitativen Sozialwissenschaft heranziehen (z.B. Bradburn et al. 2004, Porst 2014), um verbreitete Fehler zu vermeiden.

Achten Sie darauf, dass die Fragen klar und verständlich formuliert sind.
Versetzen Sie sich in die Lage der Teilnehmerinnen und Teilnehmer und denken Sie daran, dass diese Ihre Fragen ohne das spezifische Vorwissen, über das Sie verfügen, verstehen sollten. Nicht jeder Laie weiß beispielsweise, was Termini wie Plusquamperfekt oder Linksversetzung bedeuten. Denken Sie auch daran, dass die Teilnehmer Ihre Fragen zwangsläufig interpretieren (vgl. Groves et al. 2004: 204). Um die Vergleichbarkeit der Antworten zu gewährleisten, versuchen Sie, den Interpretationsspielraum so gering wie möglich zu halten.
Stellen Sie dem eigentlichen Fragebogen knappe, aber klare Instruktionen voran. Denken Sie СКАЧАТЬ