Название: Хайпанём? Взрывной PR: пошаговое руководство
Автор: Роман Масленников
Издательство: Феникс
Жанр: Маркетинг, PR, реклама
Серия: Вершина успеха (Феникс)
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Besonders sinnfällig wird diese grundlegende Zweideutigkeit heute am Gegensatz zwischen zwei Lesarten des Palikanons. Die eine versteht Nirvana als eine nichtbedingte (asamskrta) Sphäre oder Dimension; die andere zeigt sich in der »Psychologisierung« des US-amerikanischen Buddhismus, die man neuerdings besonders in der Popularität der Achtsamkeitsbewegung sehen kann. Wenn wir den Unterschied zwischen diesen beiden verstehen, dann werden wir eine dritte Möglichkeit erkennen, die weder auf die Transzendierung dieser Welt noch auf ihre Annahme als solcher (wie sie ist oder zu sein scheint) abhebt. Stattdessen fasst sie die Welt, die wir normalerweise erleben – einschließlich der Art, wie wir uns selbst normalerweise erleben –, als psychisches und soziales Konstrukt auf, das sich dekonstruieren und rekonstruieren lässt. Wir müssen nichts erlangen und auch keinen anderen Ort erreichen, aber ebenso wenig müssen wir die üblichen, von der Moderne unterstellten Möglichkeiten annehmen. Was uns nottut, ist, zu erkennen, dass diese Welt ganz anders als unsere üblichen Annahmen über sie und uns ist.
TRANSZENDENZ?
Die frühesten buddhistischen Lehren wurden im sogenannten Palikanon gesammelt, der annähernd elfmal so lang ist wie die Bibel. Das darin enthaltene Material ist so umfassend und vielfältig, dass fast jede Verallgemeinerung riskant wäre. Das gilt besonders für das Wesen von Nirvana. Dieses Buch ist zwar nicht der Ort einer umfassenden Analyse des Kanons, es ist aber wichtig, sich einige der – vielleicht nur scheinbaren – Widersprüchlichkeiten anzusehen, wie Nirvana umschrieben wird. Zahlreiche Abschnitte in den Nikayas – den Schriften des frühen Buddhismus – legen anscheinend Transzendenz nahe, aber vielleicht ebenso viele lassen sich im Sinne von Immanenz verstehen. Bevor wir das Thema näher betrachten, sollten wir zunächst klären, worauf wir uns einlassen.
Der Überlieferung zufolge wurden die Texte des Palikanons auswendig gelernt und wenigstens dreihundert Jahre lang mündlich weitergegeben, bevor man sie aufgeschrieben hat. Wie genau sie die tatsächlichen Worte des geschichtlichen Buddha bewahren und inwieweit es in jener Phase schon zu Bearbeitungen und Veränderungen gekommen ist, ist eine Streitfrage, die man vielleicht nie beilegen kann. Möglicherweise freuen wir uns an der Vorstellung, die Sutras würden uns direkt mit dem verbinden, was der Buddha tatsächlich gesagt hat, doch so einfach ist das nicht. Religiöse Lehren können sich rasch entwickeln, zumal in ihrer Frühzeit, wenn jene Institutionen gerade erst entstehen, die das Erbe des Stifters bewahren sollen. Die Gleichnisse Jesu, eines apokalyptischen jüdischen Propheten, wurden im Verlauf von nur einer Generation von seiner neuen Rolle als auferstandener Gott, der uns retten kann, überschattet. Das war der außerordentlich erfolgreichen Missionstätigkeit des Paulus zu verdanken, der dem lebendigen Jesus zwar nie begegnet war, anscheinend aber besser als alle anderen wusste, was dieser tatsächlich gemeint hatte. Wie sicher dürfen wir da sein, dass die Bearbeiter des Palikanons das vom Buddha Gemeinte zutreffend erkannt hatten und seine Lehre nun genau überlieferten?
Manche mythischen Elemente in den Schriften spiegeln Denkweisen wider, die zu Lebzeiten und in der Umgebung des Buddha (im Indien der Eisenzeit) allgemein akzeptiert waren, heute aber nur schwerlich Geltung beanspruchen können. Sie stellen die Welt als Zauberreich übernatürlicher Mächte und körperloser Geister vor. Da gibt es Geschichten von Gesprächen des Buddha mit Göttern oder über die Beschwerde eines Baumgeistes, dessen Wohnung abgeholzt worden war. Wir lesen, der Buddha sei durch die Luft geflogen und mit gekreuzten Beinen über einem Fluss geschwebt, um einen Kampf zwischen zwei Armeen zu beenden. Ein andermal habe er sich nach einem Disput plötzlich in die Luft erhoben und sei fortgeflogen. Auch zum Tuschita-Himmel sei er aufgestiegen, um dort seine verstorbene Mutter das Abhidhamma – den dritten Teil des Palikanons – zu lehren.
Weitere Punkte sind in anderer Hinsicht problematisch. Eine besonders umstrittene Episode im Kanon betrifft die Entscheidung des Buddha, auch Frauen in die sangha, die klösterliche Gemeinschaft, aufzunehmen. Nach dem Bericht im Vinaya (dem zweiten Teil des Palikanons, der die Regeln für Mönche und Nonnen enthält), sträubte sich der Buddha zunächst, sie in der Sangha zuzulassen, bis sein Begleiter Ananda ihn fragte, ob Frauen denn dasselbe Potenzial zum Erwachen hätten wie Männer. Dies bejahte er, und dann stimmte er zu, sie aufzunehmen.
Früher mochte ich diesen Vorfall als ein Beispiel dafür, wie bereitwillig der Buddha sich von anderen überzeugen ließ – bis ich erkannte, wie naiv ich damit doch war. Zum einen werfen gewisse textliche Probleme Zweifel an der Faktentreue dieser Geschichte auf, zum Beispiel eine offensichtliche Diskrepanz zwischen dem Zeitpunkt der Aufnahme von Frauen – etwa fünf Jahre, nachdem der Buddha zu lehren begonnen hatte – und dem viel späteren Zeitpunkt, an dem Ananda zu seinem Begleiter wurde.
Erst ganz zuletzt wurde mir klar, dass Anandas Rolle vermutlich erst später in die Geschichte eingefügt worden war, und zwar als Mittel, um ihm die Verantwortung für die Zulassung von Frauen zu geben! Etliche Darstellungen im Palikanon sollen Ananda offensichtlich in ein schlechtes Licht rücken. Dazu gehört auch eine befremdliche Passage im Mahaparinibbana-Sutta, das von den letzten Tagen des Buddha berichtet. Mitten in einer klaren, eindeutigen Beschreibung seines körperlichen Verfalls und nahenden Todes tadelt der Buddha plötzlich Ananda, weil dieser die Tragweite einer Andeutung missachtet habe, die der Buddha unmittelbar zuvor gemacht hatte: Ein Buddha könne aufgrund seiner hoch entwickelten magischen Kräfte viele Tausend Jahre lang leben; Ananda habe diesen Hinweis nicht aufgegriffen und es versäumt, den Buddha nun genau darum zu bitten:
Daher liegt der Fehler bei dir, Ananda. In dieser Sache hast du versagt, weil du unfähig warst, den offenen Hinweis, den deutlichen Wink, den der Tathagata gegeben hat, zu begreifen, und dann hast du den Tathagata nicht gebeten zu bleiben. Wenn du das nämlich getan hättest, Ananda, dann hätte der Tathagata zweimal abgelehnt, beim dritten Mal aber hätte er zugestimmt. Darum, Ananda, liegt der Fehler bei dir; in dieser Sache hast du versagt.
Damit wir es auch wirklich verstehen, wird diese abstruse Kritik noch zweimal wiederholt. Andere Berichte zeigen, dass Mahakaschyapa, der Ordensältere, der nach dem Tod des Buddha offenbar die Führung der Sangha übernahm, ständig mit Ananda haderte. Darum ist es vielleicht kein Zufall, wenn manch eine Begebenheit im Palikanon anscheinend den Zweck verfolgt, Ananda in ein schlechtes Licht zu rücken.
Ich erwähne diese magischen Vorführungen und persönlichen Animositäten nicht, um die Lehren des Palikanons herabzusetzen, sondern um dessen Zuverlässigkeit hinsichtlich historischer Genauigkeit zu hinterfragen. Die Annahme, die ursprünglichen Ereignisse und Lehren seien dreihundert Jahre lang wortgetreu ohne Hinzufügung, Streichung oder »Klärung« weitergegeben worden, ist gelinde gesagt nicht plausibel. Sie passt auch nicht zu einem wesentlichen Unterschied zwischen mündlichen und schriftlichen Überlieferungen. Sobald ein Text schriftlich vorliegt, wird die Frage, ob eine Abschrift ihn genau wiedergibt, wichtiger und zugleich leichter zu beantworten. In den mündlichen Überlieferungen schriftloser Kulturen sind gewöhnlich verschiedene Versionen der wichtigsten Erzählungen im Umlauf, und es gibt keinen einheitlichen, kanonisch festgelegten Satz von Lehren, den die Praktizierenden anzunehmen und anzuwenden haben. Solange es keine Schriftfassung gibt, die das Wort fixiert, liegt alles Gewicht darauf, den Sinn zu vermitteln, und das erlaubt größere Freiheit im Ausdruck. Wie ein Lehrer oder eine Lehrerin ein Thema versteht, beeinflusst naturgemäß die Art der Darbietung. In mündlichen Kulturen beeinflusst dies unvermeidlich, wie die Lehren an zukünftige Generationen weitergegeben werden.
Die im Theravada übliche Betonung peinlich genauen Memorierens und Rezitierens lässt vermuten, dass es sich beim Palikanon um eine Ausnahme handeln könnte, doch diese Möglichkeit wird von den kürzlich entdeckten Gandhara-Schriftrollen auf Birkenrinde – den derzeit ältesten buddhistischen Manuskripten – nicht gestützt. Sie stammen aus der Zeit vom ersten Jahrhundert vor bis zum dritten Jahrhundert nach unserer Zeitrechnung СКАЧАТЬ