Das Tagebuch der Jenna Blue. Julia Adrian
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Название: Das Tagebuch der Jenna Blue

Автор: Julia Adrian

Издательство: Bookwire

Жанр: Книги для детей: прочее

Серия:

isbn: 9783959913065

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СКАЧАТЬ als sie sich in Bewegung setzen. Ich spüre noch den Sog der Tiefe, den Ruck an meinem Arm, als Mutters Finger sich darum schließen.

      Jetzt ist es Scarletts Hand. »Jenna, alles in Ordnung?«

      Nein. »Ja.«

      »Keine Sorge, Papier ist widerstandsfähig.«

      »Mir geht’s gut«, würge ich hervor. Dabei wäre es der perfekte Vorwand, diese Scharade abzusagen, ich bräuchte die Übelkeit nicht einmal vortäuschen. Alles dreht sich. Der Himmel, das Dach, die Spukvilla. Ich zwinge den Blick dorthin, zähle meine Atemzüge und kralle mich an die Schindeln. Sie sind warm, ein letzter Gruß der Sonne, bevor die Nacht hereinbrechen und ihre Wärme sich verflüchtigen wird; wie die Erinnerungen. Die Bilder verlieren bereits an Kontur.

      Scarlett hält mich fest, als fürchte sie, ich könnte dem Buch folgen. Ihre Berührung überlagert sich mit der von Mutter. Zitternd entwinde ich ihr den Arm.

      »Es geht mir gut.« Selbst wiederholt klingt es nicht wahrer, meine Stimme bebt, ich habe einen Kloß im Hals.

      Scarlett zündet eine neue Zigarette an, sie mustert mich nachdenklich. »Es gibt einen Spalt, aber er ist zu eng, als dass eine erwachsene Person hindurchpassen könnte. Selbst die meisten Kinder würden stecken bleiben.«

      Warum sie jetzt davon anfängt, obwohl ich noch absagen könnte – und kurz davor bin –, erschließt sich mir nur unter der Prämisse, als dass sie darum weiß, oder es zumindest ahnt, und nun ihren Teil der Abmachung erfüllt, ehe ich von meinem zurücktreten kann.

      »Warst du im Garten?«, höre ich mich fragen.

      Alles ist besser, als an früher zu denken.

      Alles ist besser, als zuzugeben, dass ich kaum noch meine Beine spüre. Ich bin wie erstarrt, fürchtend, dass jede Bewegung, und sei sie noch so klein, mich direkt in die Vergangenheit katapultiert, zurück zu ihr.

      Scarlett lässt sich Zeit mit der Antwort. »Nein.«

      »Du hast gelogen.« Ich ahnte es bereits.

      »Erinnerst du dich an Alice? Ich habe ihr von dem Spalt erzählt; sie hat sich hindurchgezwängt.« Die Zigarette verglimmt ungenutzt, ihr Blick ruht auf der Villa.

      Ich stutze. »Alice? Ist die nicht … tot?«

      Scarlett nickt auf eine Art, die mich irritiert. Sie waren Freunde, damals, bevor Mutter verschwand. Scarlett jedoch wirkt distanziert, als ginge es um den Charakter eines Buches. »Sie starb ein Jahr später an Leukämie. Niemand weiß, dass sie durch das Loch in den Garten schlüpfte; ich habe es nie erzählt.«

      »Du glaubst doch nicht an den Fluch?« Zumindest tat sie es früher nicht, stattdessen verspottete sie all jene, deren Furcht zu offensichtlich war.

      »Natürlich nicht«, lässt sie mich abschätzig wissen. »Alice war krank. Deshalb starb sie.«

      Weshalb hat sie es dann erwähnt? Scarlett sagt niemals etwas leichthin. Ihre Worte sind von einer Präzision, um die ein Chirurg sie beneiden würde. Jeder Spott trifft sein Ziel, keine unbedacht geäußerte Nebensächlichkeit verfehlt ihre Wirkung. Scarlett spielt mit Worten, sie sind ihr Schild und Klinge in einem.

      »Hör auf zu grübeln, Jenna. Das steht dir nicht.«

      Einer der Gründe, warum ich selten etwas erwidere. Ich denke mir meinen Teil und hasse sie in Gedanken. Hass. Ein starkes Wort. Eines, das positioniert. Scarlett würde es nie benutzen, es wäre zu direkt, zu konfrontativ; sie bewegt sich lieber in den Grauzonen und nutzt das Ungesagte ebenso wie das wohlplatzierte Wort.

      »Was fasziniert dich daran?«, fragt Scarlett und nickt hinüber zum Grundstück der Spukvilla. Vom Dach aus können wir den Teil des Gartens überblicken, auf dem sich im Zentrum einer gewaltigen Wiese ein noch gewaltigeres Schachfeld erhebt. Steinquader neben Rasenflächen, die Figuren mannshoch und elbisch anmutend, als wären sie geradewegs aus Lothlórien in diese Welt gestolpert und dabei zu Stein erstarrt. Was mich an mein Buch erinnert. Ich beuge versuchsweise die Knie; das Gefühl kehrt nur partiell zurück. Wackelige Beine, der Schreck fährt in die Glieder – alles Redewendungen, die mein Körper inhaliert hat. Er ist wachsweich, unfähig, meinen Befehlen zu gehorchen.

      Gleich, denke ich, gleich hole ich mein Buch.

      »Springer auf G5«, ruft Scarlett.

      Die Asche ihrer Zigarette rieselt zu Boden. Ich verfolge atemlos, wie sie die Schindeln hinabtanzt und in der Regenrinne unter uns zum Stillstand kommt. Die Sorge, sie könnte das Buch treffen und entflammen, ist übermächtig.

      »Irgendwann fackelst du das Haus ab«, fauche ich.

      »Wäre kein Verlust.«

      »Es ist alles, was wir haben!«

      »Ein zerfallender Resthof. Was sind wir gesegnet.«

      »Spotte nicht.«

      »Selbst ohne die hochherrschaftliche Nachbarschaft der Spukvilla wäre unser Hof eine Zumutung. Kein Wunder, dass Mama es vorzog, auf dem Dach zu sitzen und die Villa zu malen, täte ich auch, besäße ich ihr künstlerisches Talent; aber das hat sie ja dir vererbt, genau wie ihre Pinsel und Farben.« Verbitterung schwingt in ihrer Stimme mit.

      Ich bin überrascht, denn sie zeichnet gut. »Du hast nie etwas gesagt.«

      Sie hebt eine Braue. »Hättest du mit mir geteilt?«

      Nein. Hätte ich nicht. Sie weiß das.

      »Manchmal ist die Antwort so naheliegend«, murmelt sie.

      Ich könnte mir auf die Zunge beißen.

      »Ich kann zeichnen, verstehe aber nichts von Farben oder Texturen.« Ihr Lächeln reicht kaum bis zu den Augen, als würde sie eine Maske tragen, die nur ihr halbes Gesicht bedeckt. »Du hingegen kannst es, verschwendest dein Talent jedoch an Tapeten, die irgendwann abgerissen und entsorgt werden, was jammerschade ist. Du solltest lieber Mamas Werk vollenden.«

      »Nein«, entgegne ich sofort.

      »Warum nicht? So bleibt die Reihe unvollständig.«

      »Lass es.«

      Sie zuckt mit den Schultern. »War nur eine Idee.«

      »Eine beschissene!«

      Ihre Augen verengen sich zu Schlitzen. So sitzen wir da, nebeneinander auf dem Dachfirst, in zu kurzen Kleidern und schweren Herzens, und haben uns nichts zu sagen.

      Als auch die letzte Zigarette verglimmt, schnippt sie den Stummel hinfort und streckt sich. »Ich werde heute Abend mit Derek Schluss machen.«

      Mein Kopf ruckt herum. »Was? Warum?«

      Sie zuckt mit den Schultern. »Warum nicht?«

      »Ich dachte, ihr seid glücklich.«

      »Was die Liebe aufregend macht, ist das Vielleicht. Will sie mich? Hat sie einen anderen? Was denkt sie gerade? Ich genieße den Kitzel der ersten Wochen, mich reizt das Ungewisse, danach wird es langweilig.«

      »Man СКАЧАТЬ