Название: Luft an Land
Автор: Lili B. Wilms
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783960894759
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Fabian machte seine Übungen an den Geräten weiter, die deutlich günstiger in Izaaks Blickfeld lagen als zuvor. Nachdenklich beobachtete Izaak ihn. Das amüsierte Lächeln von soeben war verschwunden und anstelle dessen war diese große Konzentriertheit getreten, die er fast immer vor sich hintrug. Nahezu stoisch absolvierte er seine Einheiten. Hinzu kam eine Ernsthaftigkeit, die Izaak überzeugte, dass sie nicht nur daher rührte, sich an den schweren Gewichten nicht zu verletzen. Die freundlichen Züge wurden durch eine Last getrübt, die Fabian mit sich herum zu tragen schien.
Das war auch das Erste gewesen, was Izaak an ihm aufgefallen war. Nicht die kurzen Haare, die oben am Kopf etwas länger waren als die kurz geschorenen Seiten. Nicht das markante Gesicht, mit dem starken Kinn und der geraden Nase, die sich symmetrisch einfügte und an eine griechische Marmorstatue erinnerte. Auch nicht sein muskulöser Körper. Er stach in diesem Studio weder als übermäßig bepackt noch als sonderlich mickrig hervor. Im Verhältnis zu Izaak war er enorm. Und das war nichts, was Izaak normalerweise sonderlich anziehend fand.
Aber diese Gewissheit und Konzentration, die Fabian umgab, in allem, was er im Studio tat, hatte Izaak vom ersten Moment an fasziniert. Er war nicht überrascht, dass diese Albernheit an der Theke Fabian in keiner Weise motiviert hatte, sich zu setzen oder daran wirklich teilzunehmen. Seine Freundlichkeit hatte kurz angetäuscht, was sein könnte. Aber Fabian war sich und seiner Sachlichkeit treu geblieben. Auch wenn ihn die Zurückweisung etwas durchgerüttelt hatte, Izaak würde sich damit zufriedengeben, Fabian weiter aus der Ferne zu bestaunen. Es gab keinen Grund, Trübsal zu blasen.
»Na komm, guck nicht so traurig.« Tobi stupste ihn in die Seite.
»Ich bin nicht traurig. Ich hab nur nachgedacht.«
»Na denn. Hör auf zu denken. Es ist Wochenende. Wir gehen heute aus.«
»Das Einzige, wo ich hingehe …«
»Du kommst mit ins Fincken.« Izaak überlegte, wobei sich sein Gesicht zusammenzog, sodass es mit Sicherheit Falten auf seiner Stirn warf. Uagh. Tobi spielte unfair. Izaak konnte zur Bar seines eigenen Bruders nicht nein sagen.
»Von mir aus.«
Während sie versuchten, Nadine zu überzeugen, auch mit in die queere Bar zu kommen, statt daheim zu meditieren, vergaß Izaak fast das Intermezzo mit Fabian. Dieser war anscheinend zwischenzeitlich mit zwei Handtüchern zurück zur Theke gegangen und reichte sie Verena in dem Moment, als Izaak aufsah. Er lächelte Fabian an, der ihn aufmerksam beobachtete. Nachdem ihm die Studiomitarbeiterin die Tücher abgenommen und in den dafür zugehörigen Wäschesack gestopft hatte, ging er überraschenderweise nicht die Treppe nach oben zu den Umkleiden. Den Blick weiter auf Izaak gerichtet, schritt er auf diesen zu und blieb erst stehen, als er direkt neben ihm war. Izaak drehte sich samt Stuhl zu ihm und sah ihn an. Er merkte, wie seine Augen größer wurden, vermochte aber nichts zu sagen. Sein Mund öffnete sich leicht, doch nur ein Hauch kam heraus.
Fabian beugte sich leicht zu ihm und sprach so leise in sein Ohr, dass Izaak ihn kaum verstehen konnte. Oder schlug sich Fabians Nähe auf sein Gehör? Müsste Fabian nach seinem Training nicht mehr nach Schweiß riechen? Aber das, was er ausstrahlte, schienen reine Pheromone zu sein. »Wenn ihr heute ins Fincken geht, könnten wir uns aber dort treffen, wenn du magst?«
Izaak suchte Fabians Blick. Er versuchte, aus Fabians Gesicht abzulesen, was ihn zu dieser Frage veranlasst haben könnte. Fühlte er sich verpflichtet, Izaak entgegen zu kommen? Hatte er Mitleid mit ihm? Doch noch bevor er antworten konnte, kam ihm Fabian zuvor. »Ich werde ab etwa halb zehn Uhr da sein. Wir sehen uns dann?«
Und Izaak blieb nur übrig, kurz zu nicken, was Fabian gleichermaßen mit einem kurzen Senken seines Kinns beantwortete, bevor er kehrt machte und zu den Umkleiden nach oben lief.
Geistesabwesend rieb sich Izaak die nassen Handflächen an seiner Hose ab. Ha. Er hatte ein Date.
Stunden später drehte sich Izaak vor dem Spiegel in seinem Schlafzimmer.
»Aua!« Er rieb sich die Pobacke, auf die ihn Tobi nicht zimperlich geklapst hatte.
»Du siehst toll aus. Die Hose sitzt perfekt. Fabian wird nur Augen für dich haben.«
»Darum geht’s doch gar nicht. Ich will einfach …«
»Ich weiß, Schatz. Du willst nur …« Tobi wedelte mit der Hand vor Izaaks Gesicht herum und sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an.
Izaak strich sich das Haar nach hinten. »Wir gehen jetzt.«
Nadine sprang mit dramatischem Augenaufschlag auf und warf sich gleichzeitig ihre Jeansjacke über die Schultern. »Na endlich. Während ihr trödelt, welke ich vor mich hin.«
Noch bevor sich Izaak und Tobi umsahen, war sie durch den Flur aus der Tür hinaus spaziert. Tobi nahm Izaak an der Hand und zog ihn hinterher. »Du brauchst keine Jacke!«, raunte er ihm zu. »Für die paar Meter.«
Die wenigen hundert Schritte von Izaaks Wohnung zur Müllerstraße legten sie tatsächlich innerhalb kürzester Zeit zurück. Draußen auf dem Gehweg konnten sie den Bass der Musik bereits deutlich wahrnehmen. Izaak holte tief Luft, während Nadine die Tür unter dem Schild mit den zwei Vögeln aufzog. Die Bar seines Bruders war ein wahrer Wohlfühlort für ihn und falls Fabian da war, würde das ein nettes Extra sein. Wenn nicht, war es auch nicht schlimm.
Bereits nach dem ersten Schritt in das Lokal legte ihm jemand eine Hand auf die Schulter und ein flüchtiger Bekannter begrüßte ihn ausgiebig.
Es hatte unglaubliche Vorteile, der Bruder des Chefs zu sein. Aber manchmal wäre er einfach gern Gast, ohne dauernd um einen Gefallen gebeten zu werden, ohne dass sich jemand an ihn ranschmiss, weil man sich irgendetwas erhoffte. Izaak stand bei der Gruppe von Gästen am Eingang bei einem der Stehtische, während Nadine und Tobi bereits voraus zur Theke gingen. Zwischen ihnen lag nun die Tanzfläche, auf der sich schon einige Besucher tummelten.
Während der Kerl, dessen Name ihm nicht einfallen wollte, auf ihn einredete, über irgendein tolles Event, das er plante und für das er die Hilfe von Nick bräuchte, wäre Izaak am liebsten einfach weitergegangen. Doch er setzte sein höflichstes Lächeln auf und trat einen Schritt zurück. »Sobald ich Nick sehe, werde ich ihm sagen, dass du ihn suchst, okay?« Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte er sich um und schritt zügig auf seine Freunde zu. Die bekannten Gesichter hinterm Ausschank suchte er vergebens nach seinem Bruder ab. Auf Zehenspitzen reckte er seinen Kopf und sah in den kleinen Gang, in dem sich nicht nur die Toiletten befanden, sondern sich auch das Büro und ein Aufenthaltsraum für die Mitarbeiter anschlossen.
Er winkte Simon, einen der Kellner, zu sich heran. »Ist mein Bruder da?«
»Kommt heute später. Nicht vor Mitternacht. Ich hab aufgemacht. Er macht zu.«
Izaak nickte. Eventuell würde er Nick nicht mal sehen. Je nachdem wie sein Abend verlief, würde er um Mitternacht vielleicht schon schlafen.
Gerade als er seine Füße absenken wollte, tauchte im dunklen Eingang des Flurs ein anderes bekanntes Gesicht auf. Fabian unterhielt sich angeregt mit einem Typen, der Izaak völlig unbekannt war. So offen und befreit lachen hatte er Fabian noch nie gesehen. Um nicht umzufallen, hielt er sich an Tobis Schulter fest und wackelte dennoch erheblich. Langsam verloren seine Fußmuskeln ihre letzte Kraft. СКАЧАТЬ