Der Gottstehunsbei. Martin Arz
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Название: Der Gottstehunsbei

Автор: Martin Arz

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783940839602

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СКАЧАТЬ der Huren

       26 Das Gewitter

       27 Das Feuer

       28 Seelenheil

       29 Der Gottstehunsbei

       31 Das Lied

       Nachwort

      Das Grauen, das München in jenem kalten, feuchten Sommer des Jahres 1430 heimsuchte, konnte nach Ansicht vieler nur eines bedeuten: Gott zürnte dem Land und wollte es strafen. Die Vorzeichen waren überdeutlich gewesen: Ein Jahr zuvor hatte ein schwerer Brand in der Stadt gewütet und beinahe ein ganzes Stadtviertel vernichtet, kurze Zeit später war die Isarbrücke teilweise eingestürzt. Im Frühjahr 1430 fielen die Hussiten mordend und brandschatzend in Niederbayern ein. Und dann regnete es fast ununterbrochen. Die Bauern konnten den Feldfrüchten beim Verderben zuschauen. Wenn das keine Zeichen waren!

      Doch dass der Gottstehunsbei, der Leibhaftige in persona, kommen würde, um scheinbar wahllos Seelen zu pflücken, hatten selbst die größten Pessimisten nicht für möglich gehalten.

      1 Die Gurkenhemma

      Regen. Regen. Regen. Was reimte sich auf Regen?

      Segen. Sägen. Verwegen. Degen. Mägen. Fegen. Beieinandergelegen.

      »So sind wir im Regen

      mit vollen Mägen

      verwegen

      beieinandergelegen.«

      Tassilo ließ die Feder sinken. Außer Kinderkram fiel ihm nur Schweinkram ein. Frustriert zerbrach er den Gänsekiel. Tinte tropfte auf den Tisch, das trockene Holz saugte sie weg wie immer. Fleck an Fleck. Aus Wut über die Leere in seinem Hirn, das Tintenfass gegen die Wand zu schleudern, juckte ihn zwar in den Fingern, doch als er es das letzte Mal gemacht hatte, hatte er dabei die unangemeldet den Raum betretende und die Wurfbahn kreuzende hochwürdige Mutter Äbtissin vom Angerkloster mitten auf die Stirn getroffen. Höchst unangenehm, auch wenn die hochwürdige Mutter Äbtissin durch ihr spontanes Eintreten selbst einen Großteil der Schuld trug, ganz zu schweigen von ihrem Verstoß gegen Anstand und Etikette.

      Regen. Regen. Der ständige Regen hielt die Musen fern. Selbst die besten Dichter – und Tassilo Stubenruß war sich sicher, dass er zu deren engstem Kreise zählte – konnten da verzweifeln. Wie sollte er je die Aufnahme bei den Meistersingern schaffen, wenn es immer nur schüttete? Das Frühjahr war viel zu kalt gewesen, und seit Mai gab es kaum einen trockenen Tag. Jetzt war Mitte Juli. Die Ernte würde auf den Feldern verfaulen. Was heißt, würde. Sie verfaulte bereits. Ein weiterer Hungerwinter kündigte sich an. Mit dem Regen hatte sich die Kälte festgesetzt. Im sogenannten Hochsommer bereits einen Gutteil des Feuerholzes verbraucht zu haben … Tassilo schüttelte es bei dem Gedanken, was das wieder an ausgemergeltem Lumpenpack bettelnd und Frostbeulen vorzeigend an seine Haustüre schwemmen würde. Und die Gurkenhemma, diese gutmütige und einfältige Seele, würde wieder großzügig geben, geben, geben. Essen wie Feuerholz. Alles sein Eigentum! Mit fremdem Gut ist leicht großzügig sein. Aber der Gurkenhemma konnte er nicht böse sein, war sie doch seine geliebte Amme. Natürlich benötigte ein stolzer Patrizier von vierundzwanzig Jahren keine Amme mehr, aber wenn man früh, ja, viel zu früh Waise geworden war, ließ man seine Gurkenhemma eben nicht einfach so gehen. Statt um ihn kümmerte sich die Alte nun um den Haushalt. Also auch wieder um ihn.

      Die Ereignisse in jenem Schreckenssommer 1430 hatten nach Ansicht vieler unmittelbar mit dem Wetter zu tun. Gott strafte sie für ihre Vergehen und Sünden. Und die Sünde, das wussten alle aus der Kirche, haftete bereits an einem neugeborenen Säugling. Die Menschen nahmen es hin, wie es kam. Der Herrgott setzte in seinem unergründlichen Plan das Schicksalsrad in Bewegung, und dagegen kam man nicht an. Man konnte versuchen, das Rad ein bisschen zu beeinflussen, indem man sich geißelte, viel Geld an die Kirche spendete oder der Jungfrau Maria und allen Heiligen mit Gebeten in den Ohren lag. Am besten eine Kombination aus allem. Ansonsten fügte man sich und dachte nicht weiter nach. Denken konnte man sich nur leisten, wenn man entweder reiche und mächtige Gönner auf seiner Seite hatte oder wenn man selbst reich war. Das eine bedingte natürlich nicht das andere. Die Dummheit war manchen Reichen geradezu ins Gesicht geschrieben. Und manch Armer musste für sein Denken teuer bezahlen. Denken konnte schnell tödlich enden. Tassilo Stubenruß gehörte zu den Menschen, die es sich leisten konnten zu denken. Auch wenn er noch zu jung und zu unerfahren war, um sich der Macht seiner Möglichkeiten bewusst zu sein – sowohl was die Macht des Denkens als auch die Macht des Geldes betraf.

      Regen. Den Bart pflegen. Das reimte sich. Also trimmte Tassilo ein wenig seinen Bart. Nicht, dass es wirklich nötig war. Er pflegte seinen Bart mit Hingabe, genauso wie sich selbst. Er war kein wirklich schöner Mann, aber doch recht ansehnlich, und er hielt sehr auf sein Äußeres. Stets nach der neuesten Mode gekleidet. Seine Schnabelschuhe waren immer einen Tick spitzer und geschwungener als die Schuhe anderer. Er liebte kräftige Farben und starke Kontraste. Heute hatte er sich allerdings gegen das Ensemble aus knallenger, rot-gelb gestreifter Hose und grünem Wams entschieden. Zu auffällig für die Sitzung, die er nachmittags hatte. Rote Hose und dunkeloranger Wams würden bei den alten Herren besser ankommen.

      »Bei allen 350 Märtyrern von Apameia am Orontes!« Die Gurkenhemma betrat sein Zimmer. »Dieses Wetter! Ich sage Euch, junger Herr, daran ist dieses ägyptische Volk schuld. Die haben alles Unglück der Welt mitgebracht aus ihrem sündigen Ägyptenland.«

      »Rede nicht solchen Unsinn, Hemma«, tadelte Tassilo die Alte. »Das sind auch Christenmenschen. Und sag nicht ägyptisches Volk. Das gehört sich nicht. Man sagt jetzt Zigan oder Ziganische …«

      »Das ist mir egal, wie man die jetzt nennt. Ziganische!« Die Amme stemmte die Fäuste in die Hüften. »So weit kommt es noch, dass man Dinge nicht mehr beim Namen nennen darf. Ich sage Euch, das ist nicht normal, was es die letzten Jahre regnet. Seit unsere Herzöge diese … Ziganischen ins Land gelassen haben, geht es abwärts. Man sieht es doch überall. Wo die auftauchen, verschwindet Wäsche von der Leine und Vieh von der Weide! Und, seid Ihr mit Eurem Gedicht weitergekommen?« Eine ihrer Spezialitäten waren sprunghafte Themenwechsel.

      »Nein. Kaum. Der Regen inspiriert mich nicht.«

      »Mein armer junger Herr! Warum schreibt Ihr nicht einfach mal etwas Hübsches über Blumen oder so. Vergissmeinnicht zum Beispiel, junger Herr. Die mag ich. Die sind hübsch und duften so gut. Und Gedichte über Blumen kommen in der Damenwelt sehr gut an, das könnt Ihr mir glauben. Euer Vater selig würde sich im Grab umdrehen, wenn er wüsste, dass Ihr mit euren vierundzwanzig Jahren immer noch nicht verheiratet seid! Von Eurer Mutter, Gott hab sie selig, ganz zu schweigen. Wollt Ihr denn ledig sterben?«

      »Hemma! Lass meine Eltern aus dem Spiel. Ich werde heiraten, wenn ich heirate. Und über Vergissmeinnicht können die effekthascherischen Minnesangbübchen ihre schwülstigen Machwerke ergießen, von denen ich nur Brechreiz bekomme. Meine Kunst, Hemma, das dürfte auch dir schon aufgefallen sein, geht tiefer! Und dieser Regen … Ach …« Er seufzte melodramatisch.

      »Mein armer junger Herr, Ihr dauert mich so. Ja, das sind keine Zustände. Bei den heiligen Gebrüdern Wolfadus und Rufinus, ich bete jeden Tag dafür, dass dieser Regen СКАЧАТЬ