Der Gottstehunsbei. Martin Arz
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Название: Der Gottstehunsbei

Автор: Martin Arz

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783940839602

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СКАЧАТЬ stehen. »Ach, du meine Güte! Was waren wir fahrlässig!« Er hustete kräftig und stieß energisch die Luft aus der Nase, unterließ es dann sofort, als Rotz mit herausflog. »He, du da, Weib. Gib mir Rosmarin, Myrrhe, und hast du Weihrauch? Nein? Dann Wachholder. Mehr!« Er warf der Frau eine Münze hin und zerrieb die Kräuter in seiner rechten Faust und hielt sie sich vor die Nase. Er inhalierte, so tief er konnte, saugte den Kräuterduft in die Lungen. »Was für leichtfertige Personen!«, stieß er hervor. »Warum habe ich nicht vorher daran gedacht!«

      »Was ist denn, Herr?«

      »Miasmen! Ich war in diesem widerwärtigen Keller einer Menge Miasmen ausgesetzt. Jeder, wirklich jeder weiß doch, dass die Ausdünstungen von Leichen übelste Krankheiten mit sich bringen. Und je verwester der Zustand, desto giftiger die Miasmen.«

      »Sicher, Herr, die schlimmen Miasmen!«

      »Eben. Selbst du weißt das! Aber glaubst du, dass nur einer von denen da unten im Keller daran gedacht hat, uns mit Kräutersäckchen oder Essigschwämmchen gegen diese Miasmen zu schützen?« Er klang nasal, weil er sein Gesicht so tief in den Kräutern verbarg. »Ich hoffe, es ist noch nicht zu spät, mein lieber Stoffel. Wenn ich mir in dieser üblen Luft die Pest geholt haben sollte, dann verfluche ich die dort anwesenden Herren bis in die fünfte Generation, dass allen männlichen Nachkommen ihre kleinen Lanzen verfaulen und abfallen mögen!«

      Schnaufend stapfte Tassilo weiter über den Marktplatz, dann machte er auf dem Absatz kehrt, ging zurück zu der verzweifelten Eierfrau und warf ihr einige Münzen hin.

      »Glaubst du, ich merke nicht, dass du die ganze Zeit versuchst, meinen Hinterkopf mit vorwurfsvollen Blicken zu durchlöchern, Stoffel«, knurrte er beim Weitergehen. »Und jetzt wisch dir dein dämliches Grinsen aus dem Gesicht.«

      »Grinsen, Herr?«

      »Halt die Klappe.«

      »Und die Gurkenhemma nennt das immer meinen Welpenblick«, kicherte Stoffel. »Mein Gschau, mit dem ich alle umhau!« Er folgte seinem Herrn geradeaus in die Kaufinger Gasse und dann rechts ins Dunkle Gassl, an dessen Ende Matthäus Fenggen sein Haus besaß.

      Das Haus war für den Sohn eines der reichsten Salzhändler der Stadt nicht gerade repräsentativ, doch der Vater gestand seinem Sohn nicht mehr zu. Mathes schien sich nicht daran zu stören. Selbst der Ausblick war ihm egal. Man sah direkt auf den Friedhof, der die Marienkapelle umgab. Der Tod war allgegenwärtiger Teil des Lebens. Auf den Gräbern weideten Ziegen.

      Mathes wurmte es höchstens, dass sein Vater direkt nebenan in einem deutlich prächtigeren Haus wohnte. Er fühlte sich durch den Alten beobachtet und gegängelt.

      »Ja, so ist das. Das Blut gerät durch die Empörung wieder in Wallung«, sagte Mathes, als sie bei gewürztem Wein im Garten hinter dem Haus zusammensaßen, man musste jede regenfreie, halbwegs warme Abendstunde genießen. Ein kleines Windlicht ließ die Schatten tanzen. Es roch nach Heckenrosen und nach Pferden wegen der nahen Remisen. Glücklicherweise wehte nur sehr gelegentlich ein Lüftchen den Gestank vom nahen Abort herbei. Der typische Geruch in den Stadtgärten. »Das ist üblich.«

      »So etwas weißt du?«, fragte Tassilo.

      »Sicher doch.«

      »Hast du das schon einmal erlebt?«

      »Wie bitte?« Mathes richtete sich empört auf. »Hör mal, ich habe viele Dummheiten in meinem Leben gemacht, aber noch nie wurde ich zu einer Leiche geführt, um eine Blut…«

      »Entschuldige! So meinte ich das nicht«, beschwichtigte Tassilo.

      »Das will ich auch gemeint haben. Da siehst du es, Tassilo, wenn du immer nur über Gedichten und Liedern brütest, entgeht dir die wahre Welt da draußen.«

      »Von der bekomme ich schon genug mit. Mehr als genug«, brummte Tassilo.

      »Allerdings ist das, was du heute gesehen hast, gar kein Beweis«, sinnierte Mathes. »Diese Magd, Anni, die kann sehr wohl die Täterin sein. Was, wenn sie zum Beispiel den Teufel beschworen hat? Da braucht sie gar nicht selbst Hand anlegen.«

      »Meinst du, sie ist eine Unholdin?«

      »Wer weiß das schon?« Mathes zuckte mit den Schultern. »Womöglich wendet sie einen Zauber an, damit das Blut des Opfers eben nicht in Wallung gerät. Oh, wechseln wir das Thema, da kommt meine Gattin und Teufelsspuk ist ihr nicht zuträglich …«

      Rosa Fenggen rauschte nur kurz vorbei, um Tassilo zu begrüßen, weil es sich so gehörte, und sich dann sofort wieder zu entschuldigen, weil sie unpässlich sei. Sie strich sich dabei über den kaum sichtbaren Schwangerschaftsbauch. Tassilo konnte sich nicht erinnern, dass Rosa jemals pässlich gewesen war, schwanger oder nicht. Rosa war ein blutjunges Ding aus Reichenhall, recht hübsch, aber nach Tassilos Ansicht überaus reizlos. Dazu ein wenig schlampig, denn unter ihrer Haube lugten immer ein paar ungezähmte Strähnen dunkelbraunes Haar hervor. Rosa war gerade achtzehn Jahre alt geworden, die Familie hatte sich schon gesorgt, dass man keinen Bräutigam mehr für sie finden würde. Das hatte Mathes berichtet. Rosa benahm sich stets wie eine große Dame bei Hofe. Sie sprach betont Münchnerisch, um ihren ländlichen Dialekt zu verbergen. Sie mochte Tassilo nicht. Daraus hatte sie nie einen Hehl gemacht. Es beruhte auf Gegenseitigkeit.

      »Wann ist es so weit?«, fragte Tassilo, obwohl es ihn kaum interessierte.

      »In zwei Monaten, sagt ihre Hebamme. Ich bin heilfroh, wenn es endlich vorbei ist. Ihre Laune ist nicht zu ertragen.« Mathes trank Wein und verzog den Mund. »Zu viel Nelke drin, oder?«

      Tassilo nickte. »Schon gut, lässt sich trotzdem trinken.«

      »Oh, da fällt mir etwas ein. Ich wollte dir noch etwas Gutes tun. Entschuldige mich bitte einen Moment.« Mathes stand auf, verschwand kurz im Haus und kam mit einer kleinen Tonpfeife zurück, die er mit getrocknetem Huflattich füllte. Dann zündete er sie an und reichte sie Tassilo. »Hier, rauch das. Das tut den Lungen gut und bekämpft mögliche Miasmen.«

      Während Tassilo inhalierte, erinnerte er sich daran, dass er die Penisse der anwesenden Herren und ihrer männlichen Nachkommen verflucht hatte, also auch den seines Freundes Fenggenmathes. Kurz meldete sich sein schlechtes Gewissen, dann beruhigte er sich mit dem Gedanken, dass er dank der Kräuterdämpfe gute Chancen hatte, gesund zu bleiben.

      »Pass auf, Tassilo: Ich sage dir als dein alter Freund, dass du den Auftrag der Ratsherren annehmen solltest! Wenn schon die Mutter Äbtissin der Klarissen mit dabei ist und offenbar auch die Herzöge, dann bleibt dir gar keine andere Wahl. Ich verstehe sowieso nicht, warum du dich so sträubst. Du kommst mal raus aus deiner Giesinger Burg …«

      »Sensation!«, rief Tassilo sarkastisch. »Ich komme bis nach Oberhaching und Schäftlarn. Welch Reise. Da bleibe ich lieber in meiner Giesinger Burg.«

      »Reisen wird allgemein überschätzt«, lachte Mathes höhnisch. »Glaub mir, ich weiß, wovon ich spreche.« Es war etwas über zwei Jahre her, da hatte der Fenggenmuck die Nase voll von dem Unsinn, den sein Sohn trieb – Hurerei, Glücksspiele, Turniere, Saufgelage, Schlägereien. Das war zwar für einen Sohn aus reichem Hause nicht ungewöhnlich, doch Vater Fenggen drängte darauf, dass der Spross den Ernst des Lebens und vor allem Demut kennenlernen sollte, um eines Tages sein Erbe antreten zu können. Ausschlaggebend waren wilde Nächte mit dem Erbprinzen Albrecht und Tassilo nach einem Turnier in Augsburg. Tassilo konnte sich kaum noch erinnern, was damals alles geschehen war – nur, dass es wild war. Und wie!

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