Unterrichtsentwicklung begleiten - Bildungsreform konkret (E-Book). Thomas Balmer
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СКАЧАТЬ schulischer Bildung, verstanden als «Kompetenzen», erhebt. Dahinter steht ein funktionales Bildungsverständnis, das den Schwerpunkt auf die Anwendung von Kenntnissen in unterschiedlichen Kontexten legt (Bauer & Ramseier, 2011). Zur Diskussion stand verstärkt die Erwartung, dass Schülerinnen und Schüler das im Unterricht erworbene Wissen und Können miteinander vernetzen und in unterschiedlichen alltagsorientierten Problemzusammenhängen anwenden können sollten. Zudem zeigten die Studien auch Erklärungsansätze für die Ergebnisse auf und bestätigten, dass die Unterschiede in den Leistungen der Schülerinnen und Schüler viel stärker innerhalb der Schulen als zwischen den Schulen ausfallen und auch mit dem Unterricht zusammenhängen (Hattie, 2015). Die Studien strukturierten die öffentliche und die professionelle Aufmerksamkeit neu (Baumert, Klieme & Bos, 2001). Sie hatten Einfluss auf nationale Bildungspolitiken der Länder (Breakspear, 2012; Lewis & Lingard, 2015) und verschiedene Bildungsreformen, in der Schweiz etwa auf die Harmonisierung der Volksschulbildung in den Kantonen und das nationale Bildungsmonitoring (Criblez, 2008; vgl. auch Bieber & Martens, 2011). Zudem bestärkten sie den Blick auf die Bedeutung des Kompetenzerwerbs der Schülerinnen und Schüler und des dazu notwendigen Unterrichts. Auch die Unterrichtsforschung und dabei ein vermehrtes Zusammengehen von fachdidaktischer, erziehungswissenschaftlicher und pädagogisch-psychologischer Forschung wurde befördert. Bis in die 1990er-Jahre dominierte eine eher psychologische Unterrichtsforschung, welche das Fach oder Themengebiete, in denen Wissen generiert wird, meist ignorierte. In den vergangenen Jahren hat sich die Einsicht durchgesetzt, «dass empirische Unterrichtsforschung als enge Kooperation zwischen Fachdidaktik, Erziehungswissenschaft und Psychologie durchgeführt werden sollte» (Köller, 2014, S. 112).

      Schulentwicklung mit den Elementen Organisations-, Unterrichts- und Personalentwicklung

      Die eine Theorie der Schulentwicklung, die verschiedene Ansätze begründen könnte, ist erst in Entwicklung. Bisherige Theoriebildungen, die sich zum Teil auch widersprechen (z.B. Maag Merki, 2008; Rahm, 2008), werden etwa als «ekklektizistische Bricolage» (Reinbacher, 2016) bezeichnet. Wir folgen nicht der Absicht, hier klärend beizutragen, sondern pragmatisch die didaktische Konzeption der Lehrplaneinführung in bestehende, häufig genutzte Konzepte einzuordnen.

      Weit verbreitet ist das Modell der «Schulentwicklung als Trias von Organisations-, Unterrichts- und Personalentwicklung» (Rolff, 2010). Gerade auch aufgrund der Erfahrung der Grenzen der Wirksamkeit von Schulentwicklung als Organisationsentwicklung wird von Holtappels (2009) festgestellt, dass Organisationsentwicklung «einhergehen muss a) mit gezielter Unterrichtsentwicklung zur Erweiterung der professionellen Lehrkompetenzen und der Formen der Lernorganisation und b) der Personalentwicklung» (ebd., S. 588). Der ursprünglich betriebswirtschaftliche Begriff der «Personalentwicklung» wird in der Schulpädagogik übernommen (Buhren & Rolff, 2000; Meetz, 2007), wobei die Weiterbildung nebst zum Beispiel Mitarbeitendengesprächen oder Unterrichtsbesuchen als eines der Instrumente der Personalentwicklung verstanden wird (Berger, 2007/2008; Meetz, 2007). Im schulpädagogischen Kontext macht die Begriffsverwendung deutlich, dass sich die Weiterbildungsteilnahme oder allgemeiner die Weiterentwicklung der Lehrpersonen idealerweise sowohl aus dem Bedarf der Schule als auch des Personals ergibt. Der Bedarf wird abgeleitet aus empirischen Evidenzen, wie zum Beispiel aus Ergebnissen schulinterner Evaluationen im Rahmen des Qualitätsmanagements. Ziel der Personalentwicklung ist die Optimierung der Erfüllung des Bildungsauftrags durch die Lehrpersonen beziehungsweise letztlich der – wie auch immer definierten – Qualität der Schule (Dubs, 2005). Das erfordert auch eine systematische und langfristige Weiterbildungsplanung als eine Aufgabe der Schulleitung (Oelkers, 2009b; Buhren & Rolff, 2009). Dies wird aber erst in Ansätzen (Appius, Steger Vogt, Kansteiner-Schänzlin & Bach-Blattner, 2012) und, wie eine Studie in deutschen Bundesländern zeigt, unterschiedlich realisiert (Thillmann, Brauckmann, Herrmann & Thiel, 2015), was auch für die Schweiz und den Kanton Bern gelten dürfte.

      Rolff (2016) stellt die drei Ansatzpunkte der Organisations-, Unterrichts- und Personalentwicklung gleichwertig, kreisförmig angeordnet um den «ultimativen Bezugspunkt» (ebd., S. 20), den Lernfortschritt der Schülerinnen und Schüler, dar. Dabei vertritt er die Position, dass die Einzelschule zu entscheiden hat, ob ein Schulentwicklungsvorhaben bei der Organisations-, Unterrichts- oder Personalentwicklung ansetzt. Wenn man aber in Systemzusammenhängen oder konsequent denke, dann führe jeder Weg der Schulentwicklung zwingend zu den anderen zwei (ebd., S. 19; siehe Beitrag 3, Kapitel 1.1).

      Weil neue Lehrpläne immer auch auf eine veränderte Unterrichtspraxis setzen und eine Lehrplaneinführung eine staatlich verordnete Entscheidung ist, liegt es im vorliegenden Fall nicht an der Einzelschule, den Ansatzpunkt der Entwicklung zu bestimmen. Nicht nur deshalb, sondern auch empirische Gründe zum Lernen von Lehrpersonen – dazu mehr in Kapitel 3 – sprechen für die Unterrichtsentwicklung als primären Ansatzpunkt. Anders als im Modell von Rolff sind die Beziehungen zwischen Unterrichts-, Organisations- und Personalentwicklung funktional eindeutig verknüpft, wie es im folgenden Modell dargestellt ist. Wir folgen damit Erfahrungen und empirischen Ergebnissen, wie sie im Kontext fachdidaktischer Interventionsforschungen und Weiterbildungsforschung gemacht wurden. Sinnstiftende und effektive Projekte setzen am Fachunterricht an, auch weil vor allem hier das bedeutsamste Berufswahlmotiv der Lehrpersonen realisiert wird, die pädagogische und fachdidaktische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen (Kunter & Pohlmann, 2015). Das primäre Interesse der Lehrpersonen liegt beim Unterrichten. Ihnen ist es wichtig, den Schülerinnen und Schülern einen guten Unterricht anzubieten, weshalb für sie angesichts von Reformen nicht nur der erwartete Aufwand, sondern auch die erwarteten Folgen für den Unterricht und die Schülerinnen und Schüler eine zentrale Rolle spielen (Förster, 2015).

      Modell der Schulentwicklung

      Unterrichts-, Personal- und Organisationsentwicklung sind als «Interventionen» im Rahmen von Schulentwicklung, verstanden als pädagogische Qualitätsentwicklung, mit unterschiedlichem primärem Gegenstand funktional verknüpft über ihren jeweiligen Beitrag zur Zielerreichung (siehe Abbildung 1.1). Das «ultimative» Ziel der Schulentwicklung und jeder Reform sind die Verbesserung der Lernfortschritte und -ergebnisse der Schülerinnen und Schüler, seien es kognitive oder sozial-emotionale (Zielbereich 1). Der Unterricht trägt dazu Wesentliches bei. Einmal die individuellen Voraussetzungen der einzelnen Schülerinnen und Schüler ausser Acht gelassen, unterliegt das, was im Unterricht geschieht und produziert wird, individuellen Bedingungen seitens der unterrichtenden Lehrperson beziehungsweise ihrer professionellen Lehrkompetenz (Zielbereich 2a). Die Kontextfaktoren auf der Ebene der Schule wie das Schulklima oder die Förderung des Fokus auf das eigene Lernen und die Unterrichtsqualität durch die Schulleitung haben, wie oben gezeigt, indirekten Einfluss auf den Unterricht und die Lernergebnisse und können als organisationale Bedingungen angesehen werden (Zielbereich 2c). Nicht zu vernachlässigen ist der Beitrag der materiellen Bedingungen im Unterricht, insbesondere der Lehrmittel (Zielbereich 2b). Mit diesen Materialien ist all das gemeint, was im englischen «curriculum materials» genannt wird: Gegenstände, mit denen sich die Schülerinnen und Schüler auseinandersetzen, wie sie in Texten und anderen Medien, in Problemen, Aufgaben und Fragen präsentiert werden (Cohen & Ball, 1999). Es ist davon auszugehen, dass sie grosse Bedeutung sowohl für die Unterrichtsprozesse als auch die Lernergebnisse haben (Böttcher & Zala-Mezö, 2015).

      Diese drei angebotsseitigen Bündel von Bedingungsfaktoren des Unterrichts – individuelle Merkmale der Lehrpersonen, materielle, organisationale – werden als der zweite Zielbereich von Schulentwicklungsmassnahmen angesehen und stehen subsidiär zum ersten. Das bedeutet, dass eine Massnahme zur Weiterentwicklung des Unterrichts an erster Stelle begründet ist durch ihren Beitrag zu einem Unterricht, der die Lernfortschritte und -ergebnisse der Schülerinnen und Schüler verbessert. Je nach spezifischen Voraussetzungen in einer Schule und bei den Lehrpersonen sind weitere Massnahmen zur Unterstützung der Unterrichtsentwicklung nötig, weil die individuellen oder organisationalen Bedingungsfaktoren Barrieren bei der Realisierung der Unterrichtsentwicklung darstellen. Das Konzept der Lehrplaneinführung im Kanton Bern sieht insbesondere auch eine fachbezogene Einführung in den Schulen vor, bei der «Zyklus- СКАЧАТЬ