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Автор: Michael Weger

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783931560829

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СКАЧАТЬ auf ein Pad und drehte sich im Schreibstuhl von ihr weg. Auf der ganzen rückseitigen Wand öffnete sich nun, flächendeckend, ein Screen. Das war neu und erinnerte sie augenblicklich an Jeromes Büro. Claire sah erstaunt auf den Schirm, der eben noch die stabile Wand samt historischen Familiengemälden und Holzornamenten gezeigt hatte. Nun hob sich eine riesige Landkarte im Relief davon ab. Es zeigte die Straße von Gibraltar, so viel konnte Claire erkennen, und offensichtlich bevorstehende Truppenbewegungen und Einsatzoptionen. Als Staatssekretär des Verteidigungsministeriums war ihr Vater, François Boulanger, oft mit taktischen Maßnahmen diverser Militäroperationen befasst und hatte nicht selten entsprechend schwerwiegende Entscheidungen zu fällen.

      Claire schweifte mit dem Blick über den Rest des Raumes. Hier war alles beim Alten. Sie ging ein paar Schritte über die Perserteppiche, die den krachenden Parkettboden bedeckten, und streifte mit der Hand den Kaminsims entlang. Im Kamin flackerte lautlos und kalt ein virtuelles Feuer. Auf dem Sims reihten sich Rahmen mit Fotos aneinander, die ihren Vater, lächelnd und Hände schüttelnd, mit Prominenten der Weltöffentlichkeit zeigten. Bis hin zu diversen Staatspräsidenten reichten seine Männerfreundschaften.

      Unter den Fotos befanden sich auch welche aus den ersten Jahren nach dem Tod der Mutter, als Claire sich in seiner Nähe noch geborgen gefühlt hatte und ihn während der Ferienzeiten oft auf Reisen hatte begleiten dürfen.

      Fotos der Mutter, oder gar aus einer gemeinsamen glücklichen Zeit als junges Ehepaar, fanden sich keine.

      Claire wollte sich eben wieder dem Vater zuwenden, als ihr in der zweiten Reihe ein vergilbtes Bild auffiel, das sie glaubte, noch nie zuvor gesehen zu haben. Durch die anderen Rahmen kam es nur einen Spalt breit zum Vorschein. Wahrscheinlich hatte die neue Haushälterin sie beim Abstauben verrückt.

      Sie griff danach und blickte erstaunt auf ihren Vater als jungen Mann, lachend, in Hippiekleidung, mit einer bildhübschen, fremden Frau im Arm und einem ebenso jungen Mann auf der anderen Seite, der ihm irgendwie ähnlich sah. Im Hintergrund waren Klippen und das Meer zu erkennen.

      „Stell das zurück.“

      „Wer sind die beiden?“

      „Stell es zurück.“ Sein Tonfall machte klar, dass sie es dabei belassen sollte.

      Claire reihte das Bild wieder ein und rückte die Rahmen zurecht, die sie ihr Vater in Kindertagen so oft aufgefordert hatte, nicht anzufassen. Sie wandte sich ihm zu.

      Immer wieder schauderte ihr vor dem um Jahrzehnte jüngeren Aussehen des Mannes, dessen kosmetische Operationen keine sichtbaren Narben hinterlassen hatten. Trotzdem verrieten Körperhaltung und die gebrochene Stimme das wahre Alter des weit über Siebzigjährigen.

      „Was kann ich für dich tun?“ Es klang, als hätte sie einen Termin bei einem Arzt. Er wies auf einen freien Sessel vor dem Schreibtisch.

      „Ich werde einige Tage weg sein.“ Sie setzte sich. „Wollte mich nur von dir verabschieden.“

      „Wird keinen großen Unterschied machen. Du besuchst mich auch nicht, wenn du in der Stadt bist.“

      Claire wollte einwenden, dass sie erst vor zwei Wochen mit ihm zu Mittag gegessen hatte.

      „Wohin geht die Reise?“

      „Interessiert es dich?“

      „Würde ich sonst fragen?“

       Ja, würdest du. Nur um Kommunikation zu machen.

      „Nach Rom.“

      Ihr Vater horchte auf.

      „Rom?!“

      „Recherchen, für meine Kolumne. Es gibt Berichte, wonach …“ „Diese Rebellengeschichte?“ Sein Tonfall machte deutlich, was er davon hielt. „Das kommt gar nicht in Frage.“ Er tippte ein weiteres Mal auf sein Pad und hinter ihm erschien eine andere Landkarte, die Südeuropa, Nordafrika und den Nahen Osten zeigte.

      Claire wollte etwas erwidern, war aber von den zahlreichen pulsierenden, roten Flecken auf der Karte abgelenkt.

      „Siehst du das?“ Er deutete in Richtung Mittelitalien. „Die Krisenherde sind überall. Die Flüchtlingsströme werden weniger, doch immer noch spülen sie Schläfer und neue Terrorzellen nach Europa. Je dunkler das Rot, desto mehr Blut wird vergossen. Wenn du so willst.“

      Claire starrte auf den dunkelroten Fleck, der über Rom lag.

      „Das ändert nichts an meiner Entscheidung.“

      „Ich habe schon gesagt, dass ich das nicht erlaube.“

      „Vater, ich bin dreißig. Du hast mir gar nichts zu erlauben. Ich treffe meine eigenen …“

      „Dann werde ich mit Jerome sprechen. Er ist mir noch einen Gefallen schuldig. Wollte er nächste Woche nicht euer Verhältnis öffentlich machen? Zeit wäre es.“

      Die beiden hatten also miteinander gesprochen. Jerome war zudem einer der Wenigen, der um die Verwandtschaft zwischen ihrem Vater und ihr wusste. Sie wollte stets vermeiden, dieser familiären Beziehungen wegen bevorzugt behandelt zu werden. Und dem Vater war es ebenso recht, dass die junge, linke Journalistin, die mitunter lauthals gegen das Militär wetterte, nicht mit ihm in Verbindung gebracht werden konnte.

      „Lass Jerome aus dem Spiel!“

      „Spiel?!“ Ihr Vater stand auf und beugte sich über den Schreibtisch. „Genau das ist es für dich, nicht wahr?! Das spiegelt deinen ganzen infantilen Gemütszustand wider! Ein verträumtes Kind, das der Realität entflieht und seine Zeit mit Pseudojournalismus verschwendet! Dafür habe ich dich nicht an der Sorbonne studieren lassen!“

      Nun erhob sich auch Claire. Doch wie immer, wenn ihr Vater sie mit seinen Angriffen ins Herz traf, versickerten die Worte in ihrem Kopf, bevor sie die Lippen erreichten.

      „Ich werde nicht zulassen, dass ich auch noch die dritte Frau“, er korrigierte sich, „die zweite Frau in meinem Leben an Hirngespinste verliere! Du bleibst hier! Und wenn ich die Staatssicherheit einschalten muss! Das ist mein letztes Wort!“

      Claire war zu gekränkt und außer sich, um den wirren Versprecher zu bemerken. Sie spürte, wie nun der verbitterte Geist der alten Wahrheit aus seinem Kerker hervorbrach. Sie kämpfte dagegen an, doch der aufgestaute Zorn bahnte ihm den Weg und bevor sie es verhindern konnte, schrie sie ihrem Vater ins Gesicht:

      „Für deren Tod du allein die Verantwortung trägst!“

      Nun war am Licht, was ihr ihm gegenüber so viele Jahre die Kehle zugeschnürt hatte.

      Im selben Moment bereute sie es zutiefst.

      Wie in Zeitlupe sank der alte Mann auf seinen Sessel und starrte mit leeren Augen vor sich hin.

      Die Stille im Raum hallte ohrenbetäubend.

      Sekunden verstrichen.

      „Das ist es also“, sagte er schließlich mit gebrochener Stimme. „Geh. Aus meinen Augen. Lauf in dein Verderben.“ Er schüttelte den Kopf. „Wie deine Mutter.“

      Claire konnte sich nicht rühren. Tränen liefen ihr über die Wangen. Sie wollte etwas erwidern, wollte sich entschuldigen, СКАЧАТЬ