Share. Michael Weger
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Автор: Michael Weger

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783931560829

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СКАЧАТЬ und Frieden war ungebrochen erhalten.

      Trotzdem fühlte sie sich jetzt gerade ernüchtert und leer.

      Sie hatte in dem Gespräch – oder sollte sie sagen: in dem Streit – mit Jerome ein falsches Spiel gespielt. Sie hatte ihn emotional erpresst und war sich gleichzeitig, ganz nebenbei, durch all sein kränkendes Verhalten klar geworden, dass sie es nicht mehr lang an seiner Seite aushalten würde. Es fühlte sich schmutzig an.

      Zwischen den Glasflächen, auf die TV-Berichte, Börsenkurse und allerlei Datenkolonnen projiziert wurden, gaben vereinzelte matte Stellen den Blick auf den Himmel frei.

      Es hatte wieder zu regnen begonnen und der Smog zog in grauen Nebelfetzen über die Stadt, wie schon seit Monaten.

      Auch der Blick in das Innere des Hallenbüros machte wenig Mut. Redakteure jagten gestresst über Bodenlaufbänder, tippten nervös auf ihre Pads und diktierten in gedämpftem Tonfall Berichte über immer neue ökologische Katastrophen, den weltweiten Kampf gegen den Terror oder menschliche Dramen, die sich irgendwo an meterhohen Grenzzäunen zwischen Sicherheitstrupps und flüchtenden Massen ereignet hatten.

      Es war nicht zu leugnen: Die Welt stand sozial und ökologisch am Abgrund. Mit ihr Le Monde und die Freiheit. Doch nicht nur die der Presse, sondern die jedes einzelnen Menschen.

      Claire öffnete eine App und verband sich mit der Onlinereservierung des Reiseunternehmens, das zur Firmengruppe gehörte. Auf der Plattform fand sich wie üblich alles, was sie brauchte. Sie gab die Rahmenzeiten für eine sichere Flugverbindung ein, markierte die Parameter zur gewünschten Unterkunft und nach wenigen Minuten waren die Buchungen erledigt.

      Schon am nächsten Abend sollte sie zumindest der Pariser Tristesse entflohen sein. Was auch immer in der Ewigen Stadt auf sie warten mochte, konnte nicht schlimmer sein als das Elend, das ihr hier auf den Straßen täglich begegnete.

      Sie wollte den Berichten aus Rom nachgehen. In einem nordöstlich gelegenen Viertel der Stadt, nahe der Piazza del Popolo, sollte eine neue, intakte Völkergemeinschaft entstanden sein. Dorthin führte sie ihr Weg, um jene Menschen zu interviewen, die für den Wiederaufbau verantwortlich waren.

      Vor ihrer Abreise hatte sie noch einiges zu erledigen. Der Berg von Wäsche auf ihrem Badezimmerboden war dabei das geringste Problem. Vor allem musste sie sich bei ihrem Vater verabschieden, den sie aus guten Gründen schon zwei Wochen vermieden hatte zu kontaktieren. In den letzten Tagen waren seine Nachrichten aber immer fordernder geworden und so sorgte sie sich, trotz allem, um seine Gesundheit und seinen Gemütszustand.

      Sie zog das Headset aus ihrem Neopad und aktivierte einen Videocall.

      Wie üblich blieb die visuelle Übertragung einseitig, da ihr Vater das Bild blockierte. Seine Stimme klang erschöpfter als sonst und obwohl er sich über ihren Anruf zu freuen schien, spürte sie, dass seine Gedanken bei anderen Themen blieben. Claire hakte nicht nach, sprach ruhig in ihr Pad und vereinbarte einen Besuch am Abend in der Villa, in der sie bei ihm aufgewachsen war.

      Nach dem Telefonat öffnete sie ihren Newsground-Account. Das neue Social-Media-Netzwerk verzeichnete geradezu explodierende Userzahlen. Die Menschen zogen sich mehr und mehr in virtuelle Welten zurück. Viele Reiche hatten die Städte verlassen, um in abgeschotteten Arealen, umgeben von hohen Zäunen, zu leben. Städter setzten oft tagelang keinen Fuß vor ihre Wohnungen. Es lag auf der Hand, dass diese Netzwerke dadurch zu den wichtigsten Kontaktforen für Familien oder andere soziale Verbände zählten und die wichtigste Einkaufsquelle darstellten. Newsground war die neue Nummer eins. Vor allem, weil es sich in Sachen Datenschutz und Ethik höchsten Maßstäben verpflichtet zeigte und dieses Versprechen an seine User bislang auch hatte halten können.

      Sie loggte sich auf ihrer Journalseite ein, überflog die neuesten Letters und stellte ihre News ins Netz. Sie erzählte in wenigen Worten von der bevorstehenden Reise, von ihrer Hoffnung, auch aus Rom über herausragende Leistungen der Menschlichkeit berichten zu können, und verabschiedete sich für die nächsten Wochen von ihren treuen Lesern wie üblich mit den Worten: Le Monde c’est à ceux, qu’espèrent – die Welt gehört denen, die hoffen.

      Danach machte sie sich auf den Weg. Sie sah noch einmal über die Halle und für einen Moment war ihr, als würde sie zum letzten Mal den Blick über die lose befreundeten Redakteure, Journalisten und endlosen Reihen von Schreibtischen schweifen lassen. Sie schüttelte den Gedanken ab, trat aus dem ziegelroten Backsteingebäude und stand im Regen.

      6

      Der Kiesweg führte von den Parklauben bis hinauf zum Portal, der in französischem Neubarock erbauten Villa. Claire nahm, da sich der Regen gerade wieder beruhigt hatte, den alten Weg, den sie in den Jahren ihrer Schulzeit täglich hochgelaufen war. Sie kam an der verwitterten Steinbank vorbei, die immer noch am selben Platz stand und sie an ihre Mutter erinnerte. Es waren die frühesten Bilder aus ihrem Erinnerungsschatz und diese trug sie mit sich, behütet wie ein besonderes Kleinod.

      Mit einem Taschentuch wischte sie die Steinplatte trocken, setzte sich kurz, legte die Hände in den Schoß und neigte ihren Kopf zur Seite. Wie gern hätte sie sich jetzt an die Schulter ihrer Mutter gelehnt, die hier oft auf sie gewartet hatte. Sie war der sichere Hafen gewesen, in den das damals kleine Mädchen einlaufen konnte, nachdem es, aus dem fremden Land der beginnenden Schulzeit, mit so vielen neuen Eindrücken nach Hause gekommen war.

      Doch schon in Claires zweitem Schuljahr war die Mutter gestorben.

      Still und ohne Aufhebens war sie durch Gift dem Leben entflohen – und hatte damit ein klaffendes Loch in Claires Seelenleben hinterlassen, das keine noch so große Bemühung des Vaters hatte füllen können.

      Zudem gab Claire ihrem Vater im Stillen nach wie vor die Schuld am Selbstmord der Mutter. So schrecklich dieses Gefühl war, das sie erst viele Jahre später, in den Wirren der Pubertät, überkam, sie konnte bis heute nicht davon ablassen – seine Affären, seine Kälte und Lieblosigkeit mussten die Mutter aus dem Leben getrieben haben.

      Das lag wie ein schwarzer Schatten über ihrer Beziehung. Und da sie es, ihm gegenüber, nie ausgesprochen hatte, nahm der Vater ihre distanzierte Art mit den Jahren als persönliche Kränkung und schließlich als pure Abneigung wahr. Was ja auch stimmte. Nur aus anderen Gründen, als er vermutete.

      Entsprechend angespannt war ihre Beziehung über die Zeit geblieben. Mittlerweile jedoch ließ die Wahrheit sich immer schwerer verbergen und schrie und ächzte wie ein verbitterter Geist, der zeitlebens in einem dunklen Kerker eingeschlossen war und zeternd versuchte, ans Tageslicht zu kommen.

      Claire atmete tief durch und musste sich wieder einmal zu den letzten Schritten Richtung Haus zwingen. Sie kam an den beiden Wachleuten vorbei, die wie üblich zum Schutz ihres Vaters abgestellt waren, und wurde an der Tür von einer fremden Haushälterin empfangen. Es war die dritte innerhalb eines Jahres. Sie stellte sich als Lucille vor, kannte Claire, wie sie erklärte, aus Fotoalben des Vaters und nahm ihr Jacke und Tasche ab, als wäre sie ein Gast und nicht die Tochter des Hauses.

      Obwohl sie die alten Holzdielen, Möbel und dunklen Wandvertäfelungen wie immer penibel gereinigt vorfand, konnte sich Claire nicht des Eindrucks erwehren, der sie in den hohen Räumen seit dem Tod der Mutter verfolgte: Sie sah einen Schleier aus trockenem Staub, der sich wie ein begleichender Ton der Verwesung über alles gelegt hatte. Schon mit sechzehn war sie deshalb aus dem alten Haus entflohen und hatte den Vater überzeugt, eine Wohnung für sie zu kaufen und sie ihrem eigenen Leben zu überlassen.

      Nachdem sie nun über die breite Treppe zum Arbeitszimmer ihres Vaters hochgestiegen war, blieb sie vor seinem Zimmer kurz stehen, atmete noch einmal tief durch und öffnete die schwere Holztür. Sie fand СКАЧАТЬ