Автор: Bernhard Sven Anuth
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Forschungen zur Kirchenrechtswissenschaft
isbn: 9783429063092
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Unter den jüngeren Arbeiten zu c. 227 sind darüber hinaus die Studien von María Blanco (2011)59 und Luis Navarro (2012)60 zu erwähnen. Auch sie sehen c. 227 im Kontext der konziliaren Lehre von der Autonomie der irdischen Wirklichkeiten: Das darin gewährte Recht komme aber allen Gläubigen zu61, wenngleich es nach Navarro für Laien wegen ihres Weltcharakters spezielle Bedeutung habe.62 Nach ihm gewähre der c. 227 in weltlichen Angelegenheiten Freiheit von Zwang seitens der Kirche, die hier abgesehen von sehr speziellen Fällen keine jurisdiktionelle Kompetenz habe.63 Auch Blanco spricht von einer „autonomia nell’ambito temporale“, erkennt aber zugleich an: Es sei nicht ausgeschlossen, dass die kirchliche Hierarchie in bestimmten Fällen ein konkretes moralisches Urteil fälle.64
Gegenüber wem und in welchem Ausmaß können sich katholische Christ(inn)en in ihrem gesellschaftlichen und politischen Handeln also auf die ihnen gemäß c. 227 CIC bzw. c. 402 CCEO zukommende Freiheit in den Angelegenheiten des irdischen Gemeinwesens berufen? Rechtfertigen c. 227 CIC und c. 402 CCEO die Rede von einer Autonomie der Laien in den weltlichen Dingen? Wie weit reicht ihre Freiheit in kirchenrechtlicher Sicht? Diesen Fragen soll im Folgenden nachgegangen werden.
1.3 Zielsetzung und Methode
Die vorliegende Untersuchung geht nicht von einem bestimmten Begriff bzw. einer Definition des Laien im Anschluss an das Zweite Vatikanische Konzil oder die nachkonziliare Theologie aus. Ihr Gegenstand ist weder der besondere Weltbezug der Laien (LG 31) noch die im Kontext von c. 227 CIC häufig angeführte Autonomie der irdischen Wirklichkeiten (GS 36), sondern das in c. 227 CIC und c. 402 CCEO positivierte Recht der Laien auf Anerkennung ihrer bürgerlichen Freiheiten sowie deren Bindung an und durch das kanonische Recht. Dabei verfolgt die Arbeit ein rechtsdogmatisches Ziel65: Durch Analyse und Auslegung des Normtextes werden Inhalt und Konsequenzen beider Canones bestimmt. So lassen sich Umfang und Grenzen der Freiheit katholischer Laien in ihrem gesellschaftlichen bzw. politischen Handeln rechtlich konturieren.
Im Aufbau folgt die vorliegende Studie dem Wortlaut von c. 227 CIC, der in c. 402 CCEO als lex posterior weitgehend identisch übernommen wurde. So wird zunächst das Rechtssubjekt des vorliegenden Laienrechts näher bestimmt (2.1). In einem zweiten Schritt wird das gegenständliche Recht als Freiheitsrecht in den Blick genommen (2.2): Wer sind seine Adressaten (2.2.1), welches ist sein Gegenstandsbereich (2.2.2) und worin genau besteht der Rechtsanspruch auf „Anerkennung“ der bürgerlichen Freiheit (2.2.3)? In einem dritten Schritt werden die Grenzen untersucht, die der Normtext für den Gebrauch der bürgerlichen Freiheit formuliert (2.3): Dies sind die Bindung an den Geist des Evangeliums (2.3.1) und die lehramtlich verbindlich vorgelegte Lehre (2.3.2) sowie das Verbot, in lehramtlich noch nicht entschiedenen Fragen die eigene Meinung als Lehre der Kirche auszugeben (2.3.3). Abschließend werden die Ergebnisse dieser gründlichen Canonexegese zusammengefasst (3.1) sowie kritisch gewürdigt und auf weitere Forschungsdesiderate hin befragt (3.2).
Bei der Auslegung des c. 227 CIC und c. 402 CCEO und der in Verbindung damit einschlägigen Bestimmungen sind die gesetzlichen Interpretationsregeln zu befolgen.66 Besondere Beachtung verdienen dabei c. 17 CIC bzw. c. 1499 CCEO. Demnach sind kirchliche Gesetze zu verstehen gemäß der eigenen Bedeutung ihrer Worte in Text und Kontext (1. HS).67 Erst wenn die philologische bzw. grammatikalischlogische Interpretation68 eines Gesetzes nicht zu einem klaren Ergebnis führt, der Gesetzestext also zweifelhaft und uneindeutig bleibt, darf gemäß dem 2. HS subsidiär auf etwaige Parallelstellen, auf Zweck und Umstände des Gesetzes sowie auf die Absicht des Gesetzgebers zurückgegriffen werden.69 Diese Auslegungsregeln galten weitgehend identisch schon im CIC/1917. Ihre Übernahme in den CIC/1983 und entsprechend in den CCEO ist „als bewußte methodologische Entscheidung des Gesetzgebers“70 zu verstehen. Der/die Interpret/in ist an sie gebunden.
Dieser Ansatz einer kodexkonformen Auslegung ist in der Kanonistik umstritten. Seine Kritiker(innen) sehen darin „a new kind of positivism“71 bzw. einen „normativistische[n] Positivismus“, der „dem Wesen der Rechtsordnung nicht gerecht wird“72.
Dagegen wird eine theologische, von den Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils, insbesondere seiner Ekklesiologie, geprägte Auslegung des kanonischen Rechts stark gemacht. Schließlich, so Papst Johannes Paul II., mache diese Ekklesiologie auch „das Neue im neuen Codex“73 aus. Zwar hat sich dieses Neue, wie Remigiusz Sobański feststellt, „nicht auf die auslegerische Diktion ausgewirkt“74. Dennoch fordern namhafte Kanonist(inn)en und Theolog(inn)en nachdrücklich eine Interpretation der Gesetzestexte im Geist und Licht des Zweiten Vatikanischen Konzils.75 Libero Gerosa vertritt gar die Meinung, eine theologische Interpretation der kanonischen Gesetze werde „nur von jenen ‚progressiven‘ oder ‚konservativen‘ Kanonisten zurückgewiesen, die durch eine ihnen gemeinsame Überbetonung der positivistischen Auffassung des Kirchenrechts bestimmte kirchenpolitische Anliegen und Ausrichtungen verteidigen wollen.“76 Für den Dogmatiker Bernd J. Hilberath „geht es in der Nachkonzilszeit nicht zuletzt darum, wem die Interpretationsmacht zukommt.“77 2014 hat sich Thomas Meckel in seiner Würzburger Habilitationsschrift daher noch einmal ausführlich mit dem Verhältnis von „Konzil und Codex“ beschäftigt.78
Die vorliegende Arbeit verfolgt kein rechtsoder kirchenpolitisches Ziel. Eine mit Verweis auf das II. Vatikanum vom Wortlaut eines kirchlichen Gesetzes absehende Auslegung muss gleichwohl als unzulässig zurückgewiesen werden.79 Sie trifft auch nicht das Selbstverständnis des Gesetzgebers. Schließlich trägt der CIC/1983 nach Papst Johannes Paul II. sowohl inhaltlich wie auch aufgrund seiner Entstehung den Geist des II. Vatikanischen Konzils80: Der Codex müsse als Versuch des Gesetzgebers verstanden werden, die konziliare Ekklesiologie in eine rechtliche Sprache zu übersetzen.81 Er sei insofern die „Vervollständigung“ der Lehren des Konzils.82 Als Ergebnis „langer, geduldiger und sorgfältiger Arbeit […] stellt er einen maßgeblichen Wegweiser für die Anwendung des Zweiten Vatikanischen Konzils dar“83 und könne sogar als „letztes Konzilsdokument“ bezeichnet werden.84 Damit aber ist klar: Nicht die Codex ist im Licht des II. Vatikanums zu interpretieren, sondern es gilt umgekehrt: „Der CIC macht deutlich, wie der Gesetzgeber die Konzilstexte versteht und verstanden wissen will.“85 Gegen den klaren, in Text und Kontext erwogenen Wortlaut eines Gesetzes kann eine vermeintlich „konzilsnahe“ oder „konzilskonforme“ Interpretation nicht durchdringen. „Das Konzil kann kein Rettungsanker gegen inakzeptabel erscheinendes positives Recht sein.“86 Man kann dies bedauern und die gesetzlichen Interpretationsregeln, insbesondere den c. 17, mit guten Gründen „als positivistisch, voluntaristisch, statisch, nicht-hermeneutisch oder anachronistisch kritisieren“87. Der kirchliche Gesetzgeber hat sie im CIC/1983 gleichwohl „erneut ausdrücklich bekräftigt“88 und den/die Interpretierenden damit gesetzlich gebunden.89 Der c. 17 CIC entsprechende c. 1499 CCEO bestätigt diese methodologische Entscheidung des Gesetzgebers im Gesetzbuch für die katholischen Ostkirchen, das nach Papst Johannes Paul II. wie der CIC als eine Ergänzung der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils anzusehen ist.90
Die lege artis durchgeführte Auslegung kirchlicher Gesetze kann „zu erstaunlichen, gelegentlich auch erschreckenden Ergebnissen“91 führen. Dessen ungeachtet ist zwischen Auslegung und Kritik des Gesetzestextes zu unterscheiden: „Die beiden Fragen, was gilt und was gelten sollte, sind auseinanderzuhalten und dürfen nicht ineinsgesetzt werden.“92 Da sich die Kirche auch in ihrer rechtlichen Ordnungsgestalt verwirklicht, dürfen Gläubige „nicht durch ein idealisierend bzw. harmonisierend weichgezeichnetes Bild der katholischen Kirche getäuscht werden. […] Mit aller Nüchternheit die Rechtslage zu klären, bedeutet nicht, sich zu ihrem Apologeten zu machen.“93
1 MAIER, Christ, 79. Denn: „Während früher die Tendenz des kirchlichen Lehramtes СКАЧАТЬ